Das xABCDE-Schema (oder cABCDE-Schema)wird verwendet, um schwerverletzte Patient:innen strukturiert zu untersuchen und zu behandeln. Dabei erfolgt eine Priorisierung nach absteigender Lebensgefahr. Der Untersuchungsgang sollte insgesamt maximal 60-90 Sekunden dauern und durch eine Person angeleitet werden. Probleme sollten möglichst sofort behoben werden. Bei einer Zustandsänderung ist erneut nach dem xABCDE-Schema vorzugehen.
Übersicht
Tipp
In unserer Lernplattform findest du >30 verschiedene Notfallscores und -schemata. Mit dem Gönnjamin- oder Premium-Abo gibt es Zugriff auf alle Artikel zu Notfallscores und -schemata inklusive Download. Jetzt im Shop freischalten und noch effizienter lernen 🚀
Identifikation lebensbedrohlicher äußerer Blutungen, Schuss- oder Stichwunden
Handlungsmaßnahmen:
Blutungskontrolle durch Druckverband, Tourniquet oder Woundpacking
Airway (Atemwege)
Bedeutung:
Inspektion der oberen Atemwege
Identifikation einer Atemwegsverlegung (Stridor, Trachealverschiebung)
Handlungsmaßnahmen:
Freimachen der Atemwege (Kopfreklination, Fremdkörperentfernung, CAVE: HWS-Trauma)
Absaugbereitschaft
Ggf. Atemwegssicherung
Breathing (Belüftung/Atmung)
Bedeutung:
Atemarbeit beurteilen: hören, fühlen, sehen (Thoraxexkursionen, Einsatz von Atemhilfsmuskulatur?)
Auskultation, Perkussion
Atemfrequenz bestimmen
Sauerstoffsättigung messen (Pulsoxymetrie)
Identifikation einer oberen Einflussstauung (Stauung Halsvenen, Zungenuntervene)
Handlungsmaßnahmen:
Sauerstoffgabe
Assistierte/kontrollierte Beatmung
Ggf. Entlastungspunktion/ Thoraxdrainage
Circulation (Kreislauffunktion)
Bedeutung:
Beurteilung von Herzfrequenz, Pulsqualität, Blutdruck
Beurteilung der Rekapillarisierungszeit
Beurteilung der Haut: Kolorit, Temperatur, Feuchtigkeit
Überprüfung der Herzaktivität mittels EKG
Überprüfung der großen Blutungsräume (eFAST)
Handlungsmaßnahmen:
Lagerung
Peripher-venöser Zugang
Volumentherapie
Blutstillung
Disability (neurologische Dysfunktionen)
Bedeutung:
Kontrolle der Pupillenfunktion
Anwendung der Glasgow Coma Scale
BEFAST-Schema
Handlungsmaßnahmen:
Blutzucker messen
Exposure (Umfeldkontrolle)
Bedeutung:
Analyse des Patient:innenumfeldes/äußere Einflüsse
Messung der Körpertemperatur
Identifikation von Begleitsymptomen und Begleitverletzungen mittels Body Check - strukturierte Ganzkörperuntersuchung
Handlungsmaßnahmen:
Entkleidung
Wärmeerhalt
Schutz vor Umwelteinflüssen
Ggf. Analgesie
x – Exsanguination
Das ursprüngliche ABCDE-Schema wurde um das c - Critical Bleeding erweitert, da posttraumatische Blutungen zu den häufigsten Todesursachen gehören und noch vor der weiteren Diagnostik und Therapie behandelt und gestillt werden sollten. Kritische Blutungen werden hierbei nicht erst unter dem Punkt C - Circulation behandelt, sondern direkt zu Beginn. LeichteBlutungen sollten das ABCDE-Schema nicht verzögern und daher erst später behandelt werden.
Info
cABCDE oder xABCDE
Während das c des cABCDE-Schemas für Critical Bleeding (engl. für kritische Blutung) steht, findet man in der Literatur alternativ auch ein x statt des c als xABCDE-Schema. Das x steht dort für Exsanguination (engl. für Ausbluten).
Da es beim cABCDE-Schema häufig zu Verwechslungen zwischen großem und kleinem "C", verwenden wir in der Plattform das xABCDE-Schema.
Zu den kritischen Blutungen gehören alle kreislaufrelevanten Blutungen, wobei insbesondere Rumpf- und Kopfblutungen sowie Blutungen bei Beckenfrakturen ein besonders großes Risiko darstellen.
Folgendes Vorgehen hat sich bei der Versorgung kritischer Blutungen bewährt:
Hochlagerung: bei Extremitätenblutungen
Kompression
Initial manuell mit Handschuhen
Im Verlauf: Druckverband
Wound Packing: Einbringen von Verbandsmaterial ggf. mit Hämostypika (blutstillende Substanzen) in tiefe Wunden, sofern Druckverband keine ausreichende Blutstillung ermöglicht
Anlage einesTourniquet (Abbindungssystem, ähnlich wie ein Gürtel) bei Extremitätenblutungen oder eines Beckengurts bei Beckenfrakturen
Permissive Hypotonie: geringer Blutdruck wird von Behandler:in bei massiver nicht komprimierbarer Blutung toleriert
Je nach klinischem Befund kann von diesem Schema abgewichen werden.
Info
Druckverband
Sterile Kompresse auf die Wunde legen
Zweimal mit einer Mullbinde umwickeln
Nicht saugfähiges Druckpolster auf die Wunde legen (größer als die Wunde)
Restliche Mullbinde umwickeln
Enden der Mullbinde verknoten
Tourniquet
Anlageort: 5 cm proximal der Wunde
Fausregel: So weit distal wie möglich → Um so viel gesundes Gewebe wie möglich zu schonen
Nicht über Gelenke, Wunden oder Frakturen anbringen
Ausreichende Analgesie sicherstellen
Um die Extremität legen und unter Druck schließen (Puls sollte nicht mehr tastbar sein)
Regelmäßige Reevaluation und Entfernung nach spätestens 2 Stunden
A – Airway
Unter dem Buchstaben A - Airway wird die Beurteilung der Atemwege und die Therapie von Störungen im Zusammenhang mit den Atemwegen behandelt.
Zunächst muss das Bewusstsein der Person beurteilt werden. Bei Bewusstlosigkeit und insuffizienterAtmung sollte unverzüglich mit der Reanimation begonnen werden.
Nach der Behandlung oder dem Ausschluss einer kritischen Blutung werden die Atemwege untersucht. Hierbei werden Atemwegsobstruktionen beurteilt. Spricht die Person normal, ist eine kritische Atemwegsobstruktion unwahrscheinlich. Für eine Atemwegsobstruktion sprechen laute Atemgeräusche, inspiratorischer Stridor, paradoxe Atembewegungen und verstärkte Atembewegungen mit dem Einsatz der Atemhilfsmuskulatur. Im Falle einer kritischen Obstruktion, die zu einer Hypoxie führt/führen kann, ist eine Sicherung der Atemwege erforderlich.
Patient:innen ohne Bewusstsein
Atemwege freimachen und erweitern:
Bei Patient:innen ohne Bewusstsein sollte zuerst der Mund geöffnet werden. Anschließend sollten sichtbare Fremdkörperentfernt bzw. Schleim abgesaugt werden. Um die Atemwege zu erweitern, wird der Nackenüberstreckt (nicht bei HWS-Traumata) und das Kinnangehoben.
Atemwege öffnen(Head tilt chin lift maneuver): Kinn nach ventral anheben Kopf nach dorsal neigen
Atemwege offenhalten:
Die Atemwege sollten anschließend durch den Esmarch-Handgriff (manuelles Vorschieben des Unterkiefers) offengehalten werden. Weiterhin sollte eine Sauerstoffgabe und bei insuffizienter Spontanatmung eine Maskenbeatmung erfolgen.
Atemwege offen halten(Esmarch-Handgriff): Hinter Patient:in knien Mit Fingern Kieferwinkel umgreifen Daumen auf vorderem Kiefer platzieren Kopf überstrecken Kiefer anheben und nach vorne schieben
Patient:innen mit erhaltenem Bewusstsein
Patient:innen mit erhaltenem Bewusstsein sollten beruhigt und in eine aufrechte Körperhaltung gebracht werden.
Außerdem sollte eine Inspektion und Fremdkörperentfernung erfolgen. Zu Beginn kann ein Hustenversuch erwogen werden. Bei Verdacht auf eine Fremdkörperaspiration kann dem/der Patient:in fünfmal auf den Rücken zwischen die Schulterblätter geschlagen werden. Weiterhin kann das Heimlich-Manöver durchgeführt werden.
Heimlich-Manöver: Hinter Patient:in stellen Oberbauch mit beiden Händen umfassen Mit einer Hand Faust bilden und in Magengrube legen Mit der anderen Hand Faust umgreifen und ruckartig kräftig und gerade zum eigenen Körper ziehen
Nach Entfernung des Fremdkörpers oder Beseitigung der Obstruktion sollte eine Sauerstoffgabe (bei Oxygenierungsproblemen) und je nach Status der Blutgase eine nicht-invasive Beatmung (NIV: bei Ventilationsproblemen) erwogen werden.
Ursachen
Nach der initialen Atemwegssicherung sollte eine kausale Therapie erfolgen. Bei einer Atemwegsverlegung müssen verschiedene Ursachen differentialdiagnostisch erwogen werden:
Atemwegsverlegung durch die Zunge (z.B. bei Bewusstseinsverlust, Zungenbiss)
Im Rahmen von Unfallereignissen muss frühzeitig am Unfallort beurteilt werden, ob es zu einer Verletzung der Halswirbelsäule gekommen ist. Hierzu wurden Scores, wie die CanadianC-SpineRule (CCR) oder die NEXUS-Kriterien entwickelt. Aufgrund des Risikos einer Querschnittslähmung sollte bei unklarem Befund stets eine Immobilisation erfolgen.
Zu den Kriterien, die eine Verletzung der HWS wahrscheinlicher machen, zählen unter anderem unfallbedingte Nackenschmerzen oder sichtbare Verletzungen oberhalb der Clavicula.
Liegt mehr als ein High-Risk-Factor (Alter über 65 Jahre, Parästhesien der unteren Extremitäten, gefährlicher Unfallmechanismus) vor, sollte eine Bildgebung erfolgen.
Achtung
Bei dem Verdacht auf eine Verletzung der HWS sollte eine Immobilisation erfolgen! Auch bei der Anwendung des Esmarch-Handgriffs sollte der Kopf nicht rekliniert werden.
Zervikalstütze zur Immobilisierung der Halswirbelsäule
Erweitertes Atemwegsmanagement
Im Falle einer schwerwiegenden Atemwegsobstruktion sollten die Atemwege gesichert werden. Hierbei werden vier Möglichkeiten unterschieden:
Assistierte Atmung über Gesichtsmaske
Supraglottische Atemwegshilfen
Endotracheale Intubation
Koniotomie
Maskenbeatmung
Eine reine Maskenbeatmung (nicht-invasive Ventilation) kann bei kurzzeitiger respiratorische Insuffizienz und vor oder zwischen Intubationsversuchen erfolgen. Bei mechanischer Verlegung der oberen Atemwege oder hohem Aspirationsrisiko sollte sie jedoch nicht durchgeführt werden.
vintagelove67, CC BY-SA 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons Die Abbildung ist ein Derivat der oben genannten Abbildung. Es wurden die Beschriftungen ergänzt.
Zur Optimierung der Maskenbeatmung kann die Einlage eines nasopharyngealen (Wendl-) Tubus oder eines oropharyngealen (Guedel-) Tubus erfolgen.
Wendl-Tubus:
Der Wendl-Tubus wird bei leicht eingeschränkter Vigilanz zum Offenhalten der Atemwege verwendet. Dieser sollte nicht bei Nasenblutungen oder Nasenverletzungen gelegt werden.
Wendl-Tubus
Guedel-Tubus:
Der Guedel-Tubus wird bei tief bewusstlosen Patient:innen verwendet, um die Maskenbeatmung zu verbessern. Bei vorhandenen Abwehrreflexen sollte er aufgrund der Aspirationsgefahr nicht gelegt werden.
Guedel-Tubus
Supraglottische Atemwegshilfen
Zu den supraglottischen Atemwegshilfen gehören die Larynxmaske und der Laryxntubus. Diese werden insbesondere zur Atemwegssicherung bei geringem Aspirationsrisiko eingesetzt. Da die Applikation im Vergleich zur endotrachealen Intubation einfacher ist, eignen sich die supraglottischen Atemwegshilfen auch für Anfänger mit wenig Intubationserfahrung. Sie werden daher häufig in der Notfallmedizin verwendet. Allerdings ist das Aspirationsrisiko im Vergleich zum endotrachealen Tubus höher, da der Larynxeingang durch supraglottische Atemwegshilfen nicht vollständig abgedichtet werden kann.
Larynxmaske
Laryxntubus
Endotracheale Intubation
Die endotracheale Intubation ist im Vergleich zu den anderen Maßnahmen deutlich invasiver und schwieriger. Bei einer akuten respiratorischen Insuffizienz sollte sie nur dann erfolgen, wenn eine nicht-invasive Ventilation nicht möglich ist. Die Intubation sollte nur von Helfer:innen mit ausreichender Erfahrung und Routine in diesem Verfahren durchgeführt werden. Bei bewusstlosen Patient:innen mit erhöhtem Aspirationsrisiko, polytraumatisierten Patient:innen mit einem Glasgow-Coma-Scale unter 9, hämodynamischer Instabilität oder einer Sauerstoffsättigung unter 90 % trotz Sauerstoffgabe ist eine endotracheale Intubation indiziert.
Endotracheale Intubation
Koniotomie
Bei der Koniotomie wird das Ligamentum cricothyreoideum medianum durchtrennt, um einen künstlichen Atemweg zu schaffen. Diese kommt zum Einsatz, wenn eine schwerwiegende Atemwegsobstruktion vorliegt und die Patient:innen nicht beatmet und intubiert („cannot ventilate, cannot intubate“) werden können.
Schildknorpel fixieren
Mit Zeigefinger Ligamentum cricothyreoideum (Ligamentum conicum) ertasten
Unter dem Buchstaben B - Breathing ((Be-)Atmung) wird die Untersuchung der Atmung und die Behebung von Ventilations- und Gasaustauschstörungen behandelt. Eine genaue Unterscheidung zwischen A (Airway) und B (Breathing) ist nicht immer möglich.
Eine Störung der Atmung kann oft schon durch die Inspektion festgestellt werden. Die Patient:innen beschreiben das subjektive Gefühl der Dyspnoe. Die Atemfrequenz ist vermindert oder erhöht. Außerdem kommt es häufig zum Einsatz der Atemhilfsmuskulatur. Es besteht eine verminderte Sauerstoffsättigung in der Pulsoxymetrie und ein verminderter Sauerstoffpartialdruck (Hypoxie) sowie ggf. ein erhöhter Kohlendioxidpartialdruck (Hyperkapnie) in der Blutgasanalyse (BGA).
Ursachen
Atemwegsobstruktion
Luft oder Flüssigkeit im Pleuraspalt (Luft: Pneumothorax, Flüssigkeit: Pleuraerguss)
Thoraxtrauma
Lungenarterienembolie
Stoffwechselstörungen, Intoxikationen etc.
Anamnestisch (bzw. fremdanamnestisch) sollten insbesondere der Verlauf der Symptome, Allergien, Nikotinkonsum, Vorerkrankungen (COPD, Asthma, Herzinsuffizienz etc.) und die letzte Nahrungsaufnahme erfragt werden.
Bei einem Atemstillstand oder einer Schnappatmung sollte mit der Reanimation begonnen werden. Im Falle einer Atemwegsobstruktion sind mögliche Fremdkörper zu entfernen und ggf. ein erweitertes Atemwegsmanagement durchzuführen.
Spannungspneumothorax: Entlastungspunktion/Thoraxdrainage Stichverletzung: belassen → Erst intraoperative Entfernung
Sauerstoffgabe
Im Falle einer Hypoxie bei vorhandener Spontanatmung sollte eine Sauerstoffgabe erfolgen. Eine übermäßige Sauerstoffgabe ist dabei jedoch zu vermeiden. Liegt eine chronische Hypoxie vor (z.B. im Rahmen einer COPD), kann auch eine geringere Sauerstoffsättigung um die 90% toleriert werden. Die Sauerstoffgabe sollte an das subjektive Empfinden der Patient:innen und an die Sauerstoffsättigungswerte angepasst werden. Im Falle einer Hypoxie oder Hyperkapnie sollten außerdem regelmäßige Blutgasanalysen durchgeführt werden. Bei Patient:innen mit einer COPD und einer Hyperkapnie sollte die Indikation für eine NIV-Therapie evaluiert werden.
Bei einer geringausgeprägten Hypoxie kann die Sauerstoffgabe über eine Nasenbrille erfolgen. Die inspiratorische Sauerstofffraktion wird hierdurch je nach Zufuhr auf bis zu 40% gesteigert (FiO2 0,24-0,4).
Ist eine Sauerstoffgabe von über 5 Litern erforderlich, so sollte eine Maske appliziert werden. Die Maske sollte den Nasenrücken bedecken und nicht über das Kinn hinausragen.
Ist die Sauerstoffzufuhr weiterhin unzureichend, sollte bei einem Sauerstoffbedarf von mehr als10 Litern eine Sauerstoffmaskemit Reservebeutel verwendet werden. Hierdurch kann ein FiO2 von 0,6-1,0 erreicht werden.
Nicht-invasive Ventilation/Beatmung (NIV)
Bei der NIV erfolgt die Beatmung nicht über einen invasiven Beatmungszugang (z.B. Endotrachealtubus), sondern über eine sehr eng anliegende Maske mit anpassbaren Beatmungsdrücken. Im Gegensatz zur invasiven Beatmung ist bei der NIVkeine tiefe Analgosedierung notwendig. Der Nachteil ist jedoch eine erhöhte Aspirationsgefahr. Die NIV sollte nicht bei fehlender Spontanatmung, Verlegung der Atemwege, Koma, schweren Hypoxien oder einer ausgeprägten Azidose (pH <7,1) angewendet werden.
Indikationen:
Akut exazerbierte COPD mit Hyperkapnie
Akute respiratorische Insuffizienz (z.B. bei neuromuskulären Erkrankungen)
Kardiales Lungenödem (verbessert die Oxygenierung durch Dilatation der Alveolen)
Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Arterielle Blutgasanalyse (siehe BGA)
Pulsoxymetrie + venöse BGA
FAST-Sonographie
Labordiagnostik: Entzündungswerte, Elektrolyte etc.
Blutkulturen bei Verdacht auf einen Infekt vor Antibiotikagabe
Bei Polytrauma: Ganzkörper-CT
Ggf. Röntgen-Thorax
Differentialdiagnosen Dyspnoe
Für das Leitsymptom Dyspnoe gibt es einige Differentialdiagnosen, die es zu bedenken und abzuklären gilt. In der Übersicht findet ihr stark vereinfacht (!) die wichtigsten Differentialdiagnosen, deren Leitsymptome und Therapie.
Der Buchstabe C - Circulation umfasst die Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems und die Behandlung von Störungen des Herz-Kreislauf-Systems. Hierunter fallen auch Blutungen, die nicht bereits unter c (Critical Bleeding) behandelt wurden.
Wie immer werden bei der Beurteilung des Kreislaufs zuerst Bewusstsein, Atmung und Puls der Patient:innen überprüft. Bei fehlender Atmung oder Pulslosigkeit sollte im Fall einer Bewusstlosigkeit mit der Reanimation begonnen werden.
Ist dies nicht der Fall, sollte nach Ausschluss bzw. Therapie eines A- oder B-Problems der Kreislauf untersucht werden. Mögliche Hinweise auf eine Minderdurchblutung:
Kalte Extremitäten
Tachypnoe
Blasses/marmoriertes Hautkolorit
Vigilanzminderung
Äußere Blutung oder Hämatom als Hinweis auf eine innere Blutung
Diagnostik
Zur Objektivierung und weiteren Abklärung der Befunde sollte folgende Diagnostik erfolgen:
Blutdruck:
Normwert: 120-139 mmHg systolisch und 80-89 mmHg diastolisch. Bei einer Herzinsuffizienz können auch niedrigere Werte bis um die 100 mmHg systolisch toleriert werden. Die Werte sollten in Zusammenschau mit den klinischen Befunden und Vorwerten der Patient:innen interpretiert werden.
Puls:
Normwert: 60-100 Schläge/Minute
<60/min: Bradykardie
>100/min: Tachykardie
Elektrokardiogramm
Pulsoxymetrie
Rekapillarisierungszeit
Überprüfung der Rekapillarisierungszeit
D – Disability
Unter dem Buchstaben D - Disability werden die Untersuchung des neurologischen und psychiatrischen Status und die Behandlung neurologischer oder psychiatrischer Problemen beschrieben.
Basisdiagnostik
Zur weiteren Abklärung neurologischer oder psychiatrischer Auffälligkeiten sollte, sofern nicht bereits unter A, B oder C erfolgt, eine Basisdiagnostik durchgeführt werden:
Monitoring: Vitalparameter, EKG, Körpertemperatur (Infektion als Ursache einer Vigilanzminderung, Ausschluss einer Meningitis)
BGA:Glucose (Hypoglykämie kann einen Schlaganfall vortäuschen); Elektrolyte (insbesondere Hyponatriämie und Hypercalcämie)
Drogentests/Abklärung einer möglichen Intoxikation (z.B. Bestimmung von Atemalkohol und Ethanol im Serum)
Labordiagnostik:kleines Blutbild, Transaminasen, Ammoniak (hepatische Enzephalopathie), Kreatinin (Nierenversagen), CRP (Infektion), Blutkulturen bei Infektionsverdacht (vor dem Beginn einer Antibiose)
Bei ungeklärter Ursache nach Sichtung der Basisdiagnostik: CT-Angiographie, Schädel-CT (cCT)
Bei fehlenden radiologischen Hinweisen auf einen erhöhten Hirndruck ggf.: Lumbalpunktion
Tipp
Eine fokussierte neurologische Untersuchung kann wichtige differentialdiagnostische Hinweise geben und sollte von allen Fachdisziplinen beherrscht werden.
Tipp
Neben einem Schlaganfall sollte differentialdiagnostisch auch immer an eine Hypoglykämie, Intoxikation oder Drogeneinnahme gedacht werden.
Achtung
Eine Lumbalpunktion sollte erst nach CT-graphischem Ausschluss eines erhöhten Hirndrucks erfolgen, da sonst eine Einklemmung des Hirnstamms resultieren kann!
Quantitative Bewusstseinsstörung
Bei den quantitativen Bewusstseinsstörungen wird die Wachheit (Vigilanz) der Patient:innen beurteilt:
Somnolenz: Patient:in erweckbar, bleibt bei Ansprache wach, rasches Einschlafen
Sopor: Patient:in erweckbar, bleibt bei Ansprache nicht wach
Koma: Patient:in nicht erweckbar
Zur objektiven Klassifikation bei Schädel-Hirn-Traumata (SHT) wurde die Glasgow-Coma-Scale (GCS) entwickelt. Bei dieser werden drei Kategorien (Augenöffnen, verbale Reaktion und motorische Reaktion) getestet. Die Punkte der besten jeweiligen Reaktion werden addiert (3-15 Punkte). Je geringer die Punktzahl, desto schwerwiegender die Vigilanzminderung.
Augenöffnen
Spontan
4
Auf Ansprache/Geräusch
3
Augenöffnen auf Schmerzreiz
2
Keine Reaktion
1
Beste verbale Reaktion
Orientiert zu Person, Ort und Zeit
5
Desorientiert, aber konversationsfähig
4
Unzusammenhängende, aber verständliche Wörter
3
Unverständliche Laute (Stöhnen/Ächzen)
2
Keine Reaktion
1
Beste motorische Reaktion
Befolgt Aufforderungen
6
Reagiert gezielt auf Schmerzreiz
5
Reagiert ungezielt auf Schmerzreiz
4
Reagiert mit abnormaler Beugereaktion des Arms auf Schmerz
3
Reagiert mit Streckung des Arms im Ellenbogen auf Schmerz
2
Keine Reaktion
1
Im Falle einer Vigilanzminderung steht die Optimierung der Vitalparameter an erster Stelle. Liegt eine schwerwiegende Bewusstseinsstörung ohne Atmung oder Puls vor, sollte mit der Reanimation begonnen werden.
Bei einer quantitativen Bewusstseinsstörung sollte die zuvor dargestellteBasisdiagnostik und anschießend eine zielgerichtete Therapie erfolgen.
Qualitative Bewusstseinsstörung
Bei einer qualitativen Bewusstseinsstörung liegt eine Beeinträchtigung der Psyche ohne Vigilanzminderungvor.
Orientierung
Zeit
Ort
Person
Situation
Merk- und Erinnerungsfähigkeit
3 Begriffe merken und nach 3 Minuten abfragen
Wiederkehrende Fragen der Person
Psychomotorik
Hyperaktivität
Hypoaktivität
Wahrnehmungsstörungen
Halluzinationen
Denkstörungen
z.B. Wahnideen, Ideenflucht
Qualitative Bewusstseinsstörungen können psychiatrische, aber auch diverse internistische Ursachen haben. Stehen Wahrnehmungs- und Denkstörungen im Vordergrund, spricht dies für das Vorliegen einer Psychose. Eine Eigen- oder Fremdgefährdung sollte abgeklärt werden. Besteht eine internistische Erkrankung (z.B. Infekt), kann dies auf ein Delir hindeuten. In diesem Fall sollte die ursächliche Grunderkrankung therapiert werden.
Info
Prüfung der Orientierung (ZOPS)
Für eine grobe Prüfung der Orientierung empfiehlt sich die Abfrage von Zeit, Ort, Person und Situation (ZOPS). Folgende Fragen können gestellt werden:
Welches Datum haben wir heute/Wochentag/Jahreszeit?
Wo sind wir grade? Wie heißt das Krankenhaus? In welcher Stadt befinden wir uns?
Könnten Sie mir bitte einmal Ihren Vor- und Nachnamen und Ihr Geburtsdatum nennen?
Warum sind Sie zu uns gekommen?
Hierbei sollte der/die Patient:in respektvoll gefragt werden. Beispielsweise kann erwähnt werden, dass dies Standardfragen sind.
Eigengefährdung oder Fremdgefährdung:
Bei dem Verdacht auf eine Eigengefährdung sollte gezielt nach Suizidalität, selbstverletzendem Verhalten und Substanzmissbrauch gefragt werden. Es sollte weiterhin auf eine Fremdgefährdung geachtet werden. Hierbei gilt es, neben dem Schutz anderer Patient:innen auch auf den Eigenschutz zu achten.
Akutes fokal-neurologisches Defizit
Ein fokal-neurologisches Defizit beschreibt einen Funktionsverlust des Nervensystems, der sich fokal, also im Seiten- oder Höhenvergleich, zeigen kann. Das Defizit kann dem Innervationsgebiet eines Nervs oder einem Kortexareal zugeordnet werden. Tritt der Funktionsverlust akut auf und kann einer Läsion des ZNS zugeordnet werden, sollte so schnell wie möglich eine Diagnostik erfolgen.
Bei einem fokal-neurologischen Defizit spielt die neurologische Untersuchung eine wichtige Rolle. Die Befunde sollten immer im Seitenvergleich interpretiert werden. Ein einseitig pathologischer Befund spricht für eine Schädigung im Gehirn, während eine beidseitige Symptomatik auf eine Rückenmarksschädigung hinweist.
Sprache
Artikulation und Sprachverständnis
Aphasie (= keine Sprachproduktion), Dysarthrie (= gestörte Artikulation)
Reflexe abgeschwächt oder gesteigert, positiver Babinski-Reflex
Stand- und Gangprüfung
Romberg-Stehversuch
Schwanken oder Fallneigung
Die ausführliche neurologische Untersuchung erfordert viel Erfahrung. Mit ein wenig Übung lassen sich akut behandlungsbedürftige Krankheitsbilder jedoch auch als Anfänger:in erkennen.
Der Armhalteversuch eignet sich zur groben Einschätzung bei Verdacht auf einen Schlaganfall. Hierbei hält der/die Patient:in beide Arme mit den Handflächen nach oben ausgestreckt vor sich. Das Absinken eines Armes oder die Pronation einer Hand sind Anlass zur weiteren Abklärung.
E – Exposure
Unter dem Buchstaben E - Exposure oder auch Environment werden mehrere allgemeine Punkte zusammengefasst. Nachdem akut lebensbedrohliche Zustände ausgeschlossen wurden (cABCD), gilt es, die Untersuchungen zu vervollständigen und die Verdachtsdiagnose(n) zu hinterfragen. Bei einer Verschlechterung des Patient:innenenzustandes sollte das Schema erneut durchgeführt werden.
Entkleiden: komplette Entkleidung der Person zur Ganzkörperuntersuchung
Reevaluation der Verdachtsdiagnose(n)
Identifikation von Begleitverletzungen und weiteren Befunden
Sterile Versorgung von Wunden
Environment: Schutz vor Umwelteinflüssen
Wärmeerhalt: z.B. Wärmedecken zur Vermeidung oder Therapie einer Hypothermie oder Kühlung bei Hyperthermie
Analgesie: ausreichende Schmerztherapie
Sicherung der Unfallstelle/Eigenschutz: Straßensperrung, Chemikalien sichern, Infektionsschutzmaßnahmen etc.
Ausführliche Eigen- und Fremdanamnese:siehe SAMPLERS-Schema und OPQRST-Schema
Fallbeispiel
Für ein praktisches BGA-Fallbeispiel zum Üben der BGA-Auswertung siehe: BGA-Fallbeispiel 3
Für ein praktisches BGA-Fallbeispiel zum Üben der BGA-Auswertung siehe: BGA-Fallbeispiel 4
Als Einstieg in die Krankheitsbilder findest du im Bereich Rettungsdienstleicht, regelmäßig Fallbeispiele, in denen das xABCDE-Schema genutzt wird. Diese veranschaulichen das Schema anhand eines konkreten Behandlungsanlasses und machen es leicht, es für die spätere Anwendung zu lernen.