Wirkprinzip
- Unfraktioniertes Heparin
bindet an Antithrombin und Thrombin und verstärkt die Hemmung um das 1000-fache ➜ Thrombin - + Faktor-Xa-Hemmung
Indikationen
- Prophylaxe von Thromboembolien (subkutan ➜ aufgrund des Blutungsrisikos keine intramuskuläre Injektion)
- Therapeutische Antikoagulation (intravenös mit Perfusor)
- Insbesondere in Notfällen, in denen eine schnelle Antikoagulation notwendig ist und bei Patient:innen mit einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz
- z.B. Frühbehandlung des akuten Myokardinfarktes
- Beinvenenthrombose
- Akute Lungenarterienembolie
(insbesondere bei hämodynamischer Instabilität und ggf. notwendiger Lysetherapie oder Thrombektomie) - Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern
- Mechanische Herzklappe
- Antikoagulation bei extrakorporalem Kreislauf (z.B. Herz-Lungen-Maschine, Hämodialyse)
➜ Eher in Notfallsituationen & bei Niereninsuffizienz
Vor- und Nachteile
Vorteile:
+ Gut per Perfusor und Kontrolle der aPTT steuerbar
+ Zu 100% durch Protamin
+ Schneller Wirkeintritt
+ Viele Indikationen (➜ gut in Notfallsituationen geeignet)
+ Auch bei Niereninsuffizienz einsetzbar
Nachteile:
- Regelmäßige Blutentnahmen alle 6 Stunden notwendig
- Dauerhafte intravenöse Infusion notwendig (bei therapeutischer Anwendung)
- Risiko einer HIT (siehe HIT)

Stefan Bellini, CC0, via Wikimedia Commons. Das Bild wurde zugeschnitten. Die Detailansicht des Displays wurde entfernt. Die Handelsnamen wurden unkenntlich gemacht
Laborkontrolle
- Kontrolle durch die aPTT: Ziel 60-92 Sekunden (1,5-2,5-fache Verlängerung des Ausgangswertes)
- Kontrolle alle 6 Stunden (bei 2-mal aufeinanderfolgend konstanter aPTT und geringer Krankheitsdynamik kann auch alle 12-24 Stunden eine Kontrolle erfolgen)
- Bei ausbleibender Veränderung der aPTT: Kontrolle von Antithrombin
-III (Heparin wirkt über Antithrombin -III ➜ bei einem Antithrombin -III-Mangel kann Heparin nicht wirken) - Regelmäßige Kontrollen der Thrombozytenzahlen zur Identifikation einer HIT2:
- Vor Beginn der Therapie
- 1. Tag nach Beginn der Therapie
- Alle 3-4 Tage während der ersten 3 Wochen
- Nach der Therapie
- Bei Patient:innen mit dem Risiko für eine Hyperkaliämie
(z.B. bei Niereninsuffizienz): regelmäßige Kaliumkontrollen - Hb-Wert zur Identifikation von äußerlich nicht sichtbaren/okkulten Blutungen
- CAVE: der Hb-Wert kann bei einer akuten Blutung noch normwertig sein. Er fällt in der Regel erst im Verlauf durch den kompensatorischen Flüssigkeitseinstrom aus dem Gewebe in die Gefäße ab
Antagonisierung
- Durch Protamin
zu 100% antagonisierbar
Nebenwirkungen (Auszug)
- Allergische Reaktionen
- Blutungen
- Heparin
-induzierte Thrombozytopenie (= HIT) - Hyperkaliämie
- Reversibler Anstieg von AST, ALT, GGT (Leberenzyme
), LDH und Lipase - Osteoporose (bei Langzeitbehandlung)
Kontraindikationen (Auszug)
- Überempfindlichkeit gegen Heparin
- Heparin
-induzierte Thrombozytopenie Typ II - Bekannte Heparin
-induzierte Thrombozytopenie Typ II - Verdacht auf Heparin
-induzierte Thrombozytopenie Typ II (Thrombozytenabfall oder neue Thromboembolien unter einer Heparintherapie)
- Bekannte Heparin
- Aktive Blutungen oder Risikofaktoren für eine starke Blutung
- Erkrankungen, die mit einer erhöhten Blutungsneigung (hämorrhagischen Diathese) einhergehen: z.B. schwere Leber-, Nieren-, Pankreaserkrankungen, Koagulopathien, Thrombozytopenien
- Erkrankungen, bei denen ein Verdacht auf eine Gefäßverletzung besteht/Organläsionen, die erhöhtes Blutungsrisiko aufweisen (z.B. Magen
-Darm-Ulcera, Hypertonie (>105 mmHg diastolisch), infektiöse/septische Endokarditis , Malignom mit Blutungsneigung etc.) - Elektive Spinalanästhesie
, Periduralanästhesie , Lumbalpunktion , Einführen von epiduralen Kathetern (Entfernen/Verändern von epiduralen Kathetern unter Risiko/Nutzen-Abwägung) (therapeutische Antikoagulation)
- Drohender Abort
- Besondere Vorsicht bei: chronischem Alkoholismus, gleichzeitiger Einnahme weiterer gerinnungshemmender Medikamente (z.B. Fibrinolytika
, Thrombozytenaggregationshemmer )
AchtungWährend der Therapie mit unfraktioniertem Heparin
sollte auf Hinweise für eine Blutung geachtet werden. Weiterhin sollte die Thrombozytenzahl regelmäßig überprüft werden, um eine HIT frühzeitig zu identifizieren.
Dosierung Thromboseprophylaxe
- z.B. Heparin
5.000 IE 1-1-1 s.c. oder Heparin 7.500 IE 1-0-1 s.c. - Prä- und postoperative Thromboseprophylaxe bis zur ausreichenden Mobilisierung:
- Gabe ca. 2 Stunden vor der Operation
- Postoperativ, abhängig vom Blutungs- und Thromboserisiko alle 8-12 Stunden Heparin
5.000 IE s.c. oder alle 12 Stunden Heparin 7.500 IE s.c.
- Prophylaxe bei längerer Bettlägerigkeit, erhöhter Thromboseneigung oder Erkrankungen mit erhöhter Thromboseneigung:
- Abhängig vom Blutungs- und Thromboserisiko alle 8-12 Stunden Heparin
5.000 IE s.c. oder alle 12 Stunden Heparin 7.500 IE s.c.
- Abhängig vom Blutungs- und Thromboserisiko alle 8-12 Stunden Heparin
- Bei einer Nieren- oder Leberinsuffizienz sollte auch in prophylaktischer Dosierung eine regelmäßige Kontrolle der Gerinnungswerte erfolgen
Therapeutische Dosierung
Praktische Durchführung der Therapie akuter venöser und arterieller Thromboembolien bei Erwachsenen mit unfraktioniertem Heparin
- Vor dem Beginn der Therapie: Bestimmung des Ausgangswertes der aPTT und Kontrolle der Thrombozyten
- Gabe der ersten Dosis: z.B. unfraktioniertes Heparin
5.000 – 10.000 IE i.v. als Bolus (alternativ 70-80 IE/Kg Körpergewicht) - Heparin
-Perfusor (500 IE/ml) beginnen: z.B. unfraktioniertes Heparin 15-20 IE/Kg Körpergewicht pro Stunde (z.B. 70 Kg schwere Person ➜ 70 kg * 15 IE = 1.050 IE ➜ Perfusorlaufrate = 2,1 ml/Stunde) - Regelmäßige Laborkontrollen und Anpassung der Heparin
-Dosierung:
➜ Ziel 60-92 Sekunden (1,5-2,5-fache Verlängerung des Ausgangswertes)
➜ Kontrolle alle 6 Stunden (bei 2-mal aufeinanderfolgend konstanter aPTT und geringer Krankheitsdynamik kann auch alle 12-24 Stunden eine Kontrolle erfolgen)
➜ Regelmäßige Kontrollen der Thrombozytenzahl (vor Beginn der Therapie; 1. Tag nach Beginn der Therapie; alle 3-4 Tage während der ersten 3 Wochen; nach der Therapie)
aPTT | Handlungsempfehlung |
---|---|
aPTT <48 Sekunden | Erneute Bolusgabe (z.B. unfraktioniertes Heparin und Steigerung des Heparinperfusors um 4 IE/Kg Körpergewicht pro Stunde (Laufrate berechnen!) |
aPTT 48-59 Sekunden | Erneute halbierte Bolusgabe (z.B. unfraktioniertes Heparin und Steigerung des Heparinperfusors um 2 IE/Kg Körpergewicht pro Stunde (Laufrate berechnen!) |
aPTT 60-92 Sekunden | Keine Änderung |
aPTT 93-120 Sekunden | Reduktion des Heparinperfusors um 2 IE/Kg Körpergewicht pro Stunde (Laufrate berechnen!) |
aPTT >120 Sekunden | Pausierung des Heparinperfusors für 1 Stunde ➜ danach Reduktion des Heparinperfusors um 3 IE/Kg Körpergewicht pro Stunde (Laufrate berechnen!) |
TippLiegt die aPTT unter der Ziel-aPTT von 60-92 Sekunden (1,5-2,5-fache Verlängerung des Ausgangswertes) liegt eine unzureichende Gerinnungshemmung
vor. Das Thrombembolierisiko steigt. In diesem Fall ist eine erneute Bolusgabe erforderlich und die Dosis des Heparinperfusors sollte erhöht werden. Liegt die aPTT über der Ziel-aPTT von 60-92 Sekunden (1,5-2,5-fache Verlängerung des Ausgangswertes) liegt eine zu starke Gerinnungshemmung
vor. Das Risiko für Blutungen steigt. In diesem Fall sollte die Dosis des Heparinperfusors reduziert werden. Wenn die aPTT über 120 Sekunden liegt sollte vor der Dosisreduktion eine Pausierung des Heparinperfusors für 1 Stunde erfolgen. Die Dosis in Form der IE (Internationale Einheiten) sollte in die Laufrate des Perfusors umgerechnet werden.
Beispiel: 70 Kg schwere Person und Dosis von 15 IE
➜ 70 kg * 15 IE = 1.050 IE
➜ Perfusor-Dosierung: 500 IE pro ml
➜ 1.050 IE/500 IE pro ml
➜ Perfusorlaufrate = 2,1 ml/Stunde
Vergleich Heparine
Vergleich von unfraktioniertem und niedermolekularen Heparinen
Unfraktioniertes Heparin (UFH):
Ideal für Notfälle und Patient:innen, die eine sofortige, intensiv überwachte Antikoagulation benötigen, wie z.B. bei akuter Lungenarterienembolie
Niedermolekulares Heparin (NMH):
Präferiert für die Langzeittherapie von Thromboembolien, insbesondere bei Patient:innen, die eine ambulante Behandlung bevorzugen oder benötigen. NMH ist auch die erste Wahl für die Thromboseprophylaxe bei chirurgischen (besonders orthopädischen) Eingriffen.
Kriterium | Unfraktioniertes Heparin | Niedermolekulares Heparin |
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Wirkmechanismus |
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Halbwertszeit |
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Anwendung |
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Labor-kontrolle/ Überwachung |
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Risiko für HIT |
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Indikationen |
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Vorteile |
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Nachteile |
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Fallbeispiele
Fallbeispiele zur gerinnungshemmenden Therapie findest du im Ordner Fallbeispiele Gerinnungshemmung
Für ein Fallbeispiel zum Umgang mit unfraktioniertem Heparin
Für ein Fallbeispiel zum Umgang mit unfraktioniertem Heparin
Für ein Fallbeispiel zum Umgang mit unfraktioniertem Heparin
Quellen
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie, Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA)
- Freissmuth et al.: Pharmakologie und Toxikologie. Springer 2012, ISBN: 978-3-642-12353-5.
- Karow, Lang-Roth: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2012
- Lüllmann et al.: Pharmakologie und Toxikologie. 15. Auflage Thieme 2002, ISBN: 3-133-68515-5
- Wehling: Klinische Pharmakologie. 2. Auflage Thieme 2011, ISBN: 978-3-131-60282-4