Zusammenfassung
Zystische Nierenerkrankungen umfassen eine Vielzahl von Krankheitsbildern, die durch die Bildung von Zysten in den Nieren gekennzeichnet sind.
Einfache Nierenzysten sind die häufigsten zystischen Veränderungen und stellen meist asymptomatische, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume dar, die keinen Bezug zu systemischen Erkrankungen haben und selten therapiebedürftig sind.
Zu den polyzystischen Nierenerkrankungen gehört die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD), die selten ist und bereits im Kindesalter mit kleinen Zysten und kongenitaler Leberfibrose zu terminalem Nierenversagen führen kann. Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) tritt hingegen im Erwachsenenalter auf, ist durch große, multiple Zysten gekennzeichnet und geht häufig mit extrarenalen Manifestationen wie Leberzysten
Die Markschwammniere ist eine seltene, sporadische Entwicklungsstörung mit kleinen Zysten und Verkalkungen im Nierenmark
Der Nephronophthise-Komplex umfasst die juvenile Nephronophthise (NPH), die häufigste genetische Ursache für terminales Nierenversagen im Kindes- und Jugendalter, sowie die medullär-zystische Nierenerkrankung (MCKD), die sich im Erwachsenenalter manifestiert. Beide sind durch kleine Zysten an der Mark-Rinden-Grenze und eine fortschreitende Verschlechterung der Nierenfunktion gekennzeichnet, wobei extrarenale Manifestationen wie Retinopathie oder Leberfibrose auftreten können.
Einteilung der Nierenzysten
- Einteilung nach Ätiologie:
- Erworbene zystische Nierenerkrankungen: häufig bei bei chronischer Nierenerkrankung (CKD
), insbesondere bei Schrumpfnieren - Einfache Nierenzysten (solitär oder multiple)
- Erworbene zystische Nierenerkrankung (Aquired cystic kidney disease (ACKD)
- Nicht-erblich bedingte angeborene zystische Nierenerkrankungen
- Markschwammniere
- Multizystische Nierendysplasie
- Zystische Nierendysplasie bei fetaler Obstruktion des unteren Harntrakts
- Erblich bedingte zystische Nierenerkrankungen
- Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD; adulte Form)
- Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD; infantile Form)
- Nephronophthise-Komplex: juvenile Nephronophtise, medulläre zystische Nierenerkrankung (MCKD)
- Erworbene zystische Nierenerkrankungen: häufig bei bei chronischer Nierenerkrankung (CKD
- Einteilung nach Lokalisation der Zysten:
- Kortikale Zysten
- Medulläre Zysten
- Perirenale Zysten
- Parapelvine Zysten
- Einteilung nach Morphologie:
- Solitäre Zysten
- Multiple Zysten
- Unilokuläre Zysten: Zysten mit einem Hohlraum
- Multilokulare Zysten: gekammerte Zysten mit mehreren, durch Septen getrennten Hohlräumen
- Einteilung nach Assoziation mit extrarenalen Manifestationen:
- Isolierte zystische Nierenerkrankungen
- Syndromale zystische Nierenerkrankungen, z.B. bei Senior-Løken-Syndrom oder Joubert-Syndrom
Einfache Nierenzysten
DefintionEinfache Nierenzysten sind umschriebene, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume in der Niere, die nicht im Zusammenhang mit einer systemischen Erkrankung stehen. Der Zysteninhalt besteht hierbei aus einer klaren, serösen Flüssigkeit. Sie treten uni- oder bilateral sowie solitär oder multipel auf und sind meist in der Nierenrinde
lokalisiert.
Epidemiologie
- Häufigste Raumforderung
der Niere mit Vorkommen bei bis zu 50% der Bevölkerung - Steigende Prävalenz mit zunehmendem Alter, insbesondere >50 Jahre
Ursachen
- Die genaue Ursache der Entstehung von Nierenzysten ist noch nicht vollständig geklärt
- Vermutet werden sporadische fokale Entwicklungsstörungen im Nephron
InfoRisikofaktoren für einfache Nierenzysten
- Alter: Prävalenz mit zunehmendem Alter steigend, im Alter von >50 Jahren liegt sie bei >30%
- Männliches Geschlecht: Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen (Verhältnis ca. 2:1)
- Chronische Nierenerkrankung
(CKD ): Prävalenz bis zu 80%
Pathologie
Makroskopische Merkmale:
- Umschriebene, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, unilokular (= ein Hohlraum) oder multilokular (= mehrere, durch fibröse Septen getrennte Hohlräume), i.d.R. runde bis ovale Form
- Solitäre Zysten befinden sich meist in der Nierenrinde
, selten auch im Nierenmark - Zysteninhalt aus einer klaren, serösen Flüssigkeit
Mikroskopische Merkmale:
- Zystenwand ausgekleidet mit einem einfachen, flachen bis kubischen Epithel
Bosniak-Klassifikation
Die Bosniak-Klassifikation ist ein System zur Einstufung von Nierenzysten basierend auf ihrer Morphologie in bildgebenden Verfahren. Sie hilft dabei, das Risiko einer malignen Entartung zu bewerten und die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung oder Behandlung zu entscheiden.
Bosniak-Typ | Definition | Konsequenz |
---|---|---|
I | Benigne, unkomplizierte Nierenzyste ohne Septierungen | - |
II | Benigne, gering komplizierte Nierenzyste mit vereinzelten dünnen Septierungen | - |
IIF | Komplizierte Nierenzyste mit leicht verdickten Septierungen, i.d.R. benigne | → Follow up Kontrolluntersuchung nach 3-6 Monaten |
III | Komplizierte Nierenzyste mit verdickten Septierungen, 50% maligne | → Operative Abklärung |
IV | Zystisches Malignom mit soliden Gewebsanteilen | → IMMER operative Entfernung |
MerkeMerkmale komplizierter (= malignomverdächtiger) Nierenzysten (Beispiele)
- Verkalkungen
- Multiple Hohlräume (= multilokulare Zysten)
- Unscharf oder unregelmäßig verdickte Zystenwand oder Septen
- Inhomogenes Binnenecho
- Kontrastmittel-aufnehmende irreguläre oder noduläre Weichteilkomponente, Septenabschnitte, solide Anteile
- Unregelmäßige Begrenzung
- Vaskularisierte Areale
Klinik
- I.d.R. asymptomatischer Zufallsbefund
- Bei großen Zysten (selten):
- Kompression der ableitenden Harnwege mit Rückstau des Harns und konsekutiver Hydronephrose: Flankenschmerzen
- Zysteneinblutung oder -ruptur: Hämaturie
Diagnostik
- Sonografie der Niere
: - Echofreie, scharf begrenzte, runde bis ovale Zysten mit dorsaler Schallverstärkung
- Ausschluss vaskularisierter Areale bei komplexen Zysten in der Duplex-Sonografie
- CT
/MRT: Indikation nur bei malignitätsverdächtigen Zysten (z.B. Verkalkungen, unregelmäßige Begrenzung oder Septierungen, inhomogenes Binnenecho) - Flüssigkeitsisodense bzw. -isointense, glatt begrenzte Raumforderungen ohne Kontrastmittelaufnahme
- Bei vorhandener Kontrastmittelaufnahme: Verdacht auf maligne Entartung (!)

"Renal cyst ultrasound 110314111513 1119220.jpg" von © Nevit Dilmen, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. Das identische Bild wurde rechts mit Markierung, Beschriftung und Pfeilen versehen hinzugefügt.

“Renal cyst MRI.jpg” von Ptrump16, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons. Das identische Bild wurde rechts mit Markierung, Beschriftung und einem Pfeil versehen hinzugefügt.
Differentialdiagnosen (Auswahl)
- Zystische Malignome der Nieren: z.B. mit irreguläre Wand-/Septenverdickung, Kontrastmittel aufnehmenden Strukturen, unregelmäßiger Begrenzung
- Andere Raumforderungen der Nieren: z.B. Nierenzellkarzinom
(NCC ) - Erste Zysten einer polyzystischen Nierenerkrankung
Therapie
- Asymptomatische Zysten:
- I.d.R. keine Therapie oder Kontrollen nötig
- Bei Bosniak IIF-Zysten: regelmäßige Verlaufskontrollen alle 3-6 Monate
- Symptomatische oder große, rupturgefährdete Zysten: Punktion + ggf. Sklerosierung
- Bei Therapieversagen: laparaskopische Zystenfenestrierung
- Malignitätsverdächtige Zysten ab Bosniak III oder bei Komplikationen: operative Entfernung
Komplikationen
- Zysteneinblutung oder -ruptur
- Zysteninfektion
- Maligne Entartung
- Kompression Nachbarstrukturen z.B. ableitende Harnwege
- Erworbene zystische Nierenerkrankung (Aquired cystic kidney disease (ACKD): Maximalvariante erworbener Nierenzysten mit polyzystischen Nieren, insbesondere bei vorbestehender dialysepflichtiger, chronischer Nierenerkrankung (CKD
) - Mit erhöhtem Risiko für Nierenzellkarzinome
(NCC )
- Mit erhöhtem Risiko für Nierenzellkarzinome
MerkeEinfache Nierenzysten bleiben meist lebenslang asymptomatisch. Komplikationen wie eine Zysteninfektion, -einblutung oder -ruptur sind selten und lassen sich meist gut behandeln.
Polyzystische Nierenerkrankung
DefinitionPolyzystische Nierenerkrankungen (PKD) sind erbliche und nichterbliche, angeborene Erkrankungen, die durch multiple, flüssigkeitsgefüllte Zysten in einer oder beiden Nieren gekennzeichnet sind. Die zahlreichen Zysten können im Verlauf zu einer progredienten Deformation der Nieren führen und je nach Ausprägung in eine chronische Nierenerkrankung
(CKD ) bis hin zum terminalen Nierenversagen münden.
AchtungPolyzystische Nierenerkrankungen sind ursächlich für circa 10% der chronischen Nierenerkrankungen (CKD
)!
Potter-Klassifikation
Die Potter-Klassifikation teilt polyzystische Nierenerkrankungen basierend auf genetischen Ursachen und klinischen Merkmalen in vier Typen ein:
- Potter 1: Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARKPD), sog. infantile Form
- Potter 2a: Multizystische Nierendysplasie mit Nierenvergrößerung
- Potter 2b: Multizystische Nierendysplasie mit Nierenverkleinerung
- Potter 3: Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), sog. adulte Form
- Potter 4: Zystische Nierendysplasie bei fetaler Obstruktion des unteren Harntrakts
Übersicht über polyzystische Nierenerkrankungen
WHO-Bezeichnung | Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARKPD) (infantile Form) | Mulitizystische Nierendysplasie | Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADKPD) (adulte Form) | Zystische Nierendysplasie bei fetaler Obstruktion des unteren Harntrakts |
---|---|---|---|---|
Potter-Typ | Potter 1 | Potter 2
| Potter 3 | Potter 4 |
| ||||
Ursache | Hereditäre Mutation des PKHD1-Gens auf Chromosom 6 → dysfunktionale Zilienmembran-Proteine → exzessive Proliferation des Epithels des distalen Tubulus und Sammelrohres mit Zystenbildung | Sporadische, embryonale Entwicklungsstörung der Ureter | Hereditäre Mutation v.a. des PKD1-Gens auf Chromosom 16 → dysfunktionale Zilienmembran-Proteine → exzessive Proliferation des Nephronepithels mit Zystenbildung | Sekundär bei fetalen Obstruktionen des unteren Harntrakts nach Nierenanlage → intraluminaler Druck↑ aufgrund des Harnstaus → druckbedingte Zystenbildung |
Erstmanifestation | Pränatal bis Kindesalter | Pränatal bis Kindesalter, jedoch selten symptomatisch | Erwachsenenalter (v.a. 30-50 Jahre) | Pränatal bis Kindesalter |
Verlauf | Schwerer Verlauf mit Nierenversagen und infauster Prognose bereits im Kindesalter | I.d.R. normale Lebenserwartung | Nierenversagen im Erwachsenenalter (40-70 Jahre) | Variabel: asymptomatisch bis akutes Nierenversagen |
Nierenbefall | Bilateral | I.d.R. unilateral, selten bilateral | Bilateral | Uni- oder bilateral |
Leberbefall |
| - |
| - |
Zystengröße | Uniforme, kleine Zysten | Variabel | Variabel | Variabel |
Merkmale |
|
|
|
|
Therapie |
|
|
|
|
Merke
- Die ARPKD (Potter 1) ist eine seltene erbliche Nierenerkrankung mit schwerem, rasch-progredienten Verlauf und frühem Nierenversagen im Kindesalter
- Die multizystische Nierendysplasie (Potter 2) ist die häufigste Ursache für eine einseitige Nierenvergrößerung bei Neugeborenen
- Die ADPKD (Potter 3) ist die häufigste erbliche Nierenerkrankung, gekennzeichnet durch einen langsam-progredienten Verlauf und Nierenversagen im Erwachsenenalter
- Ein Hinweis auf eine zystische Nierendysplasie bei fetaler Obstruktion des unteren Harntrakts (Potter 4) ist ein Oligohydramnion
in der Schwangerschaft
In den folgenden Unterkapiteln sind die hereditären polyzystischen Nierenerkrankungen ausführlicher dargestellt.
Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung
DefintionDie autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD), ist eine bilateral auftretende, seltene, infantile Form der hereditären polyzystischen Nierenerkrankungen mit schwerem, rasch-progredienten Verlauf und frühem Nierenversagen im Kindesalter.
Epidemiologie
- Selten, Prävalenz ca. 1:20.000 bis 1:40.000 Lebendgeburten
- Manifestation meist schon vor der Geburt
oder im Säuglingsalter
Ursachen
Autosomal-rezessive Mutation im PKHD1-Gen auf Chromosom 6 → dysfunktioniales Zilienmembran-Protein Fibrocystin→ Fehlfunktion der Zilien des Tubulus- und Sammelrohrepithels → gestörte Signalweiterleitung und exzessive Proliferation des Epithels des distalen Tubulus und Sammelrohrs → progrediente Zystenbildung
InfoPKHD1 kodiert für das Protein Fibrocystin, das sowohl in den Nieren als auch in den Gallengängen exprimiert wird und sich dort in Form einer Proliferation der Gallengänge mit konsekutiver Leberfibrose manifestiert.
Pathologie
Makroskopische Merkmale:
- Nieren: Bilateral vergrößerte, z.T. deformierte Nieren mit multiplen, kleinen, gleichmäßig großen Zysten mit fibröser Kapsel
- Leber
: höckrige Leberoberfläche

Figure out Rajanna DK, Reddy A, Srinivas NS, Aneja A. Autosomal recessive polycystic kidney disease: antenatal diagnosis and histopathological correlation. J Clin Imaging Sci. 2013 Mar 29;3:13. doi: 10.4103/2156-7514.109733. PMID: 23814685; PMCID: PMC3690676.
Mikroskopische Merkmale:
- Nieren:
- Dilatation und Proliferation der distalen Tubuli und Sammelrohre
- Zysten ausgekleidet mit abgeflachtem bis kubischem Epithel
- Interstitielle Fibrose und Entzündung
- Leber
: - Dilatierte Gallengänge und fibrotischer Umbau des Leberparenchyms
Klinik
- Ausladendes Abdomen
- Typische "Potter-Fazies" bei Kindern: Epikanthus, Hypertelorismus, tiefsitzende Ohren, Mikrogenie
- Oft respiratorische Symptomatik bis akutes respiratorisches Lungenversagen (ARDS) aufgrund eines raumforderungsbedingten bilateralen Zwerchfellhochstands und/oder kongenitaler Lungenhypoplasie
- Symptome einer chronischen Nierenerkrankung: arterielle Hypertonie
, renale Anämie, ggf. Hämaturie, Proteinurie - ~90% kongenitale Leber
- und Gallengangsfibrose und Leberzysten - Ggf. Pankreaszysten. Herzinsuffizienz
Diagnostik
- Körperliche Untersuchung: ausladendes Abdomen, regelmäßige Blutdruckkontrollen (!)
- Labor: Nierenretentionsparameter↑, Transaminasen
↑, ggf. Hämaturie - Sonografie der Nieren
und der Leber : - Vergrößerte Nieren mit inhomogener, diffus verstärkter Echogenität aufgrund der echoreichen fibrösen Kapseln von zahlreichen kleinen, fusiformen, echofreien Zysten → Pfeffer-Salz-Muster
- Hyperechogene Leber
- Röntgen: ausladendes Abdomen, vergrößerte Nieren, bilateraler Zwerchfellhochstand, ggf. Lungenhypoplasie
- CT
: hypodenses Nierenparenchym - Ausscheidungsurogramm
- Genetische Untersuchung: Nachweis von Mutationen im PKHD1-Gen zur Diagnosesicherung und Abschätzung der Prognose
AchtungEin massives, ausladendes Abdomen bei einem Neugeborenen mit respiratorischen Problemen und bilateralem Zwerchfellhochstand sollte immer den Verdacht auf eine ARPKD lenken.

Figure out Kim JT, Hur YJ, Park JM, Kim MJ, Park YN, Lee JS. Caroli's syndrome with autosomal recessive polycystic kidney disease in a two month old infant. Yonsei Med J. 2006 Feb 28;47(1):131-4. doi: 10.3349/ymj.2006.47.1.131. PMID: 16502495; PMCID: PMC2687570. Das identische Bild wurde unten mit Markierung, Beschriftung und Pfeilen versehen hinzugefügt.
Therapie
- Keine kausale Therapie möglich
- Behandlung der Nieren- und Leberfunktionsstörungen und adäquate Blutdruckeinstellung
- Vermeidung nephrotoxischer Substanzen
- Bei Komplikationen durch Raumforderung
ggf. bilaterale Nephrektomie mit anschließender Dialysepflichtigkeit - Bei terminalem Nierenversagen: Dialyse
oder Nierentransplantation - Bei massivem raumforderndem Effekt der Zysten kann bereits eine perinatale Intervention indiziert sein (z. B. Zystenpunktion zur Druckentlastung).
MerkeDie Prognose der ARPKD ist infaust und es kommt bereits im Kindesalter zum Nierenversagen. Die Lebenserwartung reicht von wenigen Monaten bei früher Erstmanifestation bis zu 10 Jahren bei später Erstmanifestation und frühzeitigem Therapiebeginn reichen kann.
MerkeRegelmäßige Blutdruckkontrollen und die Vermeidung nephrotoxischer Substanzen
sind essenziell, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und Komplikationen zu minimieren.
InfoDie Prognose der ARPKD ist stark abhängig vom Manifestationszeitpunkt und der Schwere der hepatorenalen Beteiligung. Frühmanifestationen führen meist innerhalb der ersten Lebensmonate zum Tod. Bei später Manifestation und frühzeitiger Therapie kann die Lebenserwartung bis ins Jugendalter reichen.
Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung
DefintionDie autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), ist eine bilateral auftretende, häufige, adulte Form der hereditären polyzystischen Nierenerkrankungen mit langsam-progredientem Verlauf und Nierenversagen im Erwachsenenalter.
Epidemiologie
- Häufigste erbliche Nierenerkrankung, ca. 1:1000 Personen weltweit betroffen
- Manifestation meist im Erwachsenenalter (v.a. 30-50 Jahre)
Ursachen
Mutation im PKD1-Gen (85% der Fälle) auf Chromosom 16 oder PKD2 (15% der Fälle) auf Chromosom 4 → dysfunktionale Zilienmembran-Proteine Polycystin 1 bzw. Polycystin 2 → Fehlfunktion der Zilien des Nephronepithels → gestörte Signalweiterleitung und exzessive Proliferation des Epithels aller Segmente der Nephrone → progrediente Zystenbildung
InfoDie Zilienmembran-Proteine Polycystin 1 und Polycystin 2 werden auch in den Gallengängen exprimiert. Eine Mutation manifestiert sich bei der ADPKD ebenso in Form einer Proliferation der Gallengänge mit konsekutiver Leberfibrose.
AchtungPKD1-Mutationen führen zu circa 85% zu einem schwereren Verlauf mit früherer Erstmanifestation und schnellerer Progredienz, wodurch terminales Nierenversagen etwa 20 Jahre früher eintritt als bei PKD2-Mutationen. Terminales Nierenversagen tritt bei PKD1-assoziierter ADPKD im Mittel mit 55 Jahren, bei PKD2-assoziierter ADPKD hingegen mit ca. 75 Jahren ein.
Pathologie
Makroskopische Merkmale
- Bilateral vergrößerte Nieren mit multiplen, variabel großen Zysten mit fibröser Kapsel

- Linkes Bild: “Kiney with multiple cysts, some with old and more recent haemorrhage.jpg” von Narraburra, CC0, via Wikimedia Commons
- Rechtes Bild: “Polycystic kidney.jpg” von Narraburra, CC0, via Wikimedia Commons
Mikroskopische Merkmale
- Nieren:
- Dilatation und Proliferation aller Segmente der Nephrone
- Zysten ausgekleidet mit abgeflachtem bis kubischem Epithel
- Interstitielle Fibrose und Entzündung
- Leber
: - Bei Leberbefall: dilatierte Gallengänge und fibrotischer Umbau des Leberparenchyms

“Polycystic kidney disease -- 2 - very low mag.jpg” von Nephron, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons. Das identische Bild wurde rechts mit Markierung und Beschriftung versehen hinzugefügt.
Klinik
- Oft jahrelang asymptomatisch
- Chronische abdominelle Schmerzen durch raumforderungsbedingte Kompression anderer Organe
- Arterielle Hypertonie
durch AKtivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron -Systems (RAAS ) - Symptome einer chronischen Nierenerkrankung: renale Anämie, ggf. Hämaturie, Proteinurie
- Symptome durch raumforderungsbedingte Kompression anderer Organe: z.B. abdominelle Schmerzen, Obstruktionen
- ~50% Leberzysten
, seltener Zysten in anderen Organen z.B. in Pankreas , Ovarien, Hoden , Milz, Lunge - ~50% Aneurysmen, z.B. Hirnbasisaneurysmen mit Risiko für Subarachnoidalblutungen (SAB
), Kolondivertikel - ~25% Herzvitien, z.B. Aortenklappeninsuffizienz
, Mitralklappenprolaps
AchtungArterielle Hypertonie
ist das häufigste Erstsymptom der ADPKD, tritt oft Jahre vor der Diagnose auf und erfordert eine frühzeitige Behandlung zur Verzögerung der Krankheitsprogredienz.
Diagnostik
- Körperliche Untersuchung: tastbare abdominelle Raumforderung
, regelmäßige Blutdruckkontrollen (!) - Labor: Nierenretentionsparameter↑, Transaminasen
↑, ggf. Hämaturie - Sonografie der Nieren
und der Leber : - Vergrößerte, knotige Nieren mit multiplen, unterschiedlich großen, echofreien Zysten
- Ggf. Zystenverkalkung oder -einblutung
- Bei Leberbefall: hyperechogenes Leberparenchym
- CT
: hypodense, flüssigkeitsisodense scharf begrenzte Zysten - Ausscheidungsurogramm
- Genetische Untersuchung: Nachweis von Mutationen im PKHD1-Gen zur Diagnosesicherung und Abschätzung der Prognose
- Screening auf Hirnaneurysmen mittels MRT-Angiografie: bei familiärer Häufung intrakranieller Blutungen oder Z.n. stattgehabter SAB
InfoDiagnosekriterien bei ADPKD
- 15-39 Jahre; mindestens 3 Zysten in einer oder beiden Nieren
- 40-59 Jahre: mindestens 2 Zysten in einer Niere
- >60 Jahre: mindestens 4 Zysten in einer Niere
AchtungDer Nachweis von Nierenzysten bei Kindern mit positiver Familienanamnese für ADPKD ist hochverdächtig und erfordert eine engmaschige Überwachung mit regelmäßigen sonografischen Kontrollen sowie eine genetische Abklärung.

“Advanced polycystic kidney disease with multiple cysts.jpg” von Kristoffer Lindskov Hansen, Michael Bachmann Nielsen and Caroline Ewertsen, CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0, via Wikimedia Commons. Das identische Bild wurde rechts mit Markierung und Beschriftung versehen hinzugefügt.

“CT scan autosomal dominant polycystic kidney disease.jpg” von Steven Fruitsmaak, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons. Das identische Bild wurde rechts mit Markierung, Beschriftung und Pfeilen versehen hinzugefügt.
Therapie
- Keine kausale Therapie möglich
- Mögliche Verlangsamung der Progression durch Tolvaptan (= selektiver Vasopressin-2-Rezeptor-Antagonist)
- Behandlung der Nieren- und Leberfunktionsstörungen und adäquate Blutdruckeinstellung
- Vermeidung nephrotoxischer Substanzen
→ insbesondere Analgesie eher mit Paracetamol statt COX-Hemmern - Bei Komplikationen durch Raumforderung
ggf. bilaterale Nephrektomie mit anschließender Dialysepflichtigkeit - Bei terminalem Nierenversagen: Dialyse
oder Nierentransplantation
MerkeBei circa 50% der Patient:innen besteht mit 60-70 Jahren ein terminales Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit.
InfoLebensqualität bei Patient:innen mit ADPKD ist häufig eingeschränkt durch chronische Schmerzen und Komplikationen.
Markschwammniere
DefinitionDie Markschwammniere ist eine seltene, angeborene, nicht erblich oder genetisch bedingte medullär-zystische Nierenerkrankung, die durch multiple, kleine, flüssigkeitsgefüllte, meist verkalkte Zysten im Nierenmark
gekennzeichnet ist. Zu 75% besteht ein bilateraler Befall.
Epidemiologie
- Sehr selten, Prävalenz 1:50.000 bis 1:100.000 Neugeborene
- Manifestation meist im jungen Erwachsenenalter (20–30 Jahre)
Ursachen
Sporadische Entwicklungsstörung unklarer Ätiologie mit Dilatation der Sammelrohre und Ausbildung zahlreicher mikroskopischer sowie makroskopischer kleiner Zysten → beeinträchtigte Nierenfunktion → Hyperkalzämie
Pathologie
Makroskopische Merkmale
- Normalgroße oder vergrößerte, höckrige Nieren
- Zahlreiche kleine Zysten im Nierenmark
, insbesondere in den Markpyramiden → schwammartiges Aussehen
Mikroskopische Merkmale
- Zystische Dilatation der Henle-Schleifen und Sammelrohre in den Markpyramiden
MerkeDie Markschwammniere ist eine seltene, aber wichtige Differenzialdiagnose bei jungen Patient:innen mit vergrößerten Nieren und rezidivierender calciumhaltigen Nephrolithiasis.
TippDie Markschwammniere zeigt keine Beteiligung des Kortex!
Klinik
- I.d.R. asymptomatischer Zufallsbefund
- ~50% Hyperkalzurie
- Ggf. rezidivierende Hämaturie, Nephrolithiasis mit Kalziumoxalat- oder Kalziumphosphatsteinen, Harnwegsinfektionen
- Sehr selten: chronische Nierenerkrankung
(CKD )
MerkeDie Markschwammniere sollte bei jungen Erwachsenen mit Hyperkalzurie, Nephrolithiasis und Hämaturie als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden.
Diagnostik
- Labor: Hyperkalzämie
, Hyperkalzurie - Sonografie der Niere
: echoreiche Markpyramiden aufgrund von Kalkablagerungen in den zahlreichen kleinen Markzysten - Ausscheidungsurogramm
: Nachweis stecknadelkopfgroßer Kalkablagerungen im Bereich des Nierenmarks → „bürstenartige“ Kontrastmittelaussparungen - CT
: insbesondere bei unklaren Fällen; Nachweis diffus verteilter kleiner Zysten und Verkalkungen im Markbereich

Figure out Masciovecchio S, Saldutto P, Paradiso Galatioto G, Vicentini C. Medullary sponge kidney and testicular dysgenesis syndrome: a rare association. Case Rep Urol. 2014;2014:841781. doi: 10.1155/2014/841781. Epub 2014 Feb 18. PMID: 24716085; PMCID: PMC3971849. Das identische Bild wurde jeweils rechts mit Markierung, Beschriftung und Pfeilen versehen hinzugefügt.
Therapie
- Symptomatisch: Behandlung der Komplikationen
- Prophylaxe bzw. Therapie der Nephrolithiasis: Thiaziddiuretika
, hohe Flüssigkeitszufuhr (mindestens 2,5–3 Liter/Tag), Alkalisierung des Urins (z.B. mit Kaliumcitrat) - Bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen: antibiotische Therapie
- Selten Dialyse
bei Nierenversagen
- Prophylaxe bzw. Therapie der Nephrolithiasis: Thiaziddiuretika
- Keine kausale Therapie vorhanden, außer Nierentransplantation bei Nierenversagen (sehr selten notwendig)
Komplikationen
- Rezidivierende Nephrolithiasis
- Nephrokalzinose
- Rezidivierende Harnwegsinfektionen
- Selten: chronische Nierenerkrankung
(CKD )
Nephronophthise-Komplex
DefinitionDer Nephronophthise-Komplex (NPH-MCKD-Komplex), bestehend aus der Nephronophthise (NPH) und der medullär-zystischen Nierenerkrankung (MCKD), bezeichnet eine Gruppe seltener, erblich bedingter, kleinzystischer Nierenerkrankungen, die durch Zysten im Bereich der Mark-Rinden-Grenze oder des Nierenmarks, tubuläre Atrophie, Glomerulosklerose und interstitielle Fibrose gekennzeichnet sind und auf ihrer mangelnden histologischen Differenzierbarkeit zu einem Komplex zusammengefasst wurden.
Beide Erkrankungen münden meist in ein terminales Nierenversagen und gehen häufig mit extrarenalen Manifestationen einher.
Epidemiologie
- Sehr selten, Prävalenz etwa 1:50.000 bis 1:100.000 Lebendgeburten
Ursachen
- Nephronopthise (NPH)
- Autosomal-rezessiver Erbgang mit Mutation oder Deletion der NPHP1-7-Gene
- Juvenile Nephronophthise (häufigste Form): Deletion des NPHP1-Gens, welches das Protein Nephrocystin-1 (= Strukturprotein
der Primärzilien und der apikalen Zellkontakte im Nierenepithel) kodiert → fehlerhafte Zilienfunktion und Zellkontakte der Tubuli→ konsekutive Tubulusschäden und -atrophie → zystisch erweiterte Tubuli und chronische Nierenerkrankung (CKD ) mit Progredienz zum terminalen Nierenversagen - Erstmanifestation im Kindes-/Jugendalter, meist innerhalb der 4-6 Lebensjahre
- Medullär-zystische Nierenerkrankung (MCKD)
- Autosomal-dominanter Erbgang mit Mutation des MCKD-1 (UMOD) oder MCKD-2 (SEC61A1) Gens
- Erstmanifestation im Erwachsenenalter
AchtungDie juvenile Nephronophthise (NPH) ist die häufigste genetisch bedingte Ursache des terminalen Nierenversagens im Kindes- und Jugendalter.
InfoJe nach zugrunde liegender Genmutation können verschiedene Syndrome wie Joubert-Syndrom, Senior-Løken-Syndrom oder Meckel-Gruber-Syndrom auftreten.
Pathologie
Makroskopische Merkmale
- Zu Beginn normalgroße Nieren, im Verlauf Schrumpfnieren
bei CKD - Zysten im Bereich der Rinden-Mark-Grenze oder im Nierenmark
Mikroskopische Merkmale
- Atrophische und zystisch erweiterte Nierentubuli, insbesondere distale Tubuli und Sammelrohre
- Interstitielle Fibrose
- Im Verlauf ggf. Glomerulosklerose
Klinik
- Polyurie
und Polydipsie infolge der Tubulusschädigung, im Verlauf i.d.R. chronische Nierenerkrankung (CKD ; siehe Artikel → chronische Nierenerkrankung ) mit Progredienz zu terminalem Nierenversagen - Juvenile Nephronopthise: Beginn meist innerhalb der ersten 4-6 Lebensjahre, Manifestation der CKD
< 25 Jahre - Medullär-zystische Nierenerkrankung: Beginn im Erwachsenenalter
- Juvenile Nephronopthise: Beginn meist innerhalb der ersten 4-6 Lebensjahre, Manifestation der CKD
- Juvenile Nephronopthise: Wachstumsverzögerung bis -stillstand, Entwicklungsverzögerung bis Intelligenzminderung
- Häufig extrarenale Manifestationen: z.B. Retinopathie, Leberfibrose, Ataxie
, Polydaktylie
InfoBei Kindern mit juveniler Nephronophthise tritt häufig eine Wachstumsverzögerung bereits vor Auftreten einer CKD
auf.
Diagnostik
- Labor: Anämie
aufgrund der CKD , Nierenretentionsparameter↑, ggf. leichte Proteinurie - Sonografie der Niere
: - Kleine, echoreiche Nieren aufgrund der CKD
- Echoreichen Zysten an der Mark-Rinden-Grenze oder des Nierenmarks
- Kleine, echoreiche Nieren aufgrund der CKD
- Genetische Testung: Mutationsanalyse in betroffenen Genen zur Identifikation der zugrundeliegenden Mutation und Abgrenzung von Syndromen wie Senior-Løken-Syndrom oder Joubert-Syndrom
Therapie
- Symptomatisch: Behandlung von Komplikationen, Dialyse
bei terminalem Nierenversagen - Kausale Therapie nur mittels Nierentransplantation möglich
- Behandlung möglicher extrarenaler Manifestationen
AchtungEine rechtzeitige Nierenersatztherapie kann den Krankheitsverlauf bei Nierenversagen verbessern.
MerkeBei Nachweis einer Retinopathie sind frühzeitige augenärztliche Kontrollen zur Vermeidung einer Erblindung notwendig.
Quellen
- S2k-Leitlinie Nierenzysten und zystische Nierenerkrankungen bei Kindern, Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie e.V. (GPN)
- Serra, A., Wüthrich, R. Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung. Nephrologe 2, 459–468 (2007). https://doi.org/10.1007/s11560-007-0122-y
- Ansari, Taha & Siddiqui, Zubair. (2025). Polycystic kidney disease. InnovAiT: Education and inspiration for general practice. DOI: 10.1177/17557380241311211.
- Venyo, Anthony. (2022). Simple Cysts of the Kidney: A Review and Update. Journal of Clinical Surgery and Research. 3. 01-17. DOI: 10.31579/2768-2757/030.