Staphylococcus epidermidis ist ein grampositives Bakterium, aus der Gattung der Staphylokokken. Es gehört zur Gruppe der Koagulase-negativen Staphylokokken (KNS), ist also Katalase-positiv, aber Koagulase-negativ.
Staph. epidermidis sowie die meisten anderen Koagulase-negativen Staphylokokken zählt zu den häufigsten Besiedlern der menschlichen Haut und Schleimhäute und ist in der Regel nichtpathogen. Problematisch wird der Erreger vor allem durch seine Fähigkeit zur Biofilmbildung auf künstlichen Materialien wie Kathetern oder Herzklappenprothesen. Besonders bei immungeschwächten Patient:innen kann Staph. epidermidis nosokomiale Infektionen verursachen.
Aufgrund häufiger Antibiotikaresistenzen – insbesondere gegenüber Beta-Lactam-Antibiotika – ist eine gezielte antibiotische Therapie auf Basis eines Antibiogramms oft notwendig.
“Staphylococcus” wird im weiteren mit “Staph”. abgekürzt.
Koagulase-negative Staphylokokken (KNS):
Übersicht: Staphylokokken Differenzierung
Wie bereits im Einführungsartikel zu den Staphylokokken beschrieben, können innerhalb der Gattung der Staphylokokken verschiedene Spezies, durch die Testung von Enzymaktivitäten und Wirkstoff-Sensitivität, differenziert werden.
Während alle Staphylokokken Katalase-positiv sind, erfolgt die weitere Differenzierung anhand der Koagulase-Reaktion. Staphylococcus aureus weist hierbei als einzige Spezies der Staphylokokken-Gattung eine positive Koagulase-Reaktion auf. Alle anderen Staphylokokken präsentieren sich Koagulase-negativ.Sie werden daher in einer eigenen Gruppe zusammengefasst:
Die Koagulase-negativen Staphylokokken, kurz KNS.
Die KNS können weiter in zwei Untergruppen eingeteilt werden, welche sich durch ihre Sensitivität auf Novobiocin unterscheiden lassen:
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Originale Quelle: Hadano Y, Isoda M, Ishibashi K, Kakuma T. Validation of blood culture gram staining for the detection of Staphylococcus aureus by the 'oozing sign' surrounding clustered gram-positive cocci: a prospective observational study. BMC Infect Dis. 2018 Sep 29;18(1):490. doi: 10.1186/s12879-018-3412-2. PMID: 30268097; PMCID: PMC6162874. - "This article is distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 International License (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)"
Staph. epidermidis unter dem Lichtmikroskop
Morphologie: kokkoid (kugelförmig), Anordnung in Haufen
Größe: ca. 1 µm breit
Beweglichkeit: unbeweglich aufgrund fehlender Geiseln
Gram-Färbung: grampositiv
Verkapselung: nein, jedoch Bildung einer Schutz-Schleimschicht → Biofilm
Sporenbildung: nein
Sauerstoffbedarf: fakultativ anaerob
Zellinvasion: primär extrazellulär, selten Eindringen in Epithel- und Endothelzellen
Zellaufbau
Der Zellaufbau von Staph. epidermidis entspricht grundlegend dem grampositiver Bakterien.
Als besonderes Merkmal zeigt sich bei Staphylococcus epidermidis die Fähigkeit zur Bildung einer Polysaccharid-Schleimschicht. Diese entspricht keiner klassischen Kapsel, ist funktionell jedoch kapselähnlich.
Polysaccharid-Schleimschicht:
Keine klassische, dicke Kapsel (wie z. B. Klebsiella pneumoniae), jedoch extrazelluläre Polysaccharidmatrix (auch genannt: „slime layer“)
Beitrag zur Biofilmbildung (z. B. auf Kathetern, Shunts, Herzklappen)
Pathogenität und Virulenzfaktoren
Virulenzfaktoren:
Staphylococcus epidermidis gehört zur physiologischen Hautflora und ist eigentlich ein nicht pathogener Erreger. Unter bestimmten Bedingungen, z. B. einer Immunsuppression oder bei Anlage von Fremdmaterialien wie Kathetern oder Prothesen, kann er pathogen wirken.
Die hauptsächlichen Pathogenitätsfaktoren von Staph. epidermidis sind:
Biofilmbildung → Hauptvirulenzfaktor
Vermittelt durch Polysaccharid-Interzellular-Adhäsin (PIA)
Biofilm schützt die Bakterien vor Antibiotika, Immunabwehr (Phagozytose) und Desinfektionsmitteln
Besonders relevant bei Fremdkörperinfektionen (z. B. ZVK, Herzklappen, Gelenkprothesen)
Resistenzmechanismen:
Methicillin-Resistenz kommt in 75-90 % vor (z. B. MRSE = Methicillin-resistenter Staph. epidermidis)
Trägt zur Therapieresistenz und Hospitalpersistenz bei
Plasmidvermittelt
Die untenstehende Tabelle fasst die relevanten Virulenzfaktoren übersichtlich zusammen:
Pathogenitätsmerkmal
Virulenzfaktor
Funktionsmechanismus
Metabolische Anpassung
Lipasen Proteasen Nukleasen
Exoenzyme
Dienen Überleben und Ernährung auf der Haut
Helfen bei Zerstörung von Wirtsstrukturen, tragen zur Persistenz bei
Adhärenz
Oberflächenproteine (z.B. AtlE)
Ermöglichen Anhaftung an Wirtsgewebe und Biomaterialien
Wichtig für die erste Phase der Biofilmbildung
Immunevasion
Polysaccharid-Interzellulär-Adhäsin
Ermöglicht die Biofilmbildung
Geringe Toxinproduktion
Erreger verhält sich unauffällig
Keine starke Entzündungsreaktion → erschwert die Detektion durch das Immunsystem
Toxine:
Wie bereits oben beschrieben, sind Erreger der „Staph. epidermidis”-Spezies nicht Toxin-vermittelt pathogen. Dennoch produzieren sie ein Toxin, das sogenannte „Deltatoxin“.
Dieses Toxin unterstützt durch eine Interaktion mit antimikrobiellen Peptiden des Wirts die Bekämpfung von Gruppe-A-Streptokokken auf Haut und Schleimhaut. Es verdeutlicht damit die symbiotische Funktion, die Staph. epidermidis als Kommensale für den Menschen hat.
Info
Kommensale
Kommensalen sind Mikroorganismen, die auf oder im Körper eines Wirts leben, ohne diesem zu schaden – im Gegensatz zu pathogenen Keimen. Häufig profitieren sie vom Wirt (z. B. durch Nährstoffe oder Lebensraum), ohne selbst eine Krankheit zu verursachen.
Ein möglicher pathogener Effekt ist die Beteiligung an hämorrhagischer Enterokolitis bei Neugeborenen, wobei der Zusammenhang bislang nicht eindeutig belegt ist.
Toxin
Funktion
Weitere Informationen
Deltatoxin
Eliminierung von Gruppe-A-Streptokokken
Toxin arbeitet für Wirt und dient der Bekämpfung von Gruppe-A-Streptokokken
Bildet Poren in Zellmembran von Erythrozyten → Zelllyse
Kooperiert mit antimikrobiellen Peptiden des Wirts → Eliminierung von fremden Erregern
Kann hämorrhagische Enterokolitis bei Neugeborenen hervorrufen
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Epidemiologie und klinische Relevanz
Epidemiologie
Staphylococcus epidermidis befindet sich bei den meisten Menschen als Erreger der physiologischen Keimflora nahezu ubiquitär auf der menschlichen Haut und Schleimhaut.
Eine Übertragung erfolgt hauptsächlich direkt oder indirekt durch Kontakt mit kontaminierten Personen oder Gegenständen.
Resistenzen:
Staph. epidermidis ist häufig gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent, v.a. gegen einfache Penicillin-Antibiotika → Werden dann als „MRSE“ (Methicillin-resistenter Staphylococcus epidermidis) bezeichnet
Methicillin-Resistenz kommt in 75-90 % vor (z. B. MRSE = Methicillin-resistenter Staph. epidermidis)
Auch weitere Resistenzen, z.B. gegen Fluorchinolon-Antibiotika, sind zunehmend
Info
Zusatzinfo: Resistenz-Weitergabe
Wissenschaftliche Studien konnten eine Verbindung zwischen den Resistenzen von Staph. epidermidis und Staph. aureus entdecken. So besteht die Hypothese, dass die Methicillin-Resistenz plasmidvermittelt von Staph. epidermidis (MRSE) auf Staph. aureus (MRSA) übertragen wurde.
Klinik
Risikofaktoren für eine Staph. epidermidis-Infektion:
Immunsuppression, z.B. durch Chemotherapie oder hohes Alter
Gestörte Hautbarriere, z.B. bei Wunden, nach OP → Eine gründliche Hautdesinfektion vor operativen Eingriffen ist daher unerlässlich
Invasive medizinische Behandlungen mit der längerfristigen Anlage oder dem Einbau von Fremdmaterial, z.B. (Harn-)Kathetern, Prothesen, Herzklappenprothesen
Klassische Krankheitsbilder:
Manifestation
Krankheitsbilder
Haut- und Weichteilinfektionen
z.B. Abszesse, Paronchie (Nagelbettentzündung), Wundinfektion
z.B. Gelenkimplantate, Herzklappenprothesen, katheterassoziierte Infektionen (bis hin zur Sepsis)
20-50 % aller Endoprothetik-Infektionen werden durch Staph. epidermidis hervorgerufen
Systemische Infektionen
Bakteriämie
Infektiöse Endokarditis
Late onset Neonatal Sepsis
Info
Lebensmittelvergiftungen
Bislang galt v.a. Staph. aureus durch seine Exotoxin-Produktion als Erreger von Lebensmittelvergiftungen.
Neuere Studien zeigen, dass auch KNS und darunter Staph. epidermidis Lebensmittelvergiftungen durch Enterotoxine hervorrufen könnten. Diese sind jedoch selten.
Diagnostik
Probenentnahme je nach Krankheitsbild → z.B. Abstrich von Oberflächen von Fremdmaterial oder aus Wunden, Sputumproben, etc.
Merke
Wann ist ein Abstrich / eine Probenentnahme einer Infektionsstelle nötig?
Nicht jede Entzündung oder Infektion benötigt einen Erregernachweis
Bei einem Verdacht auf eine unkomplizierte Entzündung kann die initiale Therapie mit einem Standard-Antibiotikum erfolgen
Ein Abstrich/Probenentnahme der Infektionsstelle ist auf jeden Fall erforderlich bei:
Fremdmaterial-assoziierten Infektionen, egal ob äußerlich oder innerlich → Hohe Wahrscheinlichkeit für Staph. epidermidis-Infektion und großes Resistenzprofil
Systemischen / ausgedehnten Infektionen
Bei Nicht-Ansprechen auf das verabreichte Antibiotikum
Mikrobiologische Diagnostik:
Differenzierung zu Staph. aureus im Labor: Fehlender Clumping Factor und keine freie Koagulase (koagulasenegativ). Eine weitere Differenzierung kann auch mit molekularbiologischen Methoden erfolgen
Achtung
Small Colony Variants
Staphylococcus epidermidis kann sogenannte Small Colony Variants (SCVs) ausbilden – dies sind metabolisch reduzierte Formen einer Bakterienspezies mit langsamem Wachstum und hoher Antibiotikaresistenz, die in einer Kultur kleinere Bakterienkolonien ausbilden → Für den mikrobiologischen Nachweis ist eine verlängerte Bebrütungszeit im Labor erforderlich, da SCVs sonst leicht übersehen werden können
Therapie
Therapie bei Fremdmaterial-assoziierten Infektionen:
Unkomplizierte Staph. epidermidis CRBSI (catheter related blood stream infections):
1. Wahl: Entfernung des Device
Bei Belassen des Devices: prolongierte antibiotische Therapie für mindestens 14 Tage
PJI (prosthetic joint infections):
Prothesenwechsel
Antibiotische Therapie:
Die meisten Erreger der Spezies „Staph. epidermidis“ zeigen Resistenzen, v.a. gegenüber Methicillin (MRSE) → Standard-Penicilline sind daher in der Regel ungeeignet zur Therapie
Antibiotikum der 1. Wahl: Vancomycin
Alternativ:Linezolid, Daptomycin, Rifampicin (nicht als Monotherapie)
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Weitere Koagulase-negative Staphylokokken
Wie bereits oben beschrieben, kann die Gruppe der Koagulase-negativen Staphylokokken weiter in die „Staph. epidermidis Gruppe“ und die „Staph. saprophyticus Gruppe“ unterteilt werden.
Staph. hominis und Staph. capitis stellen zwei, zwar seltenere, dennoch klinisch relevante Erreger der Staph. epidermidis Gruppe dar.
Beide Erreger entsprechen in ihrem grundlegenden Aufbau und Verhalten dem von Staph. epidermidis. Sie werden daher im Folgenden nur übersichtsartig beschrieben.
Erreger
Eigenschaften
Vorkommen
Klinische Relevanz
Therapie
Staph. hominis
Grampositiv
Fakultativ anaerob
Unbeweglich
Biofilmbildung
Haut- und Schleimhaut-Kommensale → Teil der physiologischen Hautflora
Haut- und Schleimhaut-Kommensale → Teil der physiologischen Hautflora
Vorallem auf Kopfhaut, Gesicht, Nase, Gehörgang
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Perez K., Patel R., "Survival of Staphylococcus epidermidis in Fibroblasts and Osteoblasts" (18. Sept. 2021), DOI: 10.1128 https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6204734/, Abgerufen am 08.04.2025