Spinaltrauma, Verletzung der Wirbelsäule, BWS-/LWS-Trauma
25 Minuten Lesezeit
Zusammenfassung
Wirbelsäulenverletzungen entstehen meist im Rahmen von Hochrasanztraumen und können schwerwiegende Folgen wie Lähmungen nach sich ziehen. Die Wirbelsäule trägt nicht nur mechanisch die Körperlast, sondern schützt auch das empfindliche Rückenmark. Daher ist eine frühzeitige Erkennung möglicher Verletzungen am Einsatzort entscheidend.
Traumatische spinale Verletzungen können potenziell lebensbedrohlich sein. Die Schwere der Verletzung hängt maßgeblich von der betroffenen Region der Wirbelsäule sowie von der Beteiligung weiterer umgebender Strukturen, insbesondere des Rückenmarks, ab.
Da sich Schäden an Wirbelsäule oder Rückenmark (Myelon) nicht immer sofort bemerkbar machen, besteht die Gefahr einer verzögerten Symptomatik, etwa durch Blutungen mit nachfolgender Kompression des Myelons. Um sekundäre Schädigungen zu verhindern, sind eine sachgerechte Lagerung, Stabilisierung und ein achsengerechter Transport essenziell. Eine ursächliche Therapie kann präklinisch nicht durchgeführt werden. Die Versorgung zielt daher primär auf die Sicherung der Vitalfunktionen ab. Besteht der Verdacht auf eine Wirbelsäulen- oder Rückenmarksverletzung, muss der Transport in ein Traumazentrum mit Expertise in Wirbelsäulen- und Neurochirurgie erfolgen.
Fallbeispiel
Um den Einstieg in das Thema Wirbelsäulentrauma etwas zu erleichtern, wird im Folgenden ein Fall beschrieben, wie er sich präklinisch ereignen könnte.
Das Szenario
Einsatzmeldung:
Stichwort: Sturz aus großer Höhe, Wirbelsäulentrauma
Ort: Privatgrundstück, im Garten
Alarmzeit: 13:00 Uhr
Anrufer:in: Ehefrau
Anzahl der Betroffenen: 1
Zusatzinfo:
Männlich, 39 Jahre alt
Sturz aus 3 Meter Höhe
Starke Rückenschmerzen und Sensibilitätsstörung in den Beinen
Rettungshubschrauber ist ebenfalls alarmiert
Lageeinweisung vor Ort:
Beim Eintreffen des Rettungsdienstes wird das Team von der Ehefrau des Patienten am Gartentor eines Einfamilienhauses in ländlicher Umgebung empfangen und direkt in den hinteren Garten geführt.
Die Lage ist wie folgt:
Der Patient liegtaufdemRücken auf einer Gartenwiese neben einer umgekippten Aluminiumleiter
Er ist wach und ansprechbar
Er gibt an, bei Gartenarbeiten von der Leiter gestürzt zu sein. Dabei sei er rücklingsauf den unebenenBodengefallen
Unmittelbar nach dem Sturz hat er einen stechenden Schmerz im mittleren Rücken gespürt
Er klagt über ein Kribbeln in beiden Oberschenkeln, die Beine kann er kaumnochbewegen
Dieses Bild wurde mit der KI-Software DALL·E (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Ersteindruck nach xABCDE-Schema
Um sich einen ersten umfassenden Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten in einer Notfallsituation zu verschaffen, bietet sich das xABCDE-Schema an. Um die Arbeit mit dem Schema zu veranschaulichen, ist hier ein xABCDE-Schema abgebildet, wie es im Falle einer Ersteinschätzung bei einer Patientin oder einem Patienten mit einem Wirbelsäulentrauma aussehen könnte.
Es handelt sich dabei um die Befunde, die innerhalb der ersten paar Minuten erhoben werden können. Erweiterte Diagnostik und Abfragen sind natürlich von Bedeutung, jedoch würde zum Beispiel die Messung des Blutzuckers in diesem Fall hintangestellt und taucht zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf.
x
Keine kritischen Blutungen
A
Atemwege frei
Schleimhäuteblass, feucht
Patient spricht selbstständig
Kein A-Problem
B
Inspektorisch:
Thoraxexkursion beidseits physiologisch
Keine Halsvenenstauung sichtbar
Inspektorisch unauffällig
Auskultatorisch:
Beidseits vesikuläres Atemgeräusch
Palpatorisch:
Thorax insgesamt stabil
Keine Krepitation spürbar
SpO2: 95 %
Atemfrequenz: 20/min
Kein B-Problem
C
Hautkolorit blass
Rekap-Zeit: 3 Sekunden
Große Blutungsräume ohne Zeichen auf akute Blutungen
Palpation des Pulses am Handgelenk:
Rhythmisch
Schwach tastbar
Bradykard, 47/min
Akutes C-Problem
D
Wach, orientiert, ansprechbar
GCS 15
Öffnen der Augen: 4
Beste verbale Reaktion: 5
Beste motorische Reaktion: 6
BE-FAST unauffällig
Pupillenkontrolle:
Isokor
Mittelweit
Lichtreagibel
Sensibilitätsstörung in beiden Oberschenkel
Zunehmende Lähmungserscheinung in den Beinen
Akutes D-Problem
E
Keine weiteren Verletzungen ersichtlich
Symptome:
Stechender Schmerz im mittleren Rücken
Sensibilitätsstörung in beiden Oberschenkel
Zunehmende Lähmungserscheinung in den Beinen
Allergien / Infektionen: Keine bekannt
Medikamente: Keine Dauer- oder Akutmedikation
Patientengeschichte: Keine Vorerkrankungen
Letzte Mahlzeit: Frühstück, um ca. 09:00 Uhr
Ereignis: Sturz aus 3 Metern Höhe
Risikofaktoren: Keine
Kein E-Problem
Achtung
Das hier gezeigte Assessment vermittelt nur einen exemplarischen ersten Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten. Im Verlauf der Behandlung müssen weitere Maßnahmen ergriffen und Informationen gesammelt werden. Das Schema erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen praktischen Einstieg in das Thema ermöglichen.
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Definition
Definition
Ein Wirbelsäulentrauma bezeichnet die Verletzung der knöchernen und / oder diskoligamentären Strukturen (Bandscheiben, Bänder) der Wirbelsäule, die mit oder ohne Schädigung des Rückenmarks bzw. der Spinalnerven einhergehen kann.
Klassifikation von Frakturen der Wirbelsäule
Die AO-Klassifikation (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen-Klassifikation) unterscheidet Frakturtypen basierend auf dem Traumamechanismus:
A-Frakturen (Kompressionsverletzungen): Entstehen durch axiale Stauchung der Wirbelsäule, z. B. bei einem Sturz aus großer Höhe auf die Füße → Häufig betroffene Region: thorakolumbaler Übergang
B-Frakturen (Distraktionsverletzungen): Entstehen durch Beuge- oder Streckkräfte mit Verletzung des Bandapparats → Betroffener Bandapparat: entweder ventral (durch starke Streckung/Extension) oder dorsal (durch starke Beugung/Flexion) → Beispiel: Hyperflexion bei Verkehrsunfall mit Gurtverletzung
C-Frakturen (Translationsverletzungen): Entstehen durch Rotations- oder Scherkräfte mit Ruptur sowohl des ventralen als auch dorsalen Halteapparats → Diese Verletzungen sind hochgradig instabil, mit hohem Risiko für neurologische Folgeschäden
Info
Liegt eine Osteoporose vor, erfolgt die Einteilung zusätzlich nach der OF-Klassifikation (osteoporotische Frakturen), welche den Schweregrad und die Therapienotwendigkeit besser abbildet.
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Ursachen
Die Verletzungen der Wirbelsäule resultieren meist aus Hochrasanztraumen, können jedoch auch bei Niedrigrasanztraumen auftreten. Insbesondere ältere oder multimorbide Patient:innen mit eingeschränkter Knochensubstanz oder Vorschädigungen zählen hier zur Risikogruppe.
Zu den häufigsten Unfallmechanismen zählen:
Sturz aus großer Höhe (z.B. von Leitern, Bäumen, Baugerüsten)
Verkehrsunfälle (insbesondere mit Motorrad oder bei Überschlägen)
Stürze auf Treppen oder in der Wohnung (häufig bei älteren Menschen)
Sportunfälle (z.B. Reitunfälle, Kopfsprünge in flaches Wasser)
Direkte Gewalteinwirkungen
Stumpf (z.B. durch Schläge, Explosionen)
Penetrierend (z.B. Messerangriffe, Sturz auf spitze Gegenstände)
Verletzungen in Zusammenhang mit sportlicher Aktivität: 14 %
Sonstiges: 2 %
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Pathophysiologie
Merke
Reminder: Physiologische Grundlagen
Die Wirbelsäule (Columna vertebralis) ist die größte Längsachse des Skeletts
Besteht aus 32-34 Wirbeln (Vertebrae)
Umschließt und schützt das Rückenmark, aus dem die Spinalnerven entspringen
Stabilisation durch zahlreiche Bänder
Gliederung in fünf Abschnitte:
Halswirbelsäule (HWS) – 7 Wirbel
Brustwirbelsäule (BWS) – 12 Wirbel
Lendenwirbelsäule(LWS) – 5 Wirbel
Kreuzbein(Os sacrum) - 5 Wirbel (verwachsen)
Steißbein(Os coccygis) - 3-5 Wirbel (verwachsen)
Die Wirbelsäule ist unterschiedlich gekrümmt:
Nach vorne = Lordose
Nach hinten = Kyphose
Rückenmark (Medulla spinalis):
Verläuft im Spinalkanal
Hier entspringen 31 Spinalnervenpaare
Jeder Spinalnerv enthält:
Motorische (efferente) Fasern → Versorgung der Skelettmuskulatur
Sensorische (afferente) Fasern → Leitung von Berührungs-, Schmerz-, Temperatur- und Lageempfindungen
Vegetative Fasern (v.a. thorakolumbal) → Steuerung der glatten Muskulatur, Drüsen und Organe
Parts of the figure were drawn by using pictures from Servier Medical Art. Servier Medical Art by Servier is licensed under a Creative Commons Attribution 3.0 Unported License (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).” Diese Abbildung ist ein Derivat, der oben angegebenen Quelle. Es wurden die Markierungen und Beschriftungen ergänzt.
Ein Wirbelsäulentrauma entsteht durch eine äußere Gewalteinwirkung auf die Wirbelsäule, die zu einer mechanischen Schädigung von Wirbelkörpern, Bandscheiben, Bändern und/oder des Rückenmarks führen kann. Die daraus resultierenden Schäden lassen sich in primäre und sekundäre Verletzungsmechanismen unterteilen.
Primäre Verletzungen
Wirbelsäule:
Verletzung
Beschreibung
Wirbelkörper wird durch axialeKrafteinwirkung keilförmig deformiert oder vollständig nach unten zusammengedrückt
Bei ausgeprägtemFragmentieren oder EinengungdesSpinalkanals (z.B. Berstungsfraktur) kann eine Instabilität und neurologischeGefährdung bestehen
Verletzungen durch übermäßigeBeugung,StreckungoderZerreißung der Wirbelsäule (z.B. bei Sicherheitsgurtverletzungen bei Verkehrsunfällen)
Es kommt zu einem AuseinanderziehenderWirbel, meist mit Beteiligung der hinteren Bandstrukturen
Rotations- oder Scherkräfte führen zu komplexer Wirbelverschiebung in mehreren Ebenen
Die gesamte Wirbelsäule ist betroffen = Hochinstabil
GroßesRisiko für Rückenmarksverletzungen
Rückenmark:
Verletzung
Beschreibung
Rückenmarkerschütterung (Commotio spinalis)
Funktionelle Störung des Rückenmarks ohne nachweisbare strukturelle Läsion, ausgelöst durch eine plötzliche Erschütterung
Kann zu einer vorübergehenden Unterbrechung motorischer, sensorischer und vegetativer Funktionen distal der Läsion führen
Rückbildung innerhalb von Stunden bis Tagen
Rückenmarkskontusion
Quetschung oder Einblutung indas Rückenmarkgewebe
Kann zu einer zeitweisen oder dauerhaften Unterbrechung der spinalen Funktionen distal der Verletzung führen
Rückenmarkskompression
Druck auf das Rückenmark durch Schwellungen, Hämatome, traumatische Bandscheibenvorfälle oder Knochensplitter
Kann eine lokale Gewebeischämie verursachen und die Funktionen des Rückenmarks beeinträchtigen
Rückenmarklazeration (Durchtrennung)
Zerreißung oder Durchtrennung des Rückenmarks, beispielsweisedurchscharfeKnochenfragmenteoderpenetrierendeTraumen
Unterscheidung in komplette und inkomplette Durchtrennung
Sekundäre Verletzungen
Ödem und Blutung im Rückenmarksgewebe → steigender Gewebedruck
Ischämie durch gestörte Mikrozirkulation, Kompression spinaler Gefäße
Freisetzung entzündlicher Mediatoren (Zytokine, freie Radikale) → Verschärfung der Gewebeschädigung
Zelluläre Degeneration (Apoptose von Neuronen und Gliazellen)
Glutamattoxizität und Ionenverschiebung (z.B. Kalzium, Natrium) → neuronale Übererregung und Zellschädigung
Sekundärer Funktionsverlust durch sich ausbreitende Schädigung spinaler Leitungsbahnen
Mögliche Folgen
Motorische Ausfälle durch Läsion der Pyramidenbahn
Sensorische Störungen durch Schädigung der Nervenfasern im Rückenmark
Neurogener Schock bei Schädigung oberhalb Th6: Hypotonie, Bradykardie durch sympathikotonen Ausfall
Spinaler Schock: Vorübergehender vollständiger Funktionsverlust unterhalb der Läsion ohne strukturelle Durchtrennung
Weitere Informationen zum neurogenen und spinalen Schock werden im Abschnitt: Besondere Situationen erläutert.
Tipp
Spinaler Schock vs. neurogener Schock
Ein spinaler Schock und ein neurogener Schock sind zwei unterschiedliche klinische Phänomene, die zwar beide im Rahmen eines Wirbelsäulentraumas auftreten können, aber verschiedene Ursachen, Symptome und physiologische Hintergründe haben:
Spinaler Schock =beim spinalen Schock kommt es zum vorübergehenden Ausfall sämtlicher spinaler Funktionen (motorisch, sensorisch, reflexiv)
Neurogener Schock= Kreislaufversagen durch sympathischen Ausfall
Merke
Zusammenfassung: Die kritischen Probleme bei einem Wirbelsäulentrauma
Primäre Verletzungen:
Verletzungen der Wirbelsäule
Verletzung des Rückenmarks
Sekundäre Verletzungen:
Schwellung, Ödeme, Ischämie
Spinaler Schock
Gefahr von neurogenen Schock bei Läsion des Rückenmarkes oberhalb Th6
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Klinischer Eindruck
Merke
Das klinischeBild von Wirbelsäulenverletzungen ist starkvariabel. Es reicht von einem gehfähigen Patienten mit bewegungsabhängigen Schmerzen über sichtbare Deformitäten bis hin zu neurologischen Ausfällen und Ateminsuffizienz. Die Symptome eines Wirbelsäulentraumas können sich dynamisch verändern, weshalb eine regelmäßige Re-Evaluation essenziell ist, um Verschlechterungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln.
Typische Zeichen
Rückenschmerzen bei passendem Unfallmechanismus
Bewegungsschmerz oder Bewegungsunfähigkeit
Sichtbare oder tastbare Stufenbildung der Dornfortsatzreihe
Hämatome im Bereich der Wirbelsäule
Paravertebrale Verhärtungen
Kopfhalteinsuffizienz bei HWS-Verletzung
Häufig fokal-neurologisches Defizit:
Sensibilitätsstörungen
Motorische Störungen (Parese oder Plegie)
Blasenstörung mit spontanem Harnabgang
Mastdarmstörung mit spontanem Stuhlabgang
Achtung
Bei einer QuerschnittssymptomatikkönnenSchmerzenfehlen, da die sensiblen Leitungsbahnen des Rückenmarks unterhalb der Läsion vollständig unterbrochen sein können.
Definition
Paravertebrale Verhärtungen
Paravertebrale Verhärtungen sind tastbare, meist druckschmerzhafte Muskelverspannungen oder tonische Reaktionen der autochthonen Rückenmuskulatur beidseits neben der Wirbelsäule. Sie treten oft reflektorisch als Schutzspannung nach einem Trauma auf und können ein indirektes Zeichen einer Wirbelsäulenverletzung sein.
Generalisierte Zeichen
Blässe
Kaltschweißigkeit
Schwitzen
Unruhe
Schwindel
Achtung
Red Flags bei einem Wirbelsäulentrauma
Querschnittssymptomatik
Atemdepression
Beeinträchtigung der Atemmechanik
Neurogener Schock
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Diagnostik
Anamnese
Info
Spezielle Anamnese zum Wirbelsäulentrauma
Neben der standardisierten Anamnese ist eine explizite Anamnese zum Unfallhergang vonnöten, um die damit verbundene Kinetik korrekt einschätzen zu können. Das Verständnis der Energieübertragung und der Krafteinwirkung ermöglicht eine Einschätzung möglicher Verletzungsmuster.
Im hier dargestellten Fall sind folgende Faktoren entscheidend:
Traumamechanismus:
Sturz (aus welcher Höhe, auf welchen Körperteil?)
Verkehrsunfall (Front-, Seiten-, Überschlag-, Heckaufprall) → bei Zweirädern: Helm getragen? Zustand des Helmes?
Sportunfall (Kopfsprung ins Wasser)
Energieeinwirkung:
Hochrasanztrauma vs. Niedrigrasanztrauma?
Axiale Belastung? (z.B. Sturz auf Füße oder Gesäß)
Einwirkung von Scher- oder Rotationskräften?
Aktuelle Anamnese:
S(Symptome): Rückenschmerzen, sichtbare oder tastbare Stufenbildung der Dornfortsatzreihe, Hämatome im Bereich der Wirbelsäule, Sensibilitätsstörungen, motorische Störungen (Parese oder Plegie)
Regelmäßige Einnahme von Antikoagulanzien? (z.B. ASS, DOAKs) → erhöhtes Blutungsrisiko
Medikamente gegen Osteoporose?
P (Patientenvorgeschichte): Frühere Wirbelsäulenverletzungen oder Operationen? Osteoporose, Tumorerkrankungen, chronische Rückenschmerzen?
L (Letzte …): Letzte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme? → Relevant für evtl. Narkoseeinleitung
E (Ereignis): Stumpfe oder spitze Gewalteinwirkung? Spezielle Traumanamnese beachten
R (Risiko): Alter >65 Jahre, Multimorbidität, Osteoporose, Alkohol-/Drogenkonsum, bekannte Wirbelsäuleninstabilität
S (Schwangerschaft): Bei Schwangerschaft an spezielle Komplikationen nach Trauma denken, beispielsweise: vorzeitige Wehen, Plazentaablösung, Uterusruptur
Tipp
Nutze Schemata
Um die Anamnese strukturiert durchzuführen, bietet es sich an, Schemata, wie das SAMPLERS oder OPQRST-Schemazu nutzen. Am obigen Beispiel haben wir Fragen und Befunde dargestellt, die bei dem Verdacht auf ein Wirbelsäulentrauma abgefragt werden sollten und vorliegen könnten.
Körperliche Untersuchung
Inspektion:
Sichtbare Stufenbildung der Dornfortsatzreihe
Hämatome im Bereich der Wirbelsäule
Kopfhalteinsuffizienz bei HWS-Verletzung
Verletzungszeichen an Kopf, Becken oder Extremitäten → mögliche Begleitverletzungen bei Trauma
Schwellungen oder Prellmarken entlang der Wirbelsäule → Hinweis auf stumpfes Trauma
Offene Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule → Verdacht auf offene Fraktur oder penetrierendes Trauma
Spontaner Harn- oder Stuhlabgang → Hinweis auf eine sakrale oder Cauda-equina-Beteiligung
Palpation:
Paravertebrale Verhärtungen → Hinweis auf muskuläre Schutzspannung bei segmentaler Instabilität oder Fraktur
Druck-/Klopfschmerz über den Dornfortsätzen → unspezifisch, aber bei Fraktur oft positiv
Tastbare Stufenbildung der Dornfortsatzreihe → Hinweis auf Wirbelkörperverschiebung oder Luxation
Merke
Das Drehen der verunfallten Person zur Beurteilung der Wirbelsäule soll einmalig und en bloc (in einem Stück) erfolgen. Nach der Inspektion und gegebenenfalls vorsichtigen Palpation wird in derselben Bewegung das Rettungsmittel untergeschoben, gefolgt von der sofortigen achsengerechten Lagerung und Fixierung der erkrankten Person.
Perkussion und Auskulatation:
Der Perkussionsbefund sollte physiologisch ausfallen. Ist das nicht so, muss differenzialdiagnostisch gedacht werden
Achtung
Bei einem Wirbelsäulentrauma immer auf Begleitverletzungen achten, insbesondere an Abdomen, Thorax, Becken und Kopf.
Vitalparameter:
Herzfrequenz:
Bradykardie im Rahmen eines neurogenen Schocks möglich
Blutdruck:
Hypotonie im Rahmen eines neurogenen Schocks möglich
Begleitfaktoren (z.B. massive Blutungen im Rahmen eines Polytrauma) können die Kreislaufstabilität zusätzlich gefährden
Atmung:
Eine flache Atmung kann schmerzbedingt auftreten, insbesondere bei Wirbelsäulenverletzungen im thorakalen Bereich, da Bewegungen des Brustkorbs die Schmerzen verstärken.
Schnelle Traumauntersuchung (STU):
Die STU dient der zügigenUntersuchung und zur Erkennung von lebensbedrohlichenBlutungenundFrakturen, dabei ist ein strukturiertesVorgehen essenziell:
Kopf
Thorax
Bauch
Becken
Oberschenkel
Wirbelsäule → das Abtasten der Wirbelsäule mit der Immobilisation (bspw. mit einem Spineboard) kombinieren
pDMS:
Körperperipherie, insbesondere an die unteren Extremitäten denken
Motorik: Prüfung auf Lähmungen oder Kraftminderung in Armen und Beinen
Sensibilität: Test der Oberflächen- und Schmerzempfindung entlang definierter Dermatome
Blasen- und Mastdarmfunktion: Kontrolle auf spontanen Harn- oder Stuhlabgang → Hinweis auf eine sakrale oder Cauda-equina-Beteiligung
Info
Präklinische Diagnostik der Querschnittlähmung
Eine genaueUnterscheidungzwischeninkompletterundkompletterQuerschnittlähmung ist im Rahmen der präklinischen Versorgung nichtentscheidend und spielt für das akute Management eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist lediglich die grobe Einteilung in Tetra- oder Paraparese bzw. Tetra- oder Paraplegie, deren Schweregrad und Verteilung sich aus der Läsionshöhe und dem Ausmaß der Rückenmarksschädigung ableiten.
Tetraparese: Inkomplette motorische Lähmung aller vier Extremitäten
Paraparese: Inkomplette motorische Lähmung der unteren Extremitäten
Tetraplegie: Komplette motorische Lähmung aller vier Extremitäten
Paraplegie: Komplette motorische Lähmung der unteren Extremitäten
Tipp
Markierung der Querschnittslähmung
Bei der neurologischen Untersuchung sollte das kaudalste vollständig erhaltene sensomotorische Segment identifiziert und auf der Haut der erkrankten Person sichtbar markiert werden (z.B. mit einem Stift). Wichtig ist die Uhrzeit der Untersuchung.Dies ist essenziell, da sich die Symptomatik bei Querschnittslähmung dynamisch verändern kann (z.B. progredient aufsteigend bei spinalem Ödem oder Blutung). Daher sind mehrfache Verlaufskontrollen erforderlich.
Beispiel:
Die erkrankte Person zeigt intakte Motorik und Sensibilität bis zur Höhe des Bauchnabels:
Markierung (bspw. einen Strich) knapp unterhalb des Bauchnabels mit Stift: „13:20 Uhr“
Nach 15 Minuten erneute Kontrolle: Sensibilitätsgrenze nun oberhalb der ursprünglichen Markierung → Hinweis auf Verschlechterung!
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Therapie
Merke
Das primäre Ziel bei einem Wirbelsäulentrauma besteht in der Verhinderung sekundärer Schäden durch eine stabile Immobilisation der Wirbelsäule+ schonender Transport sowie der Sicherung der Vitalfunktionen, insbesondere bei drohendem oder bestehendem neurogenen Schock.
Symptomatische Therapie
Die folgenden Maßnahmen werden häufig angewandt:
Sauerstoffgabe / Atemwegssicherung: Bei Patient:innen mit einer vermindertenSauerstoffsättigung (Hypoxie) wird Sauerstoffverabreicht, um die Sauerstoffversorgung des Gewebeszuverbessern und die FunktionlebenswichtigerOrgane sicherzustellen → Beim Wirbelsäulentrauma ist eine Normoxie anzustreben → Die Sauerstoffsättigung soll nichtunter90% fallen
Temperaturmanagement: Eine Hypothermie führt zu einer reduzierten Enzymaktivität der Gerinnungskaskade, was eine verstärkte Blutungsneigung begünstigen kann → Daher wird prähospital eine Normothermie angestrebt, wobei bei Bedarf ein aktiver Wärmeerhalt durchgeführt wird
Kristalloide Infusionslösungen: Die Flüssigkeitstherapie ist essenziell zur Optimierung der Perfusion und zur Vermeidung einer Hypotonie → Beim Wirbelsäulentrauma ist eine Normotonie anzustreben → Bei Vorliegen eines neurogenen Schocks sollte die Volumengabe aufgrund der in der Regel bestehenden Normovolämie nur zurückhaltend erfolgen, stattdessen ist die frühzeitige Gabe von Vasopressoren zu bevorzugen
Wundversorgung: Stark blutende Begleitverletzungen sind mit sterilen Verbänden zu versorgen. Der Einsatz von Hämostyptika kann erwogen werden → Ein Blutverlust kann zu einer Verschlechterung der Kreislaufstabilität führen
MILS (manuelle In-Line Stabilisierung): Bis zur endgültigen Immobilisation wird eine manuelle Stabilisierung der Halswirbelsäule durchgeführt. → Bewegungen der HWSerhöhen das Risiko sekundärer Rückenmarksschäden
Immobilisation
Info
Das Thema Immobilisation wird in diesem Artikel nur kurz angeschnitten. Ausführliche Informationen zur richtigen Anwendung, Indikation und den einzelnen Hilfsmitteln findest du im separaten Artikel: Immobilisation (RD)
Die Immobilisation der Wirbelsäule orientiert sich an den allgemeinen Prinzipien der Frakturversorgung: Ruhigstellung der angrenzenden Gelenke ober- und unterhalb der Verletzungsstelle. Da die Wirbelsäule jedoch als funktionelle Einheit wirkt und bei einem Trauma mehrere Segmente betroffen sein können, muss die Immobilisation auf die gesamte Wirbelsäule ausgedehnt werden. In diesem Zusammenhang gilt: Der Kopf fungiert als Gelenk oberhalb, das Becken als Gelenk unterhalb der Wirbelsäule → beide müssen daher mit fixiert werden.
Zur Immobilisation kommen zwei bewährte Verfahren zum Einsatz:
Vakuummatratze, ggf. in Kombination mit einer Zervikalstütze
Spineboard mit Headblocks zur Fixierung des Kopfes
Kombinationsboard, entweder in Kombination mit der Vakuummatratze oder eigenständig wie ein Spineboard
Eine klare Empfehlung für ein spezifisches Hilfsmittel gibt es nicht. Die Wahl hängt vom ZustanddererkranktenPerson, dem Einsatzkontext und der Transportdauer ab. Diese Tabelle listet Vor- und Nachteile beider Varianten auf und kann dabei helfen, vor Ort eine situationsgerechte Entscheidung zu treffen.
Merkmal
Spineboard
Vakuummatratze
Rettung von Patient:innen
+
-
Transport
-
+
Schmerzarme Lagerung
-
+
Verursachung von Druckstellen
-
+
Komfort für Patient:innen
-
+
Anwendung bei ankylosierender Erkrankung (z.B. Morbus Bechterew)
-
+
Vorteile (+) und Nachteile (-) bei der Immobilisation mittels Spineboard vs. Vakuummatratze
Merke
Die Liegedauer auf einem Spineboard sollte 30 Minuten nicht überschreiten, da eine längere Immobilisation das Risiko für Druckstellen, Durchblutungsstörungen und Schmerzen erheblich erhöht. Nach Möglichkeit sollte daher, nach der technischen Rettung zügig auf eine Vakuummatratze umgelagert werden oder diese initiale genutzt werden.
Algorithmus:
Canadian C-Spine Rule:
Weitere Maßnahmen
Kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter
Entkleidung von Patient:innen → Ausschluss von Begleitverletzungen
Allgemeine Versorgung von Begleitverletzungen
Analgesie (nach Erhebung des neurologischen Status) beispielsweise mit Esketamin + Midazolam, alternativ Opioide
Tipp
Lagerung:
Es ist auch immer wichtig, die Lagerung adäquat anzupassen. In diesem Fall empfiehlt sich eine Flachlagerung in vollständiger Immobilisation, um zusätzliche Schäden zu vermeiden.
Transportzeit unter 30 Minuten → Vakuummatratze, ggf. in Kombination mit einer Zervikalstütze oder Spineboard
Transportzeit über 30 Minuten → Vakuummatratze, ggf. in Kombination mit einer Zervikalstütze
Vorliegen einer ankylosierender Erkrankung (z.B. Morbus Bechterew) → Vakuummatratze, ggf. in Kombination mit einer Zervikalstütze
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Besondere Situationen
Neurogener Schock
Definition
Der neurogene Schock gehört zur Gruppe der distributiven Schockformen und beruht auf einer Fehlverteilung des zirkulierenden Blutvolumens. Er kann bei Wirbelsäulenverletzungen oberhalb des 6. Brustwirbelkörpers(Th6) auftreten. Ursache ist der Ausfall der sympathischen Innervation, wodurch es zu einem Überwiegen des Parasympathikus kommt. Klinisch zeigt sich dies in einer Vasodilatation mit Hypotonie und gleichzeitiger Bradykardie.
Parts of the figure were drawn by using pictures from Servier Medical Art. Servier Medical Art by Servier is licensed under a Creative Commons Attribution 3.0 Unported License (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/). Diese Abbildung ist ein Derivat, der oben angegebenen Quelle. Es wurden die Markierungen ergänzt.
Pathophysiologie:
Die sympathische Innervation ist Teil des vegetativen Nervensystems (autonomes Nervensystem) und steuert lebenswichtige Körperfunktionen. Sie verläuft über Nervenfasern aus dem thorakalen und lumbalen Rückenmark.
Funktionen der sympathischen Innervation:
Herzfrequenzsteigerung
Blutdruckerhöhung (Vasokonstriktion)
Bronchodilatation
Pupillenerweiterung (Mydriasis)
Hemmung der Verdauung
Bedeutung bei Wirbelsäulentrauma:
Eine traumatische Läsion oberhalb des Rückenmarksegments Th6 kann zur Unterbrechung der zentralen sympathischen Bahnen führen, was eine dominante parasympathische Wirkung zur Folge hat
Ausfall Sympathikus → neurogener Schock mit peripherer Vasodilatation, Hypotonie und gleichzeitig vorliegenderBradykardie
Therapie:
Allgemeine Therapie des Schocks → weiteres siehe Artikel Schock (RD)
Frühzeitige Gabe von Vasopressoren mittels Perfusor, z.B. Adrenalin
Spinaler Schock
Definition
Der spinale Schock beschreibt das akute Versagen der Rückenmarksfunktion nach einer Schädigung. Unterhalb der Läsion kommt es zu einem vollständigen Funktionsverlust mit schlaffer Lähmung, Sensibilitätsstörungen und Areflexie. Dieses Bild ist typisch für die Anfangsphase eines Querschnittsyndroms und kann sich im Verlauf verändern.
Merkmale:
Schlaffe Lähmung unterhalb der Läsion
Sensibilitätsausfall unterhalb der Läsion
Areflexie (Reflexlosigkeit)
Blasen- und Mastdarmatonie (Urin- und Stuhlverhalt oder unkontrollierter Abgang)
Info
Der spinale Schock ist nicht mit dem neurogenen Schock zu verwechseln, bei dem es sich um eine hämodynamische Komplikation handelt. Allerdings besteht die Gefahr, dass ein spinalerSchockineinenneurogenenSchockübergeht.
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Weitere Therapie im klinischen Setting
Versorgung in der Notaufnahme
In dieser Notlage kann es helfen, sich mental auf die nächsten Schritte vorzubereiten. Dafür ist es ratsam, schon auf der Fahrt zum Krankenhaus zu erklären, wie das weitere Procedere im Krankenhaus aussieht und worauf die Person sich potenziell einstellen muss.
Achtung
Da die Therapie je nach aufnehmendem Krankenhaus und Behandler:in variieren kann, empfiehlt es sich nicht, einen bestimmten Behandlungsweg detailliert zu beschreiben. Eine grobe Skizzierung des weiteren Behandlungspfades reicht völlig aus, um Unsicherheiten zu minimieren. Die weiteren Informationen dienen ausschließlich eurer Information als Fachpersonal!
Info
Schockraum
Die Alarmierung eines Schockraums hängt von vielen Faktoren ab. Bei folgendenBefunden im Rahmen eines Wirbelsäulentraumas und /oderUnfallmechanismen soll eine Schockraumalarmierungzwingenderfolgen:
GCS ≤ 12
Erfolgte Atemwegssicherung
Katecholamingabe
Sturz aus großer Höhe oder Hochrasanztrauma
Polytraumatisierte Patient:innen
Neurologische Ausfälle → Querschnittsymptomatik
Wird die erkrankte Person vom Rettungsteam als kritisch eingestuft, kann eine Schockraumalarmierung auch dann erfolgen, wenn die formalen Kriterien nicht erfüllt sind.
Radiologische Kontrollen:
Ganzkörper-CT (Trauma-CT) mit Wirbelsäulenprotokoll: → Goldstandard bei Hochrasanztrauma, polytraumatisierten Patient:innen oder unklarem Verletzungsmuster → Erfassung der gesamten Wirbelsäule in hoher Auflösung
Zielgerichtetes CT einzelner Abschnitte (z.B. HWS, BWS, LWS): → Bei fokalem Schmerz oder klinischem Verdacht bei stabilem Allgemeinzustand
Konventionelles Röntgen (selten, z.B. bei niedrigem Risikoprofil): → Nur bei klar lokalisiertem Schmerz und niedriger Wahrscheinlichkeit einer instabilen Verletzung → Oft unzureichend zur Beurteilung von Frakturen oder ligamentären Verletzungen
MRT (nicht initial, aber ergänzend bei Bedarf): → Bei neurologischem Defizit, unklarer Rückenmarkssymptomatik oder Verdacht auf Band- bzw. Weichteilverletzungen → Wichtig zum Nachweis von Ödemen, Kontusionen oder diskoligamentären Läsionen
Weitere Versorgung in der Klinik:
Stabile Wirbelsäulenverletzungen werden in der Regel konservativ behandelt:
Halswirbelsäule (HWS): Je nach Befund ist eine freie Nachbehandlung oder eine Ruhigstellung mittels Orthese möglich. Der Verlauf wird mittels Röntgen kontrolliert, bei Bedarf erfolgt zusätzlich eine CT-Diagnostik
Brust- und Lendenwirbelsäule (BWS/LWS): Die Behandlung umfasst eine effektive Analgesie, eine achsgerechte Mobilisation sowie eine engmaschige Verlaufskontrolle im Stehen per Röntgen oder ggf. CT
Bei anhaltenden immobilisierenden Beschwerden kann eine operative Stabilisierung notwendig werden
Instabile Wirbelsäulenverletzungen erfordern in der Regel eine operative Versorgung:
Operation abhängig von der Schwere der Verletzung
Häufig erfolgt eine dorsale Instrumentierung mit einem Schrauben-Stab-System
Bis zur Operation ist eine strikte, achsgerechte Lagerung notwendig
Verletzungen von Rückenmark oder Spinalnerven sind absolute OP-Indikationen:
Es sollte eine schnellstmögliche operative Dekompression des Rückenmarks erfolgen
Gegebenenfalls muss zusätzlich eine Rekonstruktion der Dura vorgenommen werden
Operative Therapiemöglichkeiten
Dorsale Instrumentierung (Fixateur interne): Diese erfolgt zum Beispiel bei Beteiligung der Deckplatte (A3-Fraktur) mit möglicher Schädigung der darüber liegenden Bandscheibe monosegmental, bei Beteiligung von Deck- und Grundplatte (A4) bisegmental
Anteriore Rekonstruktion (Entfernung der Bandscheibe und Ersatz durch einen Platzhalter = Cage): Vor allem bei Schädigung der Bandscheiben teils bei A2 / 3 / 4-Frakturen, wird dieses Verfahren meist zusätzlich zur dorsalen Instrumentierung eingesetzt. Dabei wird über verschiedene Zugangswege die Bandscheibe entfernt, damit die Verknöcherung der benachbarten Wirbelkörper angeregt und durch ventrale Cage-Einlage der Neigungswinkel (Kyphose) lordosierend korrigiert werden kann.
PLIF (posterior lumbar intervertebral fusion): Zugang von dorsal, mit Freilegung des Spinalkanals (Dekompression), Entfernung der betroffenen Bandscheibe(n), Platzhalter-Einbringung (Cages) ins Bandscheibenfach
TLIF (transforminal lumbar interbody fusion): Zugang von dorsal, jedoch durch die Zwischenwirbellöcher ohne Dekompression
XLIF (extreme lateral interbody fusion): mit minimalinvasiverem streng lateral, transpsoatischen Zugang (möglich ca. von Th5-L5, im lumbalen Bereich + Neuromonitoring zum Schutz des Plexus lumbosacralis)
Tipp
Häufig erfolgt eine Stabilisierung bei osteoporotischen Frakturen erweitert, z.B. 2 Wirbelkörper ober- und unterhalb der Fraktur. Ziel: Stabilität + Dekompression + Achse
Wirbelkörperersatz: Bei hochgradiger Zerstörung des Wirbelkörpers kann ein Ersatz infrage kommen. Dieser erfolgt auf BWK- und LWK1-Höhe teils über eine Minithorakotomie (+ Thoraxdrainagen-Einlage), im Bereich von LWK2-4 über einen lateralen Zugang retroperitoneal durch den M. psoas, sowie im darunter liegenden LWS-Bereich meist von anterior. Es handelt sich aufgrund des andernorts erfolgten zweiten Zugangs fast immer um ein zweizeitiges Verfahren nach zuvor von dorsal erfolgter Stabilisierung
Ballon-Kyphoplastie (Einspritzen von Knochenzement zur Analgesie und Aufrichtung des Wirbelkörpers) bei osteoporotischen / -lytischen Frakturen (Kontraindikation: Hinterkantenbeteiligung, da sonst Verlegung des Spinalkanals drohnt)
Zementaugmentation der Schrauben (bei schlechter Knochenqualität z.B. bei Osteoporose zur Verstärkung des Schraubenhaltes)
Tipp
Temporär stabilisierte Segmente ohne Frakturbeteiligung sollten nach erfolgter Frakturheilung wieder freigegeben werden.
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Transport
Die Wahl des Zielkrankenhauses ist abhängig vom individuellen Fall und richtet sich nach der Schwere des Wirbelsäulentraumas, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Idealerweise sollte der Transport in ein geeignetes Traumazentrum mit spezieller Expertise in der Wirbelsäulen- und Neurochirurgie erfolgen
Es sollte auf freie Atemwege geachtet werden und eine ständige Überwachung der Vitalparameter erfolgen. Bei instabiler Kreislaufsituation sollte der Transport unter kontinuierlicher Kreislaufüberwachung und gegebenenfalls medikamentöser Unterstützung erfolgen.
Erfolgt der TransportunterBeatmung, müssen die Beatmungseinstellungen gründlich überwacht und auf den jeweiligen Patient:innenzustand angepasst werden.
Merke
Zusammenfassung Transport
Zielkrankenhaus abhängig von der Schwere des Wirbelsäulentraumas
Idealerweise in ein geeignetes Traumazentrum mit spezieller Expertise in der Wirbelsäulen- und Neurochirurgie
Immobilisation
Zügigen Transport anstreben → Idealerweise 60 Minuten nach Trauma = „Golden Hour“
Schonender Transport → an RTH denken
Bei Bedarf → Schockraum
Achtung
Der Transport mit dem Rettungshubschrauber (RTH) stellt die schonendste Transportmöglichkeit für Patient:innen mit Wirbelsäulentrauma dar. An eine frühzeitige Nachalarmierung sollte daher unbedingt gedacht werden. Die Entscheidung zwischen bodengebundenen und luftgebundenen Transport muss von Fall zu Fall abgewogen werden.
Wie oben bereits erwähnt, sollte die Immobilisierung der Patient:innen vor dem Transport vollständig abgeschlossen sein, damit durch die Bewegungen während des Transports keine weiteren Schädigungen entstehen.
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Prüfungswissen
Zur Zusammenfassung hier die Hard facts, die bei der Examensvorbereitung oder im Einsatz helfen können:
Definition:
Definition
Ein Wirbelsäulentrauma bezeichnet die Verletzung der knöchernen und/oder diskoligamentären Strukturen der Wirbelsäule, die mit oder ohne Schädigung des Rückenmarks bzw. der Spinalnerven einhergehen kann.
Ursachen:
Sturz aus großer Höhe (z.B. von Leitern, Bäumen, Baugerüsten)
Verkehrsunfälle (insbesondere mit Motorrad oder bei Überschlägen)
Stürze auf Treppen oder in der Wohnung (häufig bei älteren Menschen)
Sportunfälle (z.B. Reitunfälle, Kopfsprünge in flaches Wasser)
Direkte Gewalteinwirkungen
Stumpf (z.B. durch Schläge, Explosionen)
Penetrierend (z.B. Messerangriffe, Sturz auf spitze Gegenstände)
Pathophysiologie:
Ein Wirbelsäulentrauma entsteht durch eine äußereGewalteinwirkung auf die Wirbelsäule, die zu einer mechanischenSchädigung von Wirbelkörpern, Bandscheiben, Bändern und/oder des Rückenmarks führen kann. Die daraus resultierenden Schäden lassen sich in primäre und sekundäre Verletzungsmechanismen unterteilen:
Primäre Verletzungen:
Frakturen der Wirbelsäule
Verletzungen des Rückenmarks
Sekundäre Verletzungen:
Ödeme und Blutungen
Ischämie
Neurogener Schock
Funktionsverlust, z.B. Lähmungen → spinaler Schock
Folgen:
Motorische Ausfälle durch Läsion der Pyramidenbahn
Sensorische Störungen durch Schädigung der Nervenfasern im Rückenmark
Das primäre Ziel bei einem Wirbelsäulentrauma besteht in der Verhinderung sekundärer Schäden durch eine stabile Immobilisation der Wirbelsäule+ schonender Transport sowie der Sicherung der Vitalfunktionen, insbesondere bei drohendem oder bestehendem neurogenen Schock.
Kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter
Entkleidung von Patient:innen → Ausschluss von Begleitverletzungen
Allgemeine Versorgung von Begleitverletzungen
Analgesie (nach Erhebung des neurologischen Status)
Operative Therapie → instabile Wirbelsäulenverletzungen oder Verletzungen des Rückenmarks
Transport:
Zielkrankenhaus abhängig von der Schwere des Wirbelsäulentraumas
Idealerweise in ein geeignetes Traumazentrum mit spezieller Expertise in der Wirbelsäulen- und Neurochirurgie
Immobilisation
Zügigen Transport anstreben → Spätestens 90 Minuten nach Verletzung sollen Patient:innen in einer geeigneten Zielklinik sein
Schonender Transport → an RTH denken
Bei Bedarf → Schockraum
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