Das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) zählt zu den häufigsten Ursachen einer Hyponatriämie.
Definition
Hyponatriämie = Serumkonzentration <135 mmol/l
Zu den auslösenden Faktoren des SIADH zählen u.a. paraneoplastische Syndrome (insb. das kleinzellige Bronchialkarzinom) sowie zentralnervöse und pulmonale Erkrankungen. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Thiaziddiuretika oder trizyklische Antidepressiva) kann das Syndrom induzieren.
Aus pathophysiologischer Perspektive führt die unkontrollierte ADH-Sekretion zu einer gesteigerten Wasserretention und damit zu einer Verdünnungshyponatriämie.
Klinisch zeigt sich ein variables Spektrum von asymptomatischen Verläufen bis hin zu schwerwiegenden neurologischen Beschwerden wie Krampfanfällen oder Koma. Der Schweregrad der Symptomatik korreliert vor allem mit der Geschwindigkeit der Elektrolytverschiebung.
Die Diagnostik umfasst u.a. eine sorgfältige Anamnese, eine körperliche Untersuchung, wobei die Beurteilung des Volumenstatus eine zentrale Rolle spielt und labordiagnostische Tests.
Therapeutisch steht die Behandlung der zugrundeliegenden Ursache im Vordergrund. Darüber hinaus können unterstützende Maßnahmen wie Flüssigkeitsrestriktion zum Einsatz kommen.
Epidemiologie
SIADH zählt zu den häufigsten Ursachen einer Hyponatriämie
Die Prävalenz der Hyponatriämie beträgt unter hospitalisierten Patient:innen etwa 15-20%
Im ambulanten Bereich wird die Prävalenz auf ca. 7% geschätzt
Etwa ⅓ der Fälle werden durch SIADH verursacht
Achtung
Hyponatriämie ist die häufigste Elektrolytstörung, wobei das SIADH die häufigste Ursache darstellt.
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Ursachen
Paraneoplastisch (maligne Tumoren mit ektoper ADH-Bildung):
Kleinzelliges Bronchialkarzinom (Ursache bei ca. 80% der Fälle)
Seltener:Pankreaskarzinom, Duodenalkarzinom, Thymom, Lymphom, Sarkom etc.
Zentralnervöse Störungen: Meningitis, Enzephalitis, Multiple Sklerose, Schädel-Hirn-Trauma, intrakranielle Blutung etc.
Pulmonale Erkrankungen: Pneumonie, Tuberkulose, COPD, Asthma bronchiale etc.
Medikamente: z.B. trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva, Thiaziddiuretika, Cyclophosphamid
Merke
Ein paraneoplastisches Syndrom bei kleinzelligem Bronchialkarzinom ist die häufigste Ursache des SIADH. Bei entsprechendem Verdacht sollte daher immer eine gezielte Tumorsuche durchgeführt werden.
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Pathophysiologie
ADH - Physiologische Funktion
ADH, auch Vasopressin genannt, wird im Hypothalamus (Nucleus supraopticus und paraventricularis) gebildet, im Hypophysenhinterlappen gespeichert und bei Bedarf freigesetzt.
Unter normalen Bedingungen reguliert ADH die Wasserretention in den Nieren, indem es über V2-Rezeptoren den Einbau von Aquaporinen in das Epithel der renalen Sammelrohre stimuliert. Durch diesen Mechanismus kommt es zu einer vermehrten Wasserrückresorption (antidiuretischer Effekt).
ADH - Physiologischer Regulationsmechanismus
Pathophysiologie
Beim SIADH kommt es zu einer inadäquaten und unkontrollierten ADH-Sekretion. Hieraus ergeben sich verschiedene pathophysiologische Mechanismen:
Erhöhte Wasserretention: durch die vermehrte Wasserrückresorption kommt es zur Hypervolämie
Verdünnungshyponatriämie: Entwicklung einer hypotonen Hyperhydratation durch relativen Wasserüberschuss bei normalem Gesamtkörpernatrium
Suppression des RAAS: die Hypervolämie führt im weiteren Verlauf zu einer reflektorischen Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). Gleichzeitig steigt die Sekretion des atrialen natriuretischen Peptids (ANP), was eine verstärkte Natriurese und Wasserausscheidung zur Folge hat → dies verstärkt die Hyponatriämie bei gleichzeitig euvolämem Volumenstatus
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Klinik
Die Symptome sind oft subtil und unspezifisch (häufig auch asymptomatischer Verlauf).
Milde/moderate Symptome:
Appetitlosigkeit
Übelkeit und Erbrechen
Kopfschmerzen
Vergesslichkeit
Schwere Symptome (meist bei akuter Hyponatriämie):
Ausgeprägte neurologische Symptome: Desorientierung, Somnolenz, Krampfanfall, Stupor, Koma
Respiratorische Insuffizienz
Merke
Typischerweise finden sich beim SIADH keine Ödeme, da es als Reaktion auf die Volumenretention über verschiedene Feedbackmechanismen (z.B. RAAS-Hemmung und ANP-Sekretion) zu einer kompensatorisch gesteigerten Wasserausscheidung kommt.
Tipp
Das Ausmaß der Beschwerden korreliert eher mit der Geschwindigkeit der Natriumabsenkung als mit dem absoluten Natriumspiegel.
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Diagnostik
Anamnese
Symptomatik: Übelkeit, Verwirrtheit, Kopfschmerzen etc. (siehe Abschnitt Klinik)
Medikamentenanamnese: trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva, Thiaziddiuretika, Cyclophosphamid etc.
Medizinische Vorgeschichte: maligne, pulmonale oder zentralnervöse Erkrankungen
Ereignisse: z.B. Trauma oder Infektionen
Körperliche Untersuchung
Beurteilung des Volumenstatus:
Zeichen einer Hypovolämie: trockene Schleimhäute, verminderter Hautturgor, orthostatische Dysregulation, Tachykardie
Zeichen einer Hypervolämie: periphere Ödeme, Aszites, pulmonale Stauung, Stauung der Halsvenen
Achtung
Für die korrekte Diagnosestellung und Therapie der Hyponatriämie ist die Beurteilung desVolumenstatus von entscheidender Bedeutung, jedoch erweist sich die klinische Einschätzung häufig als unpräzise.
Labor
Blutanalyse:
Bestimmung von Serum-Natrium und Plasmaosmolalität
Im weiteren Verlauf Bestimmung endokrinologischer Parameter:
Cortisol (→ Ausschluss einer Nebenniereninsuffizienz)
TSH (→ Ausschluss einer Hypothyreose)
Urinanalyse: Messung der Natriumkonzentration und Urinosmolalität
Info
Aufgrund technischer Limitationen und der geringen diagnostischen Relevanz wird die Bestimmung der ADH-Konzentration im Rahmen der SIADH-Diagnostik nicht empfohlen.
Diagnosekriterien
SIADH - Diagnosekriterien
Hypotone Hyponatriämie:
Hyponatriämie: Serum-Natrium <135 mmol/l
Plasma-Hypoosmolalität <275 mOsm/kg
Konzentrierter Urin: Urinosmolalität >100 mOsm/kg
Natrium im Urin↑: Natriumkonzentration >30 mmol/l (unter normaler NaCl-Zufuhr)
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Differentialdiagnosen
Differentialdiagnosen bei euvolämischer Hyponatriämie:
Hypothyreose
Sekundäre Nebenniereninsuffizienz
Diuretika
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Therapie
Das vorrangige Ziel besteht nach Möglichkeit immer in der Identifizierung und Behebung der auslösenden Ursache (kausale Therapie). Darüber hinaus können folgende symptomatische Maßnahmen zum Einsatz kommen:
Im Falle einer lebensbedrohlichen Wasserintoxikation: vorsichtige Verabreichung einer hypertonen NaCl-Infusion in Kombination mit Furosemid
In therapierefraktären Fällen: Vasopressin-Antagonisten (z.B. Tolvaptan)
Achtung
Nach Verabreichung eines Vasopressin-Antagonisten kann es zu einem raschen und starken Anstieg der Serumnatriumkonzentration kommen. Die Anwendung ist therapierefraktären Fällen vorbehalten und sollte immer stationär eingeleitet werden.
Achtung
Langsame Korrektur des Natriumwertes
Bei einem Serumnatriumwert von <120 mmol/l oder >160 mmol/l sowie bei einer schweren symptomatischen Veränderung des Natriumwertes sollte eine intensivmedizinische Überwachung und Behandlung erfolgen. Bei einer schweren symptomatischen Hypo- oder Hypernatriämie kann bis zum Abklingen der bedrohlichen Symptomatik auch ein schnellerer Ausgleich mit einer Veränderung von bis zu 5 mmol/l in den ersten Stunden erfolgen. Anschließend sollte ein langsamer Ausgleich angestrebt werden. Durch eine zu schnelle Steigerung des Natriums kann es zu einer zentralen pontinen Myelinolyse kommen. Durch eine zu schnelle Senkung des Natriums kann ein Hirnödem verursacht werden.
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Komplikationen
Osmotisches Demyelinisierungssyndrom (bei zu rascher Korrektur einer Hyponatriämie)
Komplikationen einer schweren Hyponatriämie
Info
Zentrale pontineMyelinolyse
Bei einer zu schnellen Korrektur einer Hyponatriämie kann eine sogenannte zentrale pontineMyelinolyse entstehen. Aufgrund einer zu schnellen Natriumzufuhr kommt es zu einem kurzfristigen starken Anstieg des Natriumspiegels. Durch den osmotischen Gradienten strömt die Flüssigkeit aus den Myelinscheiden in das Blut und es resultiert ein Untergang der Myelinscheiden.
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Quellen
Schäffler A, Lindner U: Das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) - Fallstricke bei der Diagnose und Therapie, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 140(05): 343-346, 2015, DOI: 10.1055/s-0041-100836
Perschinka F et al.: Hyponatriämie: Ätiologie, Diagnostik und Akuttherapie, Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin, 118(06): 505-517, 2023, DOI: 10.1007/s00063-023-01049-0
Bullmann C: Hyponatriämie, Arzneiverordnung in der Praxis, 43(4): 188-194, 2016, ISSN: 0939-2017
Baenkler H et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin, Georg Thieme Verlag 2021, ISBN: 9783132200005
Zuletzt aktualisiert am 01.03.2025
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