Zusammenfassung
Die rückenmarksnahe Leitungsanästhesie wird nach dem Applikationsort des Lokalanästhetikums in Spinalanästhesie (Applikation in den Subarachnoidalraum) und Periduralanästhesie (Applikation in den Peri- oder Epiduralraum) unterschieden.
Die beiden Verfahren können ebenfalls kombiniert werden (Kombinierte Spinal- und Periduralanästhesie/Combined Spinal-Epidural/CSE).
Übersicht

DefinitionRegionalanästhesie
Die Regionalanästhesie umfasst eine Vielzahl von Anästhesieverfahren, bei denen durch gezielte Applikation von Lokalanästhetika
in die Umgebung peripherer Nerven oder des Rückenmarks die Schmerzleitung vom Operationsgebiet zum Gehirn unterbrochen wird. Dadurch wird eine gezielte Schmerzausschaltung oder -reduktion bei erhaltenem Bewusstsein (keine Beatmung) der Patient:innen erreicht. Regionalanästhesieverfahren können auch mit einer Allgemeinanästhesie kombiniert werden, um intraoperativ Narkose- und Schmerzmittel einzusparen und eine gute postoperative Analgesie zu gewährleisten.
- Die rückenmarksnahen Leitungsanästhesien…
- gehören zur Regionalanästhesie
- werden nach dem Applikationsort des Lokalanästhetikums in Spinalanästhesie (Applikation in den Subarachnoidalraum) und Periduralanästhesie (Applikation in den Peri- oder Epiduralraum) unterschieden. Die beiden Verfahren können ebenfalls kombiniert werden (Kombinierte Spinal- und Periduralanästhesie/Combined Spinal-Epidural/CSE).
Punktionshöhe
Bei der rückenmarksnahen Leitungsanästhesie ist es wichtig, die richtige Punktionshöhe zu finden. Dazu lässt man die Patient:innen einen „Katzenbuckel“ machen. Dies erweitert die Zwischenwirbelräume. Mithilfe der folgenden Landmarken kann die gewünschte Punktionsstelle ertastet und ggf. markiert werden.
- HWK7: ausgeprägter Dornfortsatz der Halswirbelsäule (Vertebra prominens):
- BWK7: Linie zwischen der unteren Kante der Schulterblätter (Angulus inferior)
- LWK4 bzw. LWK4/5: Verbindungslinie zwischen den Darmbeinschaufeln (interkristale Linie)

Anatomische Grundlagen
Bei der Punktion müssen folgende Strukturen durchdrungen werden (von außen nach innen)
- Haut
- Subkutanes Fettgewebe
- Ligamentum supraspinale
- Ligamentum interspinale
- Ligamentum flavum
- Peri- oder Epiduralraum → Periduralanästhesie
- Dura mater
- Arachnoidea mater
- Subarachnoidalraum → Spinalanästhesie
Spinalanästhesie vs. Periduralanästhesie
Spinalanästhesie | Periduralanästhesie | |
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Punktionshöhe |
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Wirkort |
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Wirkung |
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Wirkeintritt |
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Durchführung |
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Medikamente |
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Einfluss auf die Hämodynamik |
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Dosis des Lokal-anästhetikums |
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Motorische Blockade |
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Typische Indikationen |
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Vorteile |
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Nachteile ![]() |
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Kombinierte Spinal- und Periduralanästhesie (CSE)
- Definition: aufeinanderfolgende Spinal- und Periduralanästhesie in einer einzigen Sitzung → Kombiniert die Vorteile beider Verfahren
- Reihenfolge: abhängig von Klinikstandard
→ Häufig zuerst Spinal- und im Anschluss Periduralanästhesie - Vorteile:
- Schneller Wirkeintritt mit guter intraoperativer Analgesie und motorischer Blockade
- Gute postoperative Analgesie durch Periduralkatheter
- Nachteile:
- Schwierigere Technik
- Keine Möglichkeit, eine intrathekale Fehllage des Periduralkatheters durch die Testdosis auszuschließen
- Typische Indikationen
- Sectio caesarea
- Orthopädische Interventionen an der unteren Extremität
Nadelspitzen
Alle Nadeltypen sind mit einem Mandrin (hier blau dargestellt) zur Stabilisierung und Vermeidung von Gewebeverschleppung ausgestattet.
Bei den Spinalnadeln unterscheidet man zwischen traumatischen Nadelspitzen wie der Quincke-Nadel und atraumatischen Nadelspitzen wie der Sprotte® oder der Ballpen-Spitze. Die atraumatischen Nadelspitzen verdrängen die Durafasern, ohne sie zu durchtrennen. Dadurch wird die Punktionsstelle beim Herausziehen sofort verschlossen und ein postpunktioneller Kopfschmerz tritt seltener auf. Die Tuohy-Nadel wird für die Periduralanästhesie verwendet. Sie ist an der Spitze gebogen, um den Periduralkatheter exakt im Periduralraum platzieren zu können. Zur besseren Abschätzung der Punktionstiefe ist die Tuohy-Nadel mit einer Zentimetermarkierung versehen.
Kontraindikationen
- Ablehnung des Verfahrens durch Patient:in
- Unverträglichkeit gegenüber dem Lokalanästhetikum
- Lokale Infektion oder Tumor an der geplanten Einstichstelle
- Blutungsneigung (angeboren oder medikamentös bedingt)
- Erhöhter Hirndruck
- Hochgradige Herzklappenerkrankungen (vor allem Aortenklappenstenose
) - Hypovolämie
bzw. Schock - Wirbelsäulen-Deformitäten oder Voroperationen an der Wirbelsäule
Komplikationen
- Blutdruckabfall durch Sympathikolyse (Warnzeichen: Übelkeit, Benommenheit)
- Blutung
- Der Periduralraum ist mit einem Venengeflecht (Plexus venosus vertebralis internus) durchzogen → Unbedingt Blutgerinnung beachten!
- Infektion (insbesondere bei Katherverfahren)
- Nervenschädigung
- Direkt bei Punktion
- Indirekt durch Blutung mit nachfolgender Nervenkompression
- Totale Spinalanästhesie:
- Definition:
- Lähmung von Zwerchfell und Interkostalmuskulatur → Dyspnoe, Apnoe
- Hohe Sympathikolyse mit Hypotonie und Bradykardie
- Hirnstammlähmung mit Bewusstlosigkeit
- Ätiologie: intrathekale Gabe von hohen Lokalanästhetika
-Dosen - Intrathekale Fehlanlage des Periduralkatheters
- Fehldosierung im Rahmen einer Spinalanäthesie
- Symptomatische Therapie:
- Stabilisierung des Kreislaufs (z.B. Gabe eines Vasokonstriktors, Atropin
, Volumentherapie) - Sicherung des Atemwegs (Maskenbeatmung
, Intubation , maschinelle Beatmung )
- Stabilisierung des Kreislaufs (z.B. Gabe eines Vasokonstriktors, Atropin
- Definition:
- Postpunktioneller Kopfschmerz
- Definition: Lagerungsabhängige Kopfschmerzen
im Anschluss an eine Durapunktion (Spinalanästhesie, Lumbalpunktion , versehentliche Durapunktion bei Periduralanästhesie) → Symptomverstärkung 15 min nach dem Aufstehen, Symptomlinderung durch Hinlegen - Auftreten: innerhalb von 5 Tagen nach Eingriff
- Pathophysiologie: Liquorunterdrucksyndrom führt zu Zug an den Meningen
- Therapie:
- 1.Flache Lagerung
- 2.Gabe von Koffein
- 3.Epiduraler Blutpatch (Injektion von 20 ml Eigenblut führt zur Tamponade der perforierten Dura)
- Definition: Lagerungsabhängige Kopfschmerzen
- Harnverhalt durch Blockade sakraler Rückenmarkssegmente
- Allergische Reaktionen
- Systemische Lokalanästhetika-Intoxikation
(LAST)
AchtungJe mehr Punktionen durchgeführt werden müssen, desto höher ist das Risiko für infektiöse oder neurologische Komplikationen. Sollten nach rückenmarksnaher Leitungsanästhesie neurologische Ausfälle auftreten, müssen diese umgehend mittels MRT abgeklärt werden.
Durchführung Spinalanästhesie
Materialien
- Mundschutz & Haube
- Hautdesinfektionsmittel
- (1) Sterile Handschuhe
- (2) Steriler Kittel
- (3) Steriles Lochtuch
- (4) Sterile Tupfer
- (5) Steriles Pflaster
- (6) Führungskanüle (Introducer)
- (7) Spinalkanüle (25-27G) mit Mandrin
- (8) Spritze für Infiltrationsanästhesie
- (9) Spritze für Lokalanästhesie
- (10).Aufziehkanüle (z.B. 18G)
- (11) Dünne Kanülen für die oberflächliche und tiefe Infiltrationsanästhesie der Haut (z.B. 21G, 25G)
- Lokalanästhetikum
: - Für die Infiltrationsanästhesie
- Für die Spinalanästhesie
Durchführung Spinalanästhesie
- Lagerung: Patient:in sitzt auf der OP-Lafette, Schultern fallen lassen und Katzenbuckel machen
- Palpation der Dornfortsätze auf Höhe des Beckenkamms/ Crista iliaca (Punktionshöhe: L4/5)
- Material vorbereiten
- 4-malige Wisch-Desinfektion der Haut (Einwirkzeit und Klinikstandard beachten)
- Aufziehen der Medikamente
- Lochtuch aufbringen
- Infiltrationsanästhesie der Haut subkutan und interspinal (z.B. 1-2 ml Mepivacain 1%)
- Einführen der Führungskanüle (dient später als Leitstruktur für die dünne und flexible Spinalnadel)
- Punktionswinkel: ~90°-Winkel zur Haut
- Punktionstiefe: Vorschieben bis in das Lig. interspinale (3-4 cm tief)
- Einführen der Spinalnadel (Punktion der Dura (ggf. „Klicken“ spürbar)
- Erste Lagekontrolle: Rückfluss von klarem Liquor über die Spinalnadel nach Entfernung des Mandrins
- Spritze mit Lokalanästhetikum
in Spinaldosis (z.B. Ropivacain 0,5 %, Injektion von 3–5 ml bei 5 mg/ml) aufsetzen - Zweite Lagekontrolle: Aspiration von Liquor (Kein Blut
aspirierbar!) - Langsame Injektion des Lokalanästhetikum
(Alternativ Barbotage: wiederholte Aspiration und Injektion von einem Gemisch aus Liquor und Lokalanästhetikum nach erfolgreicher Punktion ) - Nach erfolgreicher Injektion: gemeinsames Herausziehen von Führungskanüle und Spinalnadel
- Einstichstelle mit sterilem Pflaster abkleben
Patient:in in Rückenlage umlagern
Tipp
Durch Sprühen von Desinfektionsmittel (Kalt-Warm-Diskriminierung) auf die Haut von kaudal beginnend kann die Ausbreitungshöhe bestimmt werden. Dabei gibt Patient:in an, ab wann das Desinfektionsmittel als kalt empfunden wird.
Durchführung einer Periduralanästhesie
Materialien
- Mundschutz & Haube
- Hautdesinfektionsmittel
- (1) Sterile Handschuhe
- (2) Steriler Kittel
- (3) Steriles Lochtuch
- (4) Sterile Tupfer
- (5) Steriles Pflaster
- (6) Periduralkanüle (17–18 G, Länge 9–10 cm, mit Mandrin)
- (8) Partikelfilter mit Adapter
- (9) Periduralkatheter
- (10) 10-ml-Spritze für
Loss-of-Resistance-Technik - (11) 10-ml-Spritze für PDK-Testdosis (Lokalanästhetikum
+
Epinephrin) - (12) 10-ml-Spritze für die Peridural-
anästhesie - (13) Spritze für Infiltrationsanästhesie
- (14) Aufziehkanüle (z.B. 18G)
- (15) Dünne Kanülen für dir oberflächliche und tiefe Infiltrationsanästhesie der Haut (z.B. 21G, 25G)
- Lokalanästhetikum
- Für die Infiltrationsanästhesie
- Für die Spinalanästhesie
Durchführung Periduralanästhesie
- Lagerung: Patient:in sitzt auf der OP-Lafette, Schultern fallen lassen und Katzenbuckel machen
- Auffinden der Punktionsstelle (je nach gewünschter Ausbreitungshöhe)
- Material vorbereiten
- 4-malige Wisch-Desinfektion der Haut
- Aufziehen der Medikamente
- Lochtuch aufbringen
- Infiltrationsanästhesie der Haut subkutan und interspinal (z.B. 1–2 ml Mepivacain 1%)
- Mediane oder paramediane Punktion
- Mit beiden Händen Periduralkanüle bis ins Lig. interspinale vorschieben (ca. 2–3 cm)
- Entfernen des Mandrins
- Loss-of-Resistance
-Technik: Aufsetzen einer Spritze mit NaCl 0,9 %, Periduralkanüle unter gleichmäßigem Druck weiter vorschieben, bis es zum plötzlichen Widerstandsverlust kommt → Abrupt leichte Injektion möglich (im Periduralraum herrscht ein Unterdruck) - Aspirationskontrolle
- Fixieren der Periduralkanüle in ihrer Position (mit der nicht-führenden Hand) und Einführen des Periduralkatheters, bis der Katheter 3 bis 5 cm über die Spitze hinaus im Periduralraum liegt (die gewünschte Eindringtiefe kann anhand der Strichmarkierungen auf der Periduralkanüle und dem Periduralkatheter bestimmt werden)
- Vorsichtiges Entfernen der Periduralkanüle unter permanenter Fixierung des Periduralkatheters
- Ggf. Tunnelung des Katheters (z.B. mit 16G-Venenverweilkatheter
), um das Infektionsrisiko zu senken bei längerer Liegedauer (>48 Std.) - Anschluss des Filtersystems
- Erneute Aspirationskontrolle
- Lagekontrolle des Periduralkatheters durch Gabe einer spinalen Testdosis (s.u.) zum Ausschluss einer intrathekalen Fehllage
- Gabe der Periduraldosis (z.B. Ropivacain 0,75 %, Injektion von 15–25 ml bei 7,5 mg/ml)
- Sicheres Fixieren des Katheters

AchtungZu Punkt 13: Wenn der Periduralkatheter zurückgezogen werden soll, dann immer zusammen mit der Periduralkanüle. Wenn nur am Katheter gezogen wird, kann dieser an der Spitze der Tuohy-Kanüle abgetrennt werden.
Lagekontrolle des Periduralkatheters
- Ziel: Vermeiden von Fehlinjektionen der Lokalanästhetika
- Risiken:
- Bei intrathekaler Fehlinjektion: Gefahr einer totalen Spinalanästhesie
- Bei intravasaler Fehlinjektion: Gefahr der systemischen Lokalanästhetika-Intoxikation
(LAST)
- Durchführung
- Vor jeder Injektion sollte eine Aspiration erfolgen → Es sollte weder Blut
noch Liquor aspirierbar sein! - Applikation einer PDK-Testdosis → Injektion von Lokalanästhetika
in Spinalanästhesie-Dosis (geringere Dosierung als bei der PDA, z.B. Bupivacain
0,5 % Injektion von 3 ml bei 5 mg/ml) - Ggf. Testdosis mit Epinephrin-Zusatz → Bei intravasaler Injektion: Anstieg von Herzfrequenz
und Blutdruck
- Vor jeder Injektion sollte eine Aspiration erfolgen → Es sollte weder Blut
- Auswertung:
- Bei intrathekalen Fehllage: Klinischer Verlauf einer Spinalanästhesie nach einer Wartezeit von 5 min
Quellen
- S1-Leitlinie: Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thrombembolieprophylaxe/ antithrombotische Medikation, 3. überarbeitete Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin