Zusammenfassung
Die Todesfeststellung und die anschließende ärztliche Leichenschau stellen zentrale medizinisch-rechtliche Aufgaben dar. Sie bilden die Grundlage für sämtliche weiteren Maßnahmen im Umgang mit Verstorbenen, einschließlich der Organisation von Bestattungen, der Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen und der Einhaltung gesundheitlicher Meldepflichten. Für eine korrekte Durchführung sind medizinische und rechtliche Anforderungen genau zu beachten. Dieser Artikel bietet einen kompakten Überblick zu den wichtigsten Grundlagen, relevanten Fallgruppen und erforderlichen Abläufen.

Пятна трупные.jpg von goga312 at Russian Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Fallbeispiel
Um den Einstieg in das Thema „Tod und Sterben“ etwas zu erleichtern, wird im Folgenden ein Fall beschrieben, wie er sich präklinisch ereignen könnte.
Beschreibung des Szenario:
- Einsatzmeldung: Unangenehmer Geruch aus Wohnung
- Ort: Mehrfamilienhaus
- Alarmzeit: 06:42 Uhr
- Anrufer:in: Nachbarin
- Anzahl der Betroffenen: 1
- Zusatzinfos:
- Nachbarin hat die alleinlebende 84-jährige Frau seit zwei Tagen nicht mehr gesehen und bemerkt einen unangenehmen Geruch aus der Wohnung
- Auf Klingeln und Klopfen reagiert niemand
Lage beim Eintreffen:
Beim Eintreffen an der Einsatzstelle ist die Wohnungstür durch die Feuerwehr bereits gewaltsam geöffnet worden. Die Patientin liegt bäuchlings im Wohnzimmer auf dem Boden. Sie zeigt keine Lebenszeichen. Die Umgebung ist kühl, ein Fenster steht offen. Es gibt keine sichtbaren Hinweise auf Fremdeinwirkung.
Bei der Erstuntersuchung stellen die Rettungskräfte folgende Befunde fest:
- Keine Atmung, kein Puls
- Pupillen weit und lichtstarr
- Haut blass-grau, kühl
- Ausgeprägte, nicht wegdrückbare Totenflecken auf der Vorderseite des Körpers
- Beginnende Totenstarre in Kiefer- und Extremitätenmuskulatur
Es liegen mehrere Medikamente auf einem Tisch, darunter ein Antihypertensivum und ein Antidiabetikum. In der Küche finden sich Hinweise auf chronische Erkrankungen (Insulinpen, Blutzuckermessgerät). Ein Hausarztbrief mit Diagnosen wie KHK
Maßnahmen des Rettungsdienstes:
Da sichere Todeszeichen vorliegen, wird keine Reanimation

Dieses Bild wurde mit der KI-Software DALLE (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Grundlagen der Leichenschau
Die Leichenschau dient in erster Linie dazu, den Tod eines Menschen eindeutig festzustellen und Informationen über die Todesursache sowie die näheren Umstände des Todes zu gewinnen. In Deutschland ist dies Aufgabe der sogenannten ärztlichen Leichenschau, die ausschließlich von einer approbierten Ärztin oder einem approbierten Arzt – also jemandem mit staatlicher Zulassung – durchgeführt werden darf. Sie endet mit der Ausstellung des Totenscheins (Todesbescheinigung).
Die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin hat den Umfang und die Aufgaben der Leichenschau definiert. Dazu gehören:
- Die sichere Feststellung des Todes
- Die Identifikation der verstorbenen Person
- Die Bestimmung der Todeszeit und der Todesursache
- Die Einordnung der Todesart (natürlich, nicht natürlich oder unklar)
- Die Erkennung möglicher ansteckender Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz
- Die Erhebung von Daten für die Statistik der Todesursachen
Die ärztliche Leichenschau findet unmittelbar nach Bekanntwerden des Ablebens einer Person statt. Der behandelnde Arzt wird angewiesen, die Behandlung nicht zu verzögern. Sie sollte innerhalb von 6 Stunden nach dem festgestellten Tod erfolgen.
MerkeWeiteres Vorgehen nach der Leichenschau
Die Leichenschau ist ein Vorgang mit hoher ärztlicher Verantwortung. Sie muss besonders sorgfältig durchgeführt werden, da sie maßgeblich bestimmt, wie anschließend mit dem Leichnam verfahren wird:
- Wird ein natürlicher Tod festgestellt, kann die Bestattung ohne weitere Untersuchungen erfolgen
- Besteht der Verdacht auf einen nicht natürlichen oder unklaren Tod oder ist die Person nicht identifizierbar, muss die Polizei benachrichtigt werden → Die Ärztin oder der Arzt ist dann verpflichtet, der Polizei alle Befunde vollständig mitzuteilen
- Wird eine meldepflichtige, übertragbare Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes festgestellt, muss das zuständige Gesundheitsamt informiert werden
- Besteht der Verdacht, dass eine Berufskrankheit zum Tod geführt hat, ist die zuständige Berufsgenossenschaft zu benachrichtigen
Sichere und unsichere Todeszeichen
Der Tod geht einher mit sicheren und unsicheren Todeszeichen. Die Unterscheidung ist entscheidend, da bei Vorliegen nur unsicherer Todeszeichen eine Reanimation
Unsichere Todeszeichen dürfen nicht genutzt werden, um den Tod festzustellen, denn die Patient:innen sind ggf. noch reanimierbar.
Zu den unsicheren Todeszeichen zählen:
- Pulslosigkeit
- Fehlende Spontanatmung
- Keine Herztöne auskultierbar
- Blässe
- Lichtstarre Pupillen
- Verminderte Körpertemperatur
- Bewusstlosigkeit
- Areflexie: Keine Reflexantworten auf entsprechende Reize
DefinitionVita minima/reducta
Vita minima/reducta beschreibt die Zeit zwischen dem Beginn der Leblosigkeit und dem Eintreten sicherer Todeszeichen. Dieser Zustand kann auch als Scheintod bezeichnet werden. Patient:innen sind ggf. noch reanimierbar. Der Begriff "Scheintod" wurde historisch vor allem im 18. und 19. Jahrhundert gefürchtet, als es noch keine verlässlichen medizinischen Verfahren zur Todesfeststellung gab. Heute ist die Vita minima ein klinisch relevanter Begriff, der verdeutlicht, dass trotz äußerlicher Regungslosigkeit noch Lebensfunktionen vorhanden sein können, weshalb eine Reanimation
unbedingt geprüft werden muss. Es gibt eine einfache Regel anhand derer man sich die Ursachen für diesen Zustand merken kann: AEIOU-Regel.
- A: Alkohol, Anoxämie (Sauerstoffmangel im Blut)
- E: Elektrizität, Epilepsie
- I: Injury, z.B. Schädel-Hirn-Trauma
- O: Opium (alle BTMs und ZNS-wirksamen Medikamente und Intoxikationen
) - U: Urämie (jegliche metabolische Störung)
Was die sicheren Todeszeichen sind und wie man sie erkennt, zeigt nachfolgende Tabelle.
Todeszeichen | Beschreibung | Zeitpunkt des Auftretens |
---|---|---|
Frühe Anzeichen | ||
Totenflecke (Livores, Leichenflecke) |
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Leichenstarre (Rigor |
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Nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen |
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Leichenhautgerinnsel (Cruor sanguinis) |
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Speckhautgerinnsel (Cruor phlogisticus) |
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Späte Anzeichen | ||
Autolyse |
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Fäulnis |
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Verwesung |
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Fraßspuren |
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Mumifizierung |
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Fettwachsbildung (Adipocire) |
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DefinitionSichere Todeszeichen:
Sobald ein Todeszeichen erkannt wird, kann der Tod festgestellt werden. Zu den relevanten sicheren Todeszeichen zählen:
- Leichenflecken (Livores)
- Leichenstarre (Rigor
mortis) - Fäulnis
- Verletzungen, die mit dem Tod nicht vereinbar sind
MerkeTodesfeststellung ohne sichere Todeszeichen
Nach erfolgloser CPR
: Es gibt Situationen, in denen keine sicheren Todeszeichen vorliegen, wie eine erfolglose CPR . Hier kann der Tod nur festgestellt werden, wenn:
- Sich nach ca. 20 Minuten CPR
weder eine Spontanatmung noch eine spontane Herztätigkeit zeigen - Es über einen längeren Zeitraum nach Beendigung der CPR
ein Nulllinien-EKG zu verzeichnen gibt - Besondere Umstände: Liegen bei Patient:innen eine Hypothermie, Ertrinken oder Intoxikationen
vor, können längere CPR -Maßnahmen vonnöten sein. Dementsprechend verschiebt sich auch der Zeitpunkt der Todesfeststellung Nach Hirntoddiagnostik: Des Weiteren kann der Tod ohne sichere Todeszeichen diagnostiziert werden, wenn es nach Abschluss der Hirntoddiagnostik geschieht. Denn in diesem Fall bleibt der Kreislauf erhalten, um z.B. eine Organspende durchführen zu können.
AchtungHaben Patient:innen eine Patientenverfügung und lehnen lebensverlängernde Maßnahmen ab, darf der Tod erst bescheinigt werden, wenn sichere Todeszeichen vorliegen.
Feststellen der Todeszeit
Die Bestimmung des Todeszeitpunkts ist häufig nur näherungsweise möglich. Wurde der Tod beobachtet, etwa im Rahmen eines dokumentierten Herz-Kreislauf-Stillstands oder eines erfolglosen Reanimationsversuchs, kann der Zeitpunkt genau angegeben werden. Andernfalls erfolgt die Abschätzung anhand verschiedener Kriterien.
Fallkonstellationen zur Todeszeitpunktbestimmung:
Wenn eine verstorbene Person aufgefunden wird und der Todeszeitpunkt nicht direkt beobachtet wurde, erfolgt eine Annäherung an den Todeszeitpunkt anhand folgender Fallgruppen:
- Unbeobachteter Tod mit sicheren Todeszeichen:
Bei aufgefundenen Leichnamen erfolgt die zeitliche Eingrenzung über das erstmalige Feststellen sicherer Todeszeichen (z. B. Totenflecken, Totenstarre, Fäulnis). Ergänzend können Zeug:innenangaben zum letzten Kontakt oder auffällige Geräusche, Stürze etc. zur Eingrenzung herangezogen werden. - Beobachteter Tod durch Dritte:
Der Todeszeitpunkt wird auf Basis glaubhafter Zeug:innenaussagen zum beobachteten Kreislaufstillstand oder Todesereignis dokumentiert. Dabei sind genaue Uhrzeit und Umstände festzuhalten. - Simultanes Versterben mehrerer Personen (z. B. Ehepartner):
In diesen Fällen ist besondere Sorgfalt bei der Dokumentation geboten, da dies zivilrechtlich (insb. erbrechtlich, §11 BGB) relevant ist. Der genaue Zeitpunkt des Todes jeder Person muss, soweit möglich, differenziert angegeben werden. - Tod unter Aufsicht (z. B. in Klinik, Pflegeeinrichtung, durch Angehörige beobachtet):
Der Todeszeitpunkt wird mit dem beobachteten Kreislaufstillstand angegeben. Bei ärztlich beaufsichtigtem Tod sollte zusätzlich der Zeitpunkt der Todesfeststellung durch die Ärzt:in dokumentiert werden.
Medizinische Anhaltspunkte zur Eingrenzung:
- Sichere Todeszeichen: Diese treten zeitlich gestaffelt auf und geben grobe Hinweise auf die Zeit seit dem Tod
- Supravitale Reaktionen: Supravitale Reaktionen beruhen auf restlicher Zellaktivität nach Eintritt des klinischen Todes. Sie entstehen während des intermediären Lebens – also in der Phase zwischen Individualtod und endgültigem biologischem Tod
Reaktion | Zeitfenster post mortem | Beschreibung |
---|---|---|
Zsako-Phänomen | bis ca. 2 Stunden | Kräftiger Schlag auf einen Muskel (z. B. M. biceps brachii, Musculi interossei, Oberschenkelvorderseite) führt zu einer Muskelkontraktion. Meist mit Reflexhammer auslösbar, teils nur tastbar |
Ausgeprägter idiomuskulärer Wulst | 3–5 Stunden | Sicht- und tastbare Muskelverhärtung nach lokalem Reiz (z. B. Schlag) |
Leichter idiomuskulärer Wulst | Bis ca. 8 Stunden (persistierend bis 24 h) | Lokale Muskelreaktion nimmt ab, Reaktion schwächer |
Pupillenreaktion | Bis ca. 17 Stunden | Gabe von Mydriatika oder Miotika → noch Miosis/Mydriasis möglich |
Bewegliche Spermien | Bis ca. 80 Stunden | Spermienmotilität in Samenflüssigkeit/Genitaltrakt nachweisbar |
Durchführung der Leichenschau
Die ärztliche Leichenschau ist eine gesetzlich verpflichtende Maßnahme zur Feststellung des Todes und zur Beurteilung der Todesart. Sie dient nicht der abschließenden Klärung der Todesursache, sondern ermöglicht die erste medizinische und ggf. forensische Einschätzung der Umstände.
Allgemeines
- Ziel: Feststellung des Todes, Erhebung sicherer Todeszeichen, Einschätzung der Todesart (natürlich, nicht natürlich, ungeklärt)
- Rechtliche Grundlage: Pflicht gemäß den Bestattungsgesetzen der Länder, Strafgesetzbuch (§ 168 StGB)
- Bedeutung: Grundlage für Ausstellung des Totenscheins, ggf. Auslöser für kriminalpolizeiliche Maßnahmen
Vorgehen bei der Leichenschau
Grundprinzipien:
- Sorgfältiges, unvoreingenommenes und systematisches Vorgehen
- Vollständige Entkleidung des Leichnams
- Angemessene Lichtverhältnisse schaffen
- Dokumentation aller Befunde
Durchführung am Fundort:
- Grundsätzlich vor Ort (Wohnung, Pflegeeinrichtung etc.)
- Ausnahmen: Öffentlicher Raum oder unzumutbare Bedingungen (z. B. Gefahr für Dritte, schlechte Beleuchtung, beengte Räume)
Systematische körperliche Untersuchung:
- Beispielhafte strukturierte Reihenfolge:
- Kopf: Verletzungen, Totenflecken
- Hals: Strangulationszeichen, Hämatome
- Thorax
/Bauch: Hämatome , Hautveränderungen, Narben - Genitalbereich
- Extremitäten: Abwehrspuren, Injektionsstellen, livide Verfärbungen
Zusätzliche Informationen zur Einordnung:
- Fundort und Umgebung
- Lage des Körpers, Zustand der Kleidung
- Vorliegende Unterlagen (Medikamentenpläne, Abschiedsbriefe, Arztbriefe
) - Spurenlage: Kampfspuren, Abwehrverletzungen, Blutspuren
- Fremdanamnese (Angehörige, Pflegepersonal, Hausärzt:in)
Dokumentation
- Totenschein inkl. Angabe zu:
- Todeszeitpunkt (bzw. Zeitpunkt der Feststellung)
- Todesart (natürlich / nicht natürlich / ungeklärt)
- Sichere Todeszeichen
- Sachlich und vollständig
Alle erhobenen Befunde müssen nachvollziehbar, neutral und ggf. gerichtsverwertbar dokumentiert werden
Todesursache
Bei der Leichenschau muss entschieden werden, woran die verstorbene Person unmittelbar gestorben ist und ob es eine zugrunde liegende Erkrankung gab, die zur Todesursache geführt hat.
Todesarten
Die Todesarten werden unterschieden in:
Todesart | Erklärung |
---|---|
Natürliche Todesart |
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Nicht natürliche Todesart |
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Unklare Todesart |
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Ausstellen des Totenscheins
Der Totenschein (Todesbescheinigung) ist eine ärztlich ausgestellte öffentliche Urkunde, die im Anschluss an eine vollständige Leichenschau von einer approbierten Ärztin oder einem approbierten Arzt erstellt wird. Sie bildet die Grundlage für:
- Die Ausstellung der Sterbeurkunde durch das Standesamt
- Die Freigabe zur Bestattung
- Die Weiterleitung medizinisch-statistischer Angaben an die Gesundheitsbehörden
Notärzt:innen dürfen im Einsatz lediglich eine vorläufige Todesbescheinigung ausstellen, wenn keine vollständige Leichenschau möglich ist. Diese reicht nicht für eine Sterbeurkunde aus.
Aufbau des Totenscheins
Die Bescheinigung besteht aus zwei Teilen:
Nicht vertraulicher Teil (für das Standesamt) | Vertraulicher Teil (für Gesundheitsbehörden) |
---|---|
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InfoNeugeborene unter 500 g Geburtsgewicht:
- Gelten rechtlich nicht als lebendgeborene Kinder
- Keine Ausstellung eines Totenscheins
- Bestattung auf Wunsch der Eltern möglich, aber keine gesetzliche Pflicht
MerkeDie Epikrise
Der vertrauliche Teil des Totenscheins umfasst eine Epikrise. Eine Epikrise ist ein zusammenfassender Abschlussbericht über den bisherigen Krankheitsverlauf und die damit zusammenhängenden medizinischen Maßnahmen.
Dies geschieht in Form eines Arztbriefes bzw. eines Entlassungsdokumentes und umfasst:
- Anamnese
- Art, Umfang und Ergebnisse von Diagnostik und Therapiemaßnahmen
- Voraussichtliche Prognose
- Konkrete Empfehlungen für die Weiterbehandlung
Die Weitergabe des Totenscheins erfolgt getrennt nach vertraulichem und nicht-vertraulichem Teil:
- Nicht vertraulicher Teil: an Bestatter → Standesamt → Ausstellung der Sterbeurkunde
- Dieser Ablauf stellt sicher, dass die Identität und Todesart amtlich registriert werden, um anschließend eine offizielle Sterbeurkunde ausstellen zu können, die für rechtliche und organisatorische Schritte unerlässlich ist
- Vertraulicher Teil: Zuständige Stellen gemäß Landesrecht (Gesundheitsamt, statistisches Landesamt, Krematorium, ggf. Polizei oder Staatsanwaltschaft)
AchtungRettungsdienst / Notarzt
- Bei nicht natürlicher oder ungeklärter Todesart:
- Meldepflicht an Polizei / Staatsanwaltschaft
- Keine Leichenschau-Fortsetzung durch Notärzt:in bei Fremdverdacht
- Der Leichnam wird von der Polizei zur Rechtsmedizin überführt, wo bei Anordnung der Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Obduktion durchgeführt wird
Prüfungswissen
Grundlagen der Leichenschau:
- Ziel der Leichenschau: Feststellung des Todes, Todesursache und Todesumstände
- Durchführung: Nur durch approbierte Ärzt:innen
- Endet mit: Ausstellung des Totenscheins
- Umfang laut Rechtsmedizin:
- Sichere Feststellung des Todes
- Identifikation der verstorbenen Person
- Bestimmung von Todeszeit und -ursache
- Einordnung der Todesart (natürlich, nicht natürlich, unklar)
- Feststellung ansteckender Krankheiten (IfSG)
- Datengewinnung für Statistik
- Weiteres Vorgehen abhängig von Feststellungen:
- Natürlicher Tod: Bestattung ohne weitere Maßnahmen
- Nicht natürlicher/unklarer Tod oder nicht identifizierbar: Polizei benachrichtigen
- Meldepflichtige Krankheit: Gesundheitsamt informieren
- Verdacht auf Berufskrankheit: Berufsgenossenschaft informieren
Sichere und unsichere Todeszeichen:
- Unsichere Zeichen (nicht zur Todesfeststellung geeignet): Pulslosigkeit, fehlende Atmung, blasse Haut, lichtstarre Pupillen, Areflexie etc.
- Vita minima (Scheintod): Zustand zwischen Leben und Tod – Reanimation
möglich! - AEIOU-Regel zur Erinnerung an Ursachen:
- A: Alkohol/Anoxämie
- E: Elektrizität/Epilepsie
- I: Injury
- O: Opium (Intoxikation)
- U: Urämie
- Sichere Todeszeichen: Totenflecke, Leichenstarre, nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen, Fäulnis
- Todesfeststellung ohne sichere Todeszeichen möglich:
- Nach erfolgloser Reanimation
(nach ca. 20 Min. ohne Lebenszeichen + Nulllinien-EKG ) - Nach Hirntoddiagnostik (z.B. für Organspende)
- Nach erfolgloser Reanimation
- WICHTIG: mit Patientenverfügung darf der Tod erst bei Vorliegen sicherer Todeszeichen bescheinigt werden
Feststellen der Todeszeit:
- Todeszeit genau bestimmbar: wenn Tod beobachtet oder Reanimation
dokumentiert ist - Bei unklarer Todeszeit: Orientierung
an Fallgruppen zur Eingrenzung - Unbeobachteter Tod mit sicheren Todeszeichen: Zeitpunkt wird anhand des erstmaligen Auftretens sicherer Todeszeichen (z. B. Totenflecken, Starre
, Fäulnis) abgeschätzt; ergänzend letzte Zeug:innenkontakte berücksichtigen - Beobachteter Tod durch Dritte: Zeitpunkt laut glaubhafter Zeug:innenaussagen zum Kreislaufstillstand dokumentieren (inkl. Uhrzeit und Umstände)
- Simultan verstorbene Personen (z. B. Ehepartner): Sorgfältige Differenzierung der Todeszeitpunkte erforderlich, da relevant für Erbfolge (§ 11 BGB)
- Tod unter Aufsicht (z. B. Klinik, Pflege): Zeitpunkt des beobachteten Kreislaufstillstands angeben; bei ärztlicher Anwesenheit zusätzlich Zeitpunkt der ärztlichen Todesfeststellung dokumentieren
- Unbeobachteter Tod mit sicheren Todeszeichen: Zeitpunkt wird anhand des erstmaligen Auftretens sicherer Todeszeichen (z. B. Totenflecken, Starre
- Hilfsmittel zur Eingrenzung:
- Sichere Todeszeichen und deren zeitlicher Verlauf
- Muskelreaktionen (mechanische Erregbarkeit):
- Fortgeleitete Reaktionen: bis ca. 2,5 h p.m.
- Lokale Reaktionen: bis ca. 8 h p.m.
- Wichtig für kriminalistische Ermittlungen → daher besonders sorgfältig durchzuführen
Durchführung der Leichenschau:
- Ziel: Feststellung der Todesursache, wichtige Grundlage für Ermittlungen
- Ort: Grundsätzlich am Fundort, Ausnahmen bei ungeeigneter Umgebung
- Voraussetzungen: Gute Beleuchtung, vollständige Entkleidung, gewissenhaftes Vorgehen
- Untersuchungsreihenfolge: Kopf → Hals → Brustkorb → Bauch → Genitalbereich → Extremitäten
- Ergänzende Informationen:
- Fundort, Leichenumfeld, Lage und Kleidung
- Medikamenten- und Befundunterlagen, Abschiedsbriefe
- Kampfspuren, Angaben von Angehörigen oder Hausärzt:innen
- Abschluss: Sachlich korrekter schriftlicher Befundbericht mit allen erhobenen Daten
Todesursache | Todesarten |
---|---|
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Ausstellen des Totenscheins:
- Totenschein: Ärztliche Urkunde nach vollständiger Leichenschau, Voraussetzung für Sterbeurkunde
- Nur von approbierten Ärzt:innen ausstellbar
- Notärzt:innen nur vorläufige Bescheinigung
- Zwei Teile:
- Nicht vertraulich: Personalien, Todesdaten, Todesart, Warnhinweise
- Vertraulich: Todesursache, Reanimationsversuch, Unfall, Schwangerschaft, Epikrise
- Neugeborene <500 g: kein Totenschein, aber Bestattung möglich
- Weitergabe:
- Nicht vertraulich: Bestatter → Standesamt → Sterbeurkunde
- Vertraulich: Gesundheitsbehörden/Staatsanwaltschaft
- Rettungsdienst: Meldepflicht bei unklarer/nicht natürlicher Todesart
Quellen
- Koch, S. et al.: retten – Notfallsanitäter. Georg Thieme Verlag 2023, ISBN: 978-3-13-242121-9
- November Vorsorge und Bestattungen: Der Totenschein - wer stellt ihn aus und was steht drin?
- S1-Leitlinie Regeln zur Durchführung der ärztlichen Leichenschau, Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin e.V. (DGRM)