Die Thromboseprophylaxe in der Pflege ist ein wesentlicher Bestandteil, um die Bildung von Blutgerinnseln, insbesondere in den tiefen Beinvenen, zu verhindern. Ein Gerinnsel (Thrombus) kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen, wie einer Lungenarterienembolie führen, wenn es sich löst und in die Lunge geschwemmt wird. Zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung einer Thrombose gehören längere Immobilität, postoperative Zustände, bestimmte Medikamente, Flüssigkeitsmangel sowie frühere Thrombosen oder eine familiäre Vorbelastung.
Um das Thromboserisiko zu minimieren, sind verschiedene Maßnahmen in der Pflege etabliert. Dazu gehören regelmäßige Bewegung, das Tragen von Kompressionsstrümpfen oder die Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten. Auch die Förderung einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme und eine angemessene Positionierung der Patient:innen zur Unterstützung des venösen Rückstroms sind zentrale Aspekte.
Risikofaktoren für eine Thrombose
Thrombose, die Bildung eines Blutgerinnsels in den Blutgefäßen, kann durch eine Vielzahl von Risikofaktoren begünstigt werden. Die Virchow-Trias, benannt nach dem deutschen Pathologen Rudolf Virchow, beschreibt die drei Hauptkategorien dieser Risikofaktoren, die zur Entstehung von Thrombosen beitragen können.
Hauptkategorie
Erklärung
Verlangsamter Blutfluss (Stase)
Ein verlangsamter Blutfluss kann die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen. Risikofaktoren hierfür umfassen längere Immobilität, wie sie bei bettlägerigen Patient:innen oder nach Operationen vorkommen kann, sowie lange Flug- oder Autoreisen, Kompression oder Varikosis (Krampfadern).
Gerinnungsneigung (Hyperkoagulabilität)
Einige Menschen haben ein erhöhtes Risiko für eine gesteigerte Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Dies kann genetisch bedingt sein (Thrombophilie) oder durch Faktoren wie Hormontherapien, Schwangerschaft, Exsikkose oder bestimmte Krankheiten wie Tumorerkrankungen verursacht werden.
Gefäßwandverletzungen
Verletzungen der Gefäßwand, z. B. durch chirurgische Eingriffe, Entzündungen, Hypertonie oder Rauchen, können im Rahmen des Heilungsprozesses die Bildung von Blutgerinnseln anstoßen.
Traumata oder akute Erkrankungen, die zu einer Beeinträchtigung der Mobilität führen
Immobilisation
nach bzw. unter der Geburt: Lungenversagen (ARDS), Asphyxie
frühere Thrombosen oder Lungenembolien
höheres Lebensalter
Adipositas
Rauchen
Hypertonie
Schwangerschaft
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Einschätzung des Thromboserisikos
Zur strukturierten Einschätzung des Thromboserisikos wird insbesondere bei der tiefen Beinvenenthrombose der Wells-Score eingesetzt. Dieser ermöglicht anhand definierter Kriterien eine Punktebewertung, die das Thromboserisiko quantifiziert und damit hilft, die Notwendigkeit weiterer diagnostischer oder präventiver Maßnahmen zu bestimmen.
Wells-Score für TVT
Kriterium
Punkte
Klinische Zeichen und Symptome
Anschwellen des gesamten Beins
+1
Seitendifferenz der Wadenumfangsmessung über 3 cm
+1
Eindrückbares Ödem im symptomatischen Bein
+1
Umfangreiche Kollateralvenen (nicht varikös)
+1
Schmerzen entlang der tiefen Venen
+1
Anamnestische Hinweise
Frühere dokumentierte TVT
+1
Aktive Krebserkrankung
+1
Risikofaktoren
Lähmung oder Immobilisierung der unteren Extremitäten
+1
Kürzliche Bettlägerigkeit > 3 Tage, oder große Operation innerhalb 12 Wochen
+1
Differentialdiagnose
Alternative Diagnose genauso oder wahrscheinlicher als eine TVT
-2
Interpretation des Wells-Score:
0 bis 1: niedriges TVT-Risiko
≥2: hohes TVT-Risiko
Klinische Zeichen der Beinvenenthrombose
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Präventive Maßnahmen
In der professionellen Pflege werden verschiedene Maßnahmen eingesetzt, um das Thromboserisiko zu minimieren. Diese können in allgemeine Maßnahmen, mechanische Maßnahmen und medikamentöse Thromboseprophylaxe unterteilt werden.
Allgemeine Maßnahmen
Frühmobilisation:
Aktivierung der Patient:innen so früh wie möglich nach einer Operation, um die Blutzirkulation zu fördern
Aktive Bewegungsübungen:
Selbstständige Durchführung von Bein- und Fußübungen zur Aktivierung der Muskelpumpe (3-6 mal täglich).
Waden und Oberschenkelmuskulatur anspannen
Kreisen mit den Füßen
„Radfahren“ im Liegen
Zehen zur Nase ziehen, wegstrecken und spreizen
Auf den Füßen wippen
Greifübungen mit Zehen und Fingern
Schulterkreisen
Passive Bewegungsübungen:
im Rahmen der Grundpflege oder durch Physiotherapie (nach ärztlicher Verordnung) bei bewusstlosen oder stark eingeschränkten Patient:innen, die zu selbständigen Bewegungsübungen nicht in der Lage sind
Gelenke durchbewegen, z.B. mehrmals die Beine aufstellen oder die Arme seitlich oder über den Kopf bewegen
Flüssigkeitszufuhr:
Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr zur Aufrechterhaltung einer normalen Blutviskosität
Aufklärung und Beratung:
Informieren der Patient:innen und Angehörigen über die Bedeutung und Durchführung von thromboseprophylaktischen Maßnahmen
Vermeiden von enger und einschnürender Kleidung: zur Vermeidung einer Blutstase
Achtung
Das aktive Ausstreichen der Beine sollte vermieden werden. Zum einen ist kein präventiver Nutzen nachgewiesen, zum anderen können sich Beinthrombosen lösen und zu einer lebensbedrohlichen Lungenarterienembolie führen.
Mechanische Maßnahmen
Bei den mechanischen oder physikalischen Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe unterscheidet man zwischen Kompressionsstrümpfen und Kompressionsverbänden.
Kompressionsstrümpfe:
Im Rahmen der Thromboseprophylaxe können insbesondere medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) sowie Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS) zum Einsatz kommen, diese sollten nicht mit frei-verkäuflichen Stützstrümpfen verwechselt werden.
Eigenschaft
Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS)
Medizinische Thrombose-prophylaxestrümpfe (MTPS)
Stützstrümpfe
Verwendungs-zweck
Unterstützung des venösen Rücktransports bei vorhandener Mobilität
Primär zur Verhinderung von Thrombosen im Liegen und bei Inaktivität
Für venengesundeMenschen, um müden und schweren Beinen nach langem Sitzen vorzubeugen.
Wirkweise
Zunehmender Druck von proximal (Oberschenkel) nach distal (Fußbereich), unterstützt die Arbeit der Muskelpumpe
Geringerer Druck als bei medizinischen Kompressions-strümpfen
Keine medizinisch definierte Kompression
Messung
Individuelle Größenanpassung notwendig, Seriengrößen und Maßanfertigung möglich, in 4 Kompressionsklassen erhältlich
Mehrmaliges Ausmessen beider Beine nötig, um optimale Größe und Passform zu ermitteln (Seriengrößen)
Kauf nach Schuh- oder Konfektionsgröße
Tipp
Tipps für die Verwendung von Kompressionsstrümpfen
Morgens anziehen: Strümpfe direkt nach dem Aufstehen oder längerem Liegen (mindestens 30 min) anziehen, da die Beine dann in der Regel weniger geschwollen sind
Passform beachten: Auf Veränderungen der Beindicke achten und Strümpfe ggf. neu anpassen
Kontraindikationen (s.u.) für die Verwendung von Kompressionsstrümpfen beachten
Sitz überprüfen: Überprüfen, ob die Strümpfe faltenfrei sitzen und die Zehen nicht abgeschnürt werden
Hygiene: Die Strümpfe sollten regelmäßig entsprechend der Waschanleitung gewaschen werden
Hilfsmittel verwenden: Anziehhilfen benutzen und Patient:innen in die Benutzung einweisen
Haut schützen: Beine eincremen und Creme vor dem Anziehen der Strümpfe gut einziehen lassen
Patienteneigene Kompressionsstrümpfe verwenden: Wenn eigene gut passenden medizinische Kompressionsstrümpfe vorhanden sind, können diese tagsüber anstelle der Thromboseprophylaxestrümpfe getragen werden, abends kann auf Thromboseprophylaxestrümpfe gewechselt werden und die Kompressionsstrümpfe können derweil gewaschen werden.
Elektronische Manschetten, die den Druck (bis zu 45 mmHg Anpressdruck) zyklisch variieren, um den Blutfluss zu stimulieren, besonders bei bettlägerigen Patient:innen oder Kontraindikationen für eine medikamentöse Thromboseprophylaxe
Kontraindikationen: dekompensierte Herzinsuffizienz, Traumen, ausgedehnte Entzündungsreaktionen, ein nicht einstellbarer Hypertonus
Kompressionsverbände:
Verbandtypen:
Wechselverbände: Werden täglich neu angelegt und nachts abgenommen
Dauerverbände: Bleiben bis zu sieben Tage am Stück, Tag und Nacht, am Bein und unterstützen kontinuierlich den Blutrückfluss
Bindenarten:
Kurzzugbinden (am häufigsten verwendet): Bieten bei Bewegung hohen Arbeitsdruck, besitzen allerdings einen niedrigen Ruhedruck, ideal für aktive Patienten, verlieren innerhalb von 2 Stunden nach Anlage ca. 25% ihres Anpressdrucks
Langzugbinden: Liefern haben einen höheren Ruhedruck, auch nach längerer Zeit, bei immobilen Patient:innen verwenden
Mehrkomponentensysteme: Kombinieren Polster-, Kompressions- und Fixierbinden zu einem einfach anwendbaren Verbund
Anleitung zur Selbstanlage: Bei Patient:innen, die in der Lage sind, sich die Schuhe selbst an- und auszuziehen, kann eine Anleitung zur Selbstanlage von Kompressionsverbänden sinnvoll sein. Diese Anleitung hilft, die Selbständigkeit zu fördern und die korrekte Anwendung der Verbände zu gewährleisten.
Achtung
Kontraindikationen für Kompressionsverbände und Kompressionsstrümpfe
Schwere periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Bei der pAVK ist der Blutfluss in den Beinen stark eingeschränkt, wodurch der Einsatz von Kompressionsstrümpfen den Zustand verschlechtern kann
Dekompensierte Herzinsuffizienz: Wenn das Herz nicht in der Lage ist, eine ausreichende Blutzirkulation aufrechtzuerhalten, können Kompressionsstrümpfe die Belastung auf das Herz weiter erhöhen und somit die Situation verschlimmern
Fortgeschrittene periphere Neuropathie: Personen mit schweren Nervenschäden, insbesondere bei Diabetes mellitus, können durch Kompressionsstrümpfe zusätzliche Hautschäden erleiden, da sie möglicherweise Druckstellen nicht spüren
Hautinfektionen und offene Wunden: Kompressionsstrümpfe können die Wundheilung beeinträchtigen
Medikamentöse Thromboseprophylaxe
Antikoagulantien (p.o. oder s.c.):
Verabreichung gemäß ärztlicher Verordnung, um das Risiko der Thromboseentstehung zu verringern
Dosisanpassung und Überwachung:
Kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Medikamentendosierung, um Blutungskomplikationen vorzubeugen
Alles rund um die medikamentöse Thromboseprophylaxe ist in unserem Artikel zur medikamentösen Thromboseprophylaxe
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Quellen
Al-Abtah et al: I care Pflege. Georg Thieme Verlag 2020, ISBN: 978-3-132-41828-8
Al Abtah et al.: I care Krankheitslehre. Georg Thieme Verlag KG 2020, ISBN: 978-3-132-41824-0
Zuletzt aktualisiert am 26.06.2025
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