Die systemische Neugeboreneninfektion, auch als neonatale Sepsis bezeichnet, beschreibt eine während der Geburt oder postnatal erworbene systemische Infektion des Neugeborenen. Verschiedene maternale und kindliche Risikofaktoren können die Anfälligkeit für diese Erkrankung erhöhen. Die Symptome sind insbesondere zu Beginn oft unspezifisch und dezent, was die Diagnosestellung erschweren kann. Es ist entscheidend, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und eine geeignete Therapie einzuleiten, um schwerwiegende Komplikationen wie Meningitis oder einen septischen Schock zu verhindern.
Einteilung
Die systemische Neugeboreneninfektion, auch als Neugeborenensepsis oder neonatale bakterielle Infektion bezeichnet, unterliegt international keiner einheitlichen Definition. In der medizinischen Literatur haben sich jedoch spezifische Begriffe etabliert, die sich nach dem Zeitpunkt des Auftretens der ersten Symptome, dem Erreger sowie dem Infektionsort unterscheiden. Die wichtigsten Einteilungen sind nachfolgend dargestellt.
Early-Onset-Sepsis (EOS)
Die Early-Onset-Sepsis wird durch das Auftreten der ersten Symptome innerhalb der ersten 72 Lebensstunden nach Geburt definiert. Beitrfft etwa:
1 von 1000 reifen Neugeborenen
10-15 von 1000 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1500 g
Info
Sonderfall: Infektionen mit Gruppe-B-Streptokokken, die innerhalb der ersten 7 Lebenstage auftreten, werden ebenfalls als Early-Onset-Sepsis (EOS) klassifiziert
Late-Onset-Sepsis (LOS)
Die Late-Onset-Sepsis beschreibt Infektionen, bei denen die ersten Symptome nach den ersten 72 Lebensstunden nach Geburt auftreten. Hierbei wird zwischen ambulant und nosokomial erworbenen Infektionen unterschieden:
Ambulant erworbene Neugeborenensepsis: Infektionen, die im häuslichen Umfeld auftreten
Inzidenz: 0,1-0,3 von 1000 reifen Neugeborenen
Nosokomiale Neugeborenensepsis: Infektionen, die während eines Krankenhausaufenthalts erworben werden
Inzidenz: 100 von 1000 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1500 g
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Risikofaktoren
Maternale Risikofaktoren
Bestimmte mütterliche Faktoren erhöhen das Risiko einer systemischen Infektion beim Neugeborenen signifikant:
Ano-genitale Besiedlung mit Gruppe-B-Streptokokken (GBS):
Dies ist der wichtigste Risikofaktor für eine Early-Onset-Sepsis (EOS)
Weitere Risikofaktoren:
Vorangegangene Geburt eines Kindes mit GBS-Sepsis
Vorzeitiger Blasensprung
Vorzeitige Wehen
Triple I (intrauterine Inflammation, Infektion oder beides)
CRP-Wert >20 mg/l
Merke
Eine maternale ano-genitale Besiedlung mit GBS ist der wichtigste Risikofaktor für eine Early-Onset-Sepsis
Kindliche Risikofaktoren
Neugeborene mit spezifischen Merkmalen oder medizinischen Voraussetzungen tragen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine Infektion:
Frühgeburtlichkeit und niedriges Geburtsgewicht
Angeborene oder perinatale HIV-Exposition/-Infektion
Intensivmedizinische Maßnahmen:
Eingebrachte Fremdkörper wie zentrale Katheter, Beatmungstuben oder venöse/arterielle Zugänge
Lange parenterale Ernährung
Invasive Beatmung
Operationen und chirurgische Eingriffe
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Erregerspektrum und Übertragungsweg
Early-Onset-Sepsis (EOS)
Die EOS entsteht durch eine vertikale Übertragung von der gebärenden Person auf das Neugeborene. Dies kann pränatal, aszendierend oder während der Geburt (subpartal) geschehen, indem pathogene Keime vom Genitaltrakt der Mutter auf das Kind übergehen und eine Infektion auslösen.
Frühgeborene (<1500 g Geburtsgewicht): Frühgeborene sind besonders anfällig für eine EOS, die durch folgende Erreger verursacht werden kann:
Escherichia coli (E. coli)
Gruppe-B-Streptokokken (GBS)
Haemophilus influenzae
Koagulase-negative Staphylokokken
Listerien
Candida
Enterobakterien
Anaerobier
Reifgeborene:
Häufigster Erreger: Gruppe-B-Streptokokken (GBS)
Einfluss präpartaler maternaler antibiotischer Therapie (>2 Tage): Bei einer längerfristigen antibiotischen Therapie vor der Geburt ändert sich das Erregerspektrum und umfasst:
Enterobacter spp.
Klebsiella spp.
Pseudomonas spp.
Ampicillin-resistente E. coli
Late-Onset-Sepsis (LOS)
Die LOS resultiert aus vertikalenInfektionen während der Geburt oder postnatal horizontalenÜbertragungen (z.B.Krankenhauspersonal, andere Kontaktpersonen), abhängig vom Erwerbsort der Infektion.
Ambulant erworbene Neugeborenensepsis: Übertragung subpartal oder postnatal durch direkte Kontaktpersonen. Häufige Erreger sind:
Gruppe-B-Streptokokken (GBS)
Escherichia coli
Nosokomial erworbene Neugeborenensepsis: Übertragung durch patienteneigene Flora, Kontaktpersonen oder kontaminierte Krankenhausumgebungen. Charakteristische Erreger sind:
Koagulase-negative Staphylokokken
Staphylococcus aureus
Enterobakterien
Pilzinfektionen (selten, z. B. Candida)
Virale Erkrankungen (sehr selten, z. B. Herpes-simplex-Virus, Enteroviren)
Escherichia coli ist ein gramnegatives, fakultativ anaerobes Bakterium, das natürlicherweise im Darmtrakt von Menschen und Tieren vorkommt. Während die meisten Stämme harmlos sind, können pathogene Varianten schwere Infektionen verursachen. Bei Neugeborenen ist E. coli einer der häufigsten Erreger sowohl der Early-Onset- als auch der Late-Onset-Sepsis, insbesondere bei Frühgeborenen und immungeschwächten Kindern.
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Klinik
Merke
Klinische Symptome einer Neugeborenen Infektion sind unspezifisch - gerade bei Frühgeborenen können die Symptome besonders dezent ausfallen. Um die oftmals diskreten Zeichen nicht zu übersehen, gilt es Neugeborenen und Säuglinge klinisch genau zu beobachten. Bis zum Beweis des Gegenteils sollte bei Verschlechterung des kindlichen Zustands der Verdacht auf eine neonatale Sepsis bestehen bleiben und dementsprechend therapiert werden.
Leitsymptome der Neugeborenensepsis
Störungen der Atmung:
Die Atemregulation kann bei einer Sepsis frühzeitig beeinträchtigt sein:
Tachypnoe (beschleunigte Atmung)
Apnoen (Atempausen), häufig mit Sauerstoffentsättigungen (Desaturationen)
Bradykardie
Dyspnoe (Atemnot), begleitet von interkostalen Einziehungen
Dyspnoe mit interkostalen Einziehungen bei einem Neugeborenen
Störungen des Kreislaufs:
Eine beeinträchtigte Durchblutung und Kreislaufregulation kann sich durch folgende Zeichen äußern:
Zentralisation der Durchblutung mit verlängerter Rekapillarisierungszeit (>2 Sekunden)
Arterielle Hypotonie
Tachykardie
Veränderungen des Hautkolorits:
Die Hautfarbe kann wichtige Hinweise liefern:
Wechsel von rosig zu blass-grau
Ikterische Hautveränderungen: von rosig-ikterisch zu grün-ikterisch
Neurologische Symptome:
Eine Sepsis kann auch das zentrale Nervensystem betreffen, was sich durch folgende Symptome zeigt:
Hypotonie
Lethargie (reduziertes Bewusstsein, Apathie)
Epileptische Anfälle
Intestinale Symptome:
Auch der Verdauungstrakt kann betroffen sein:
Geblähtes Abdomen
Trinkschwäche
Nahrungsunverträglichkeit
Störungen der Temperaturregulation:
Eine instabile Temperatur ist ein häufiges Zeichen:
Hypothermie (<36,5 °C) oder Hyperthermie (>38 °C)
Temperaturinstabilität ohne klare Ursache
Zunahme der zentral-peripheren Temperaturdifferenz auf >2 °C
Merke
Fieber bei Neugeborenen
Aufgrund der unreifen Temperaturregulation fehlt Fieber häufig bei Neugeborenen mit Sepsis. Bei Säuglingen unter 3 Monaten sollte jedoch Fieber stets als potenzielles Warnzeichen für eine Sepsis betrachtet und entsprechend abgeklärt werden.
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Komplikationen
Septischer Schock:
Die Neugeborenensepsis kann rasch zum septischen Schock progredieren, gekennzeichnet durch:
Kreislaufversagen mit Hypotonie
Multiorganversagen, insbesondere der Nieren, Leber und Lunge
Achtung
Der septische Schock ist ein medizinischer Notfall und erfordert eine sofortige intensivmedizinische Intervention.
Meningitis:
Gerade bei protrahierten oder spät erkannten Verläufen kann es zur Entwicklung einer bakteriellen Meningitis kommen. Diese kann folgende langfristige Komplikationen verursachen:
Neurologische Schäden (z. B. Entwicklungsstörungen, Hydrozephalus)
Hörverlust
Krampfanfälle
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Diagnostik
1. Klinisches Bild:
Die klinischen Symptome der Neugeborenensepsis sind häufig diskret und können leicht übersehen werden. Mögliche Hinweise sind:
Apathie, Trinkschwäche
Temperaturinstabilität (Hypo- oder Hyperthermie)
Atemstörungen, Tachykardie oder Bradykardie
Hautveränderungen wie Blässe oder Marmorierung
Achtung
Unspezifische Symptome erfordern stets eine frühzeitige weitere Diagnostik!
2. Labordiagnostik:
Die laborchemische Diagnostik umfasst Parameter zur Infektionsdiagnose und Verlaufskontrolle.
Frühmarker:
Interleukin-6 (IL-6) oder Interleukin-8 (IL-8):
Früheste Parameter bei bakteriellen Infektionen mit hoher Sensitivität
Steigen bereits innerhalb weniger Stunden an, fallen aber nach 24 Stunden schnell wieder ab
Limitierung: Weniger geeignet als Verlaufsparameter
Entzündungsmarker:
C-reaktives Protein (CRP):
Anstieg erst nach 12–24 Stunden
Ein negativer CRP-Wert in der ersten Untersuchung schließt eine Infektion nicht aus
Ein erhöhter CRP-Wert hat hingegen einen hohen positiven prädiktiven Wert
Gut geeignet als Verlaufsparameter zur Überwachung des Therapieerfolges
3. Differenzialblutbild:
Das Blutbild liefert wertvolle Hinweise, sollte jedoch kritisch interpretiert werden.
Leukozytenzahl:
Leukozytopenie (<5000/µl): Hinweis auf schwerwiegende Infektionen
Leukozytose (>30.000/µl): Häufig bei bakteriellen Infektionen
Achtung
Erythrozytenvorstufen können die Leukozytenzählung verfälschen.
I/T-Quotient (unreife zu gesamte neutrophile Granulozyten):
Wert >0,2 gilt als unspezifischer Sepsisparameter
Thrombozytenzahl:
Thrombozytopenie kann auf peripheren Verbrauch hinweisen und ist ein unspezifisches Zeichen für Sepsis
4. Direkter Erregernachweis
Der mikrobiologische Nachweis ist essenziell für die Diagnosesicherung.
Blutkulturen:
Eine aerobe Blutkultur mit mindestens 1 ml Blut
Bei Verdacht auf anaerobe Infektionen: zusätzliche anaerobe Blutkultur (ebenfalls 1 ml Blut)
Merke
Die Blutentnahme sollte vor Beginn der Antibiotikatherapie erfolgen.
5. Diagnostik bei Organbeteiligung
Organmanifestationen erfordern spezifische Diagnostikmethoden, die nur bei klinischem Verdacht durchgeführt werden.
Lumbalpunktion: Bei Verdacht auf Meningitis
Urindiagnostik: Bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion (mittels Katheter Urin)
Röntgen-Thorax: Bei Verdacht auf Pneumonie
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Differentialdiagnosen
Betroffene Neugeborene fallen initial häufig durch respiratorische Symptome auf.
Führende Symptomatik
Differenzialdiagnosen
Respiratorische Symptome
Atemnotsyndrom (ANS)
Neugeborenenpneumonie
Mekonium-Aspirations-Syndrom
Virusinfektionen der Atemwege (z. B. RSV, Influenza, SARS-CoV-2)
Neurologische Symptome
Neugeborenenmeningitis
Neugeborenenanfälle
Kardiovaskuläre Symptome
Zyanotische Herzfehler
Unspezifische Allgemeinsymptome
- Pyelonephritis im Kindesalter
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Therapie
Die Therapie der Neugeborenensepsis sollte frühzeitig und zielgerichtet erfolgen. Sie besteht aus einer kalkulierten antibiotischen Behandlung sowie einer symptomatischen Therapie zur Stabilisierung vitaler Funktionen.
Kalkulierte antibiotische Therapie
Achtung
Bei jedem klinischen Verdacht auf eine Neugeborenensepsis ist unverzüglich eine kalkulierte antibiotische Therapie einzuleiten, um das Risiko für Komplikationen oder Mortalität zu minimieren.
Early-Onset-Sepsis (EOS):
Kombinationstherapie aus
Aminopenicillin (z. B. Ampicillin und Aminoglykosid (z. B. Gentamicin )
Ziel: Abdeckung von typischen Erregern wie Streptococcus agalactiae, E. coli und Listerien
Late-Onset-Sepsis (LOS):
Ambulant erworben:
Kombination aus AminopenicillinundAminoglykosid, ggf. ergänzt durch ein Cephalosporin der 3. Generation (z. B. Cefotaxim) bei Verdacht auf schwerere Infektionen
Nosokomial erworben:
Kombination aus Aminopenicillin/β-Lactamase-Inhibitor (z. B. Ampicillin/Sulbactam) undAminoglykosid zur Abdeckung multiresistenter Keime
Merke
Eine Anpassung der Therapie anhand von Antibiogrammen ist nach Vorliegen der mikrobiologischen Ergebnisse essenziell.
Symptomatische Therapie
Neben der antibiotischen Behandlung ist die symptomatische Therapie entscheidend für die Stabilisierung und Unterstützung lebenswichtiger Organfunktionen.
Schmerztherapie:
Bei Anzeichen von Schmerzen: Adäquate Sedierung und Schmerzbehandlung (z. B. Paracetamol oder Opioide)
Respiratorische Unterstützung:
Bei respiratorischer Insuffizienz: Sauerstoffgabe oder Beatmungstherapie, angepasst an die Schwere der Atemstörung
Kreislaufunterstützung:
Volumentherapie:
Initiale Gabe von kristalloider Lösung (z. B. NaCl 0,9 %) bei Anzeichen von Hypovolämie
Katecholamintherapie:
Eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF): Gabe von Dobutamin zur Verbesserung der kardialen Pumpleistung
Adäquate LVEF: Einsatz von Noradrenalin bei persistierender Hypotonie trotz Volumengabe
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