Wirkprinzip
- Vitamin-K
-Antagonisten hemmen die Vitamin-K -Epoxid-Reduktase und die Vitamin-K -Reduktase
➜ Somit kann Vitamin Knicht mehr als Kofaktor fungieren und es kommt zu einem Ausbleiben der Synthese der Vitamin-K -abhängigen Faktoren 10, 9, 7, 2 („1972“) und der antikoagulatorischen Proteine C und S
➜ Unselektiver kompetitiver Vitamin K-Antagonismus
Indikationen
- Thromboembolieprophylaxe:
- Valvuläres und nicht-valvuläres Vorhofflimmern
- Mechanischer Herzklappenersatz
- Valvuläres und nicht-valvuläres Vorhofflimmern
- Lungenarterienembolie
: zur Initialtherapie sollte Heparin in therapeutischer Dosierung verwendet werden ➜ anschließend Umstellung auf Vitamin-K -Antagonisten - Tiefe Venenthrombose
(TVT ): zur Initialtherapie sollte Heparin in therapeutischer Dosierung verwendet werden ➜ anschließend Umstellung auf Vitamin-K -Antagonisten - Sinusvenenthrombose
- Langzeitbehandlung des Myokardinfarktes, wenn ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien besteht
- Immobilisation:
- Postoperative Prophylaxe einer tiefen Venenthrombose
/verlängerte Immobilisierung nach Hüftoperation oder Operation einer Femurfraktur : in der Regel 3–4-wöchige Prophylaxe
- Postoperative Prophylaxe einer tiefen Venenthrombose
Vor- und Nachteile
Vorteile:
+ Kostengünstig
+/- Wirkdauer mehrere Tage (Wirkung auch bei vergessener Einnahme/schlecht steuerbar)
+/- Regelmäßige Kontrollen des INR-/Quick-Wertes notwendig (regelmäßige Blutentnahmen notwendig/Einschätzung der Stärke der Antikoagulation
Nachteile:
- Viele Wechselwirkungen
- Schlechte Steuerbarkeit (Interpretation des INR-Wertes in Abhängigkeit der Dosierung nicht immer einfach) und ggf. perioperatives Bridging
Laborkontrolle
- Dosiseinstellung anhand des INR-Wertes oder des Quick-Wertes (Ziel abhängig von der Indikation):
- Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern
: Ziel-INR 2,0-3,0 - Tiefe Venenthrombose
: Ziel-INR 2,0-3,0 - Lungenarterienembolie
: Ziel-INR 2,0-3,0 - Transiente ischämische Attacke (TIA): 2,0-3,0
- Sinusvenenthrombose: Ziel-INR 2,0-3,0
- Herzklappenersatz
: Ziel-INR 2,5-4,0 (abhängig vom Klappentyp) - Biologisch: 2,0-3,0
- Mechanisch: 2,5-4,0
- Herzklappenreparatur
: Ziel-INR 2,0-3,0 - Langzeitbehandlung des Myokardinfarktes, wenn ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien besteht: 2,0-3,0
- Längere Immobilisation nach Hüftoperationen oder Operationen von Femurfrakturen
: 2,0-3,0 - Ein INR >4,0 bringt in der Regel keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen, geht jedoch mit einem erhöhten Blutungsrisiko einher
- Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern
- Kontrollintervall:
- Vor Behandlungsbeginn
- Bis zum Erreichen von stabilen INR-Werten im INR-Zielbereich: tägliche Kontrollen
- Bei instabilen INR-Werten oder einem erhöhten Blutungsrisiko sollten tägliche/zweitägliche Kontrollen erfolgen
- Bei stabilen INR-Werten sollte der INR-Wert
alle 3-4 Wochen kontrolliert werden - Bei einer Änderung der Begleitmedikation oder einer veränderten Stoffwechsellage sind ggf. häufigere Kontrollen notwendig
- Vor dem Behandlungsbeginn: Gesamtgerinnungsbestimmung zum Ausschluss verborgener Gerinnungsstörungen (unter anderem Thrombozyten
, aPTT , Thrombinzeit , Fibrinogen , INR) - Regelmäßige Bestimmung der Leberfunktion
- Hb
-Wert zur Identifikation von äußerlich nicht sichtbaren/okkulten Blutungen - CAVE: der Hb
-Wert kann bei einer akuten Blutung noch normwertig sein. Er fällt in der Regel erst im Verlauf durch den kompensatorischen Flüssigkeitseinstrom aus dem Gewebe in die Gefäße ab
- CAVE: der Hb
Antagonisierung
- Phytomenadion
- Prothrombinkonzentrat (PPSB)
- Vitamin K
(langsam): Wirkung erst, wenn neue Gerinnungsfaktoren synthetisiert wurden
Nebenwirkungen (Auszug)
- Cumarin-Nekrosen (Hautnekrosen)
- Vitamin-K
-Antagonisten (= Cumarine) hemmen neben den Gerinnungsfaktoren auch die antikoagulatorisch wirksamen Proteine C und S - Diese haben eine kürzere Halbwertszeit als die Gerinnungsfaktoren und werden daher schneller abgebaut. Es kommt zu einem überwiegen der prokoagulatorischen Gerinnungsfaktoren
→ Daher besteht in den ersten Tagen nach Therapiebeginn ein erhöhtes Thromboserisiko, welches durch die überlappende Heparingabe vermindert wird - Bei Cumarin-Nekrosen sollte die Therapie mit Vitamin-K
-Antagonisten gestoppt und die Therapie auf Heparin umgestellt werden (ggf. zusätzlich Gabe von Vitamin K , um die Synthese von Protein C und Protein S zu fördern oder bei lebensbedrohlichen Verläufen von Plasmakonzentraten/PPSB)
- Vitamin-K
- Blutungsrisiko erhöht
- Häufig Hämatome
nach Verletzungen, Zahnfleisch- und Nasenbluten, Hämaturie, Bluthusten, GI-Blutungen etc.
- Häufig Hämatome
AchtungBei Patient:innen mit einem erhöhten Blutungsrisiko sollte der Nutzen der Antikoagulation
und des verminderten Thromboembolierisikos gegen das erhöhte Blutungsrisiko abgewogen werden. Bei einem erhöhten Blutungsrisiko sollten regelmäßige INR-Kontrollen und vorsichtigere Dosisanpassungen erfolgen. Die Therapiedauer sollte abhängig von der Indikation und dem Thromboembolierisiko möglichst kurz sein.
Kontraindikationen (Auszug)
- Schwangerschaft (aufgrund der Gefahr von Missbildungen sollten eine Kontrazeption während der Einnahme erfolgen) (während der Stillzeit
sollten die gestillten Kinder prophylaktisch Vitamin K erhalten) - Im ersten Trimenon: erhöhtes Risiko für Geburtsschäden und einen Tod des Fötus mit zunehmender Dauer der Gabe von Vitamin-K
-Antagonisten - Größtes Risiko in der 6.-12. Schwangerschaftswoche
- Während des 2. und 3. Trimenon besteht unter der Gabe von Vitamin-K
-Antagonisten ein erhöhtes Risiko für eine intrauterine oder unter der Geburt auftretende (zerebrale) Blutung des Fötus aufgrund einer Gerinnungshemmung des fötalen Blutes
- Im ersten Trimenon: erhöhtes Risiko für Geburtsschäden und einen Tod des Fötus mit zunehmender Dauer der Gabe von Vitamin-K
- Leberinsuffizienz
- Blutungsneigung oder akute Blutung
- „Purple toes“: brennende Schmerzen in den Großzehen mit gleichzeitiger Verfärbung unter der Einnahme von Vitamin-K
-Antagonisten aufgrund von Cholesterinmikroembolien - Intramuskuläre Injektionen
, eine rückenmarksnahe Regionalanästhesie, Lumbalpunktionen und Angiographien sollten, wenn möglich, aufgrund des Blutungsrisikos nicht unter einer Therapie mit Vitamin-K -Antagonisten durchgeführt werden
Wechselwirkungen
- Phenprocoumon wird über CYP3A4
und CYP2C9 abgebaut - Wirkverstärkung:
- Hemmung des Abbaus/Konkurrenz um den Abbau: viele Antidepressiva
, Amiodaron , viele Antibiotika (Makrolide , Cotrimoxazol ), Protonenpumpeninhibitoren , Grapefruit, Gojibeeren, Gojisaft - Konkurrenz um Eiweißbindung/Verdrängung aus der Eiweißbindung: Sulfonylharnstoffe
, NSAR , Sulfonamide - Schädigung der Darmflora durch antibiotische Therapie kann zu einer geringeren Synthese von Vitamin K
führen
- Hemmung des Abbaus/Konkurrenz um den Abbau: viele Antidepressiva
- Wirkabschwächung:
- Induktion der abbauenden Enzyme
- Ingwer, Lakritz, Rifampicin
, Carbamazepin, Johanniskraut
- Ingwer, Lakritz, Rifampicin
- Vitamin-K
-Aufnahme - Grünkohl, Spinat, Brokkoli etc.
- Reduzierte Resorption
- PPIs (durch erhöhten Magen
-pH), Colestyramin
- PPIs (durch erhöhten Magen
- Induktion der abbauenden Enzyme
- Alkohol kann die gerinnungshemmende Wirkung abschwächen, eine beeinträchtigte Leberfunktion kann die gerinnungshemmende Wirkung jedoch auch verstärken
- Wirkverstärkung:
AchtungVitamin-K
-Antagonisten weisen einige Wechselwirkungen auf. Es sollte auch beachtet werden, dass die Aufnahme von Vitamin K über die Ernährung einen Einfluss auf die Wirkung der Vitamin-K -Antagonisten haben kann. Mit der Ernährung sollte daher eine möglichst ähnliche Menge an Vitamin-K aufgenommen werden. Große Mengen an grünem Blattgemüse oder an Preiselbeeren sollten daher vermieden werden. Weiterhin sollten keine Tätigkeiten oder Sportarten, die mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergehen, erfolgen.
Eindosierung von Vitamin-K-Antagonisten
- Cave: bei der Eindosierung von Vitamin-K
-Antagonisten ist ein gleichzeitige parenterale Antikoagulation notwendig (z.B. mit Heparin (bis INR >2)) - Zu Beginn einer Therapie mit Vitamin-K
-Antagonisten besteht in den ersten 36-72 Stunden eine verstärkte Gerinnungsneigung (Vitamin-K -Antagonisten hemmen zuerst die gerinnungshemmenden Proteine C und S ➜ erst im Verlauf werden die Vitamin-K -abhängigen Gerinnungsfaktoren gehemmt und die gerinnungshemmende Wirkung der Vitamin-K -Antagonisten überwiegt) - Vitamin-K
-Antagonisten haben eine relativ lange Halbwertszeit
➜ Verzögerung von der Einnahme der Vitamin-K-Antagonisten und dem Eintritt der gerinnungshemmenden Wirkung um einige Tage
➜ Auch nach dem Absetzen besteht für ein paar Tage eine gerinnungshemmende Wirkung (nach dem Absetzen normalisieren sich die Gerinnungswertein der Regel erst innerhalb von 7-10 Tagen)
➜ Marcumar® hat eine längere Halbwertszeit als Warfarin®
- Zu Beginn einer Therapie mit Vitamin-K
Eindosierung von Phenprocoumon
- Vor Beginn der Therapie: Bestimmung des INR-Wertes und der anderen Gerinnungsparameter
- Vor dem Beginn der Therapie: Etablierung einer parenteralen therapeutischen Antikoagulation
(z.B. Enoxaparin 1 mg/Kg Körpergewicht (100 IE/Kg Körpergewicht) 1-0-1 oder Heparin 20.000 – 30.000 IE/Tag als Dauerinfusion oder Heparin 7.500 IE alle 8 Stunden s.c. ➜ siehe auch Heparin und niedermolekulare Heparine ) - Festlegung des Ziel-INR-Wertes und der Behandlungsdauer (falls möglich) je nach Indikation (siehe INR-Zielbereiche
) - 1. Tag: Beginn mit 2-3 Tabletten pro Tag (Phenprocoumon 6-9 mg p.o.)
- 2. Tag: 2 Tabletten pro Tag (Phenprocoumon 6 mg p.o.)
- Anschließend regelmäßige INR-Bestimmungen, um individuelles Ansprechen des/der Patient:in auf die Dosis zu bestimmen
- INR-Wert
unter dem INR-Zielbereich: 1,5 Tabletten pro Tag (Phenprocoumon 4,5 mg p.o.) - INR-Wert
im INR-Zielbereich: 1 Tablette pro Tag (Phenprocoumon 3 mg p.o.) - INR-Wert
über dem INR-Zielbereich (INR-Wert >3,5): 0,5 Tabletten pro Tag (Phenprocoumon 1,5 mg p.o.) - INR-Wert
deutlich über dem INR-Zielbereich (INR-Wert >4,5): keine Gabe - Erhaltungsdosis anhand des INR-Wertes einstellen und anpassen: in der Regel 0,5-1,5 Tabletten pro Tag (Phenprocoumon 1,5-4,5 mg p.o.)
- INR-Wert
- Bei INR-Wert
im oder über dem Zielbereich: Absetzen der parenteralen Antikoagulation - Bei stabilen INR-Werten im Zielbereich: regelmäßige Kontrollen der Gerinnungswerte
und insbesondere des INR-Wertes (alle 3-4 Wochen) - Bei instabilen INR-Werten, Änderungen der Begleitmedikation oder besonderen Umständen sollten ggf. häufigere Kontrollen des INR-Wertes erfolgen
- Vergessene Einnahme: Einnahme schnellstmöglich nachholen (keine Einnahme einer doppelten Dosis am Folgetag)
- Regelmäßige Überprüfung der Indikation zur Antikoagulation
Eindosierung von Warfarin
- Ähnliches Vorgehen wie bei Phenprocoumon, jedoch veränderte Dosierungen
- Bei der Eindosierung und subtherapeutischen INR-Werten sollte ebenfalls eine gleichzeitige parenterale Antikoagulation
erfolgen - Die Dosiseinstellung sollte auch anhand der INR-Werte erfolgen
- Gerinnungshemmender Effekt von Warfarin setzt nach 2-4 Tagen ein und hält für 24 Stunden an (nach dem Absetzen von Warfarin dauert es ca. 4-5 Tage bis sich die Gerinnungswerte
normalisiert haben) - Eindosierung von Warfarin:
- Zu Beginn ½ - 1 Tablette (Warfarin 2,5-5 mg/Tag)
- Bei älteren und geschwächten Patient:innen sowie bei erwartet stärkerem Ansprechen auf Warfarin geringere Initialdosis
- Erhaltungsdosis: Dosierung anhand der INR-Werte ½ - 2 Tabletten (Warfarin 2,5-10 mg/Tag)
- Zu Beginn ½ - 1 Tablette (Warfarin 2,5-5 mg/Tag)
AchtungBei der Eindosierung von Vitamin-K
-Antagonisten muss eine parenterale therapeutische Antikoagulation erfolgen, da zu Beginn der Therapie mit Vitamin-K -Antagonisten eine Gerinnungsneigung vorliegt. Erst, wenn der INR-Wert im Zielbereich liegt sollte die parenterale Antikoagulation abgesetzt werden. Wenn der INR-Wert
im Zielbereich war, jedoch wieder unter den INR-Zielbereich fällt, sollte erneut eine parallele parenterale Antikoagulation erfolgen.
TippPatient:innen sollten bei dem Beginn einer Therapie mit Vitamin-K
-Antagonisten einen Ausweis erhalten, in dem sie täglich die eingenommene Dosis des Vitamin-K -Antagonisten und die INR-Werte dokumentieren können. Bei der Anpassung der Dosierung des Vitamin-K -Antagonisten empfiehlt es sich die Patient:innen nach deren ambulanter Erhaltungsdosis zu fragen und Dosisanpassungen gemeinsam anhand der INR-Werte zu besprechen.
TippDer INR-Wert
reagiert mit 1-2 Tagen Verzögerung in der Regel etwas zeitversetzt zur Gabe der Vitamin-K -Antagonisten. Man sollte somit bei der Anpassung der Dosierung auch die Dosen der letzten Tage beachten. Man sollte daher aufpassen nicht zu unter- oder übersteuern. Wichtiger als der absolute Wert des INR-Wertes ist seine Dynamik und die Beurteilung im Gesamtkontext (Werte der letzten Tagen in Kombination mit den Dosen, erfolgten Anpassungen, Änderungen der Begleitmedikation, Ernährung und Stoffwechselfunktionen (z.B. Veränderungen der Leberfunktion)).
TippTipps INR-Wert
und Dosisanpassung:
- Nicht die absoluten Werte, sondern die Dynamik im Zusammenhang mit den Dosen der letzten Tage interpretieren
- Abnahme des INR-Wertes immer zur gleichen Tageszeit
- Wenn INR-Wert
vorliegt:
- Dosis von Phenprocoumon (gemeinsam mit Patient:in) festlegen
- Bei subtherapeutischen INR-Werten parenterale Antikoagulation
ansetzen - Im Medikamentenprogramm ggf. bei der Gabe ein X eintragen, sodass man an die Dosisanpassung denkt und keine falsche Dosis durchgehend und unreflektiert gegeben wird
- Die entsprechende Dosis von Phenprocoumon und die möglicherweise notwendige Gabe einer parenteralen Antikoagulation
sollte jeden Tag evaluiert und an das Pflegeteam kommuniziert werden - Stoffwechsellage, Begleitmedikation und Ernährung bei der Interpretation des INR-Wertes berücksichtigen
- Festlegung der Dosis gemeinsam mit den Patient:innen:
- Zu Beginn Erfragen und Dokumentation der ambulanten Erhaltungsdosierung
- Gemeinsame Besprechung des INR-Wertes und Festlegung der Dosis
- Die Patient:innen können meistens am besten ihre INR-Werte einschätzen und die Dosis anpassen
- Bei instabilen INR-Werten sollten tägliche Kontrollen erfolgen, bei stabilen INR-Werten sollte der INR-Wert
alle 3-4 Wochen kontrolliert werden. Bei einer Änderung der Begleitmedikation oder einer veränderten Stoffwechsellage sind ggf. häufigere Kontrollen notwendig
Beispiele
Eindosierung von Phenprocoumon und Zusammenhang der Dosierung von Phenprocoumon und dem INR-Wert
Tag 1: der INR-Wert
Tag 2: weiterhin subtherapeutischer INR-Wert
Tag 3: INR-Wert
Tag 4: leicht supratherapeutischer INR-Wert
Tag 5: INR-Wert
Tag 6: INR-Wert
Erklärung:
Im Beispiel ist eine erfolgreiche Eindosierung von Phenprocoumon dargestellt. Wichtig ist die parallele parenterale Antikoagulation
Zusammenhang der Dosierung von Phenprocoumon und dem INR-Wert : Negativbeispiel (Beachtung nur absoluter INR-Werte)
Tag 1: der INR-Wert
Tag 2: weiterhin subtherapeutischer INR-Wert
Tag 3: weiterhin subtherapeutischer INR-Wert
Tag 4: supratherapeutischer INR-Wert
Tag 5: supratherapeutischer INR-Wert
Tag 6: subtherapeutischer INR-Wert
Tag 7: subtherapeutischer INR-Wert
Erklärung:
In diesem Beispiel wurde nicht die Dynamik des INR-Wertes, sondern nur die absoluten Werte beachtet. Bei subtherapeutischen INR-Werten wurde stets die Dosis erhöht ohne zu beachten, dass der INR-Wert
Bei den supratherapeutischen Werten ist der ähnliche Fehler erneut passiert. Anstatt die Dosis zu reduzieren, um den INR-Wert
Bridging
- Vitamin-K
-Antagonisten sind in der Regel bei intraoperativen Blutungen schlecht kontrollierbar - Bei Patient:innen, die mit Vitamin-K
-Antagonisten antikoaguliert sind, wird daher bei Operationen mit einem erhöhten Blutungsrisiko ggf. ein Bridging notwendig - Hierzu wird einige Tage vor der Operation der Vitamin-K
-Antagonist abgesetzt und überbrückend (➜ „bridging “), sobald der INR-Wert unter 2 liegt, ein Heparin (bevorzugt niedermolekulares Heparin ) gegeben (bei mechanischer Herzklappe unfraktioniertes Heparin ggf. bereits ab höheren INR-Werten) - Perioperativ wird das Heparin
abgesetzt (dies ist aufgrund der kurzen Wirkdauer von Heparin möglich) - Nach der Operation wird gleichzeitig Heparin
und der Vitamin-K -Antagonist gegeben, bis der Ziel-INR-Wert erreicht ist (Wiederbeginn der Antikoagulation je nach Operation sowie dem individuellen Thromboembolie- und Blutungsrisiko des/der Patient:in - Im Falle einer Blutung und perioperativ kann die Wirkung des Heparins
kurzfristig unterbrochen werden - CAVE: Das Bridging
erhöht das Blutungsrisiko und sollte daher primär bei Patient:innen mit einem hohen Risiko für eine Thromboembolierisiko durchgeführt werden - Bei einem geringen Thromboembolierisiko muss nicht unbedingt ein Bridging
erfolgen - Bei einem mittelhohen Thromboembolierisiko kann z.B. ein niedermolekulares Heparin
in prophylaktischer Dosierung verwendet werden - Bei einem hohen Thromboembolierisiko kann z.B. ein niedermolekulares Heparin
in therapeutischer Dosierung verwendet werden (oder bei einer mechanischen Herzklappe ein Heparin -Perfusor mit unfraktioniertem Heparin ) - Ein hohes Thromboembolierisiko und somit eine Indikation für ein Bridging
besteht insbesondere bei Patient:innen mit einer mechanischen Herzklappe; Vorhofflimmern mit einer signifikanten Mitralklappenstenose ; Vorhofflimmern mit einem CHA2DS2-VASc-Score von ≥3 bei Frauen und von ≥2 bei Männern; akutem thromboembolischen Ereignis in den letzten 4 Wochen; hohem akutem Thromboembolierisiko (z.B. LV-Apexthrombus, Antithrombin -3-Mangel, Protein-C - und Protein-S -Mangel)
- Ein hohes Thromboembolierisiko und somit eine Indikation für ein Bridging
- Bei einem geringen Thromboembolierisiko muss nicht unbedingt ein Bridging
InfoNicht bei allen Patient:innen, die mit einem Vitamin-K
-Antagonisten behandelt werden, ist ein Bridging notwendig. Patient:innen mit einem geringen Thromboembolierisiko benötigen ggf. kein Bridging . Da das Bridging das Blutungsrisiko erhöht, sind periprozedurale Blutungen häufiger als eine Thromboembolie. Das Bridging sollte in der Regel mit niedermolekularem Heparin durchgeführt werden. Patient:innen mit einer mechanischen Herzklappe weisen ein hohes Thromboembolierisiko auf und benötigen daher normalerweise ein Bridging , das mit unfraktioniertem Heparin durchgeführt werden sollte.
TippDie Wirkung von Heparinen kann kurzfristig unterbrochen werden, daher eigenen sie sich besser zur perioperativen Antikoagulation
als Vitamin-K -Antagonisten. Da die Vitamin-K -Antagonisten auch nach dem Absetzen noch einige Tage gerinnungshemmend wirken, sollte bereits einige Tage vor einer Operation die Umstellung auf ein Heparin erfolgen.
Praktisches Beispiel bei einem erhöhten Thromboembolierisiko
- 5-8 Tage vor der Operation: Absetzen von Vitamin-K
-Antagonist - Bei einem INR-Wert
von <2 (bei mechanischer Herzklappe höhere INR-Zielwerte): Beginn einer Therapie mit z.B. Enoxaparin 1 mg/Kg Körpergewicht (100 IE/Kg Körpergewicht) 1-0-1 - Spätestens 12 Stunden vor der Operation: Absetzen von Enoxaparin
und Kontrolle des INR-Wertes - Frühestens 6-12 Stunden nach der Operation (je nach Blutungs- und Thromboembolierisiko auch späterer Beginn 48-72 Stunden postoperativ und vorübergehende prophylaktische Dosierung indiziert): Wiederbeginn von Enoxaparin
1 mg/Kg Körpergewicht (100 IE/Kg Körpergewicht) 1-0-1 und am ersten oder zweiten postoperativen Tag Aufsättigung des Vitamin-K -Antagonisten (siehe Eindosierung von Vitamin-K -Antagonisten) - Wenn INR-Wert
im INR-Zielbereich: Absetzen von Enoxaparin
Fallbeispiele
Fallbeispiele zur gerinnungshemmenden Therapie findest du im Ordner Fallbeispiele Gerinnungshemmung
Für ein Fallbeispiel zur Eindosierung von Vitamin-K
Quellen
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie, Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA)
- Fachinformationen