Einleitung
Das olfaktorische System ist für die Wahrnehmung von Gerüchen zuständig. Es besteht aus den Riechrezeptoren in der Nasenschleimhaut, die Geruchsmoleküle erkennen und Signale an das Gehirn senden. Diese Signale werden dann im Gehirn verarbeitet und als spezifische Gerüche identifiziert. Dieses System ist eng mit dem limbischen System verbunden, was erklärt, warum bestimmte Gerüche starke Erinnerungen oder Emotionen hervorrufen können.
Das gustatorische System ist für die Geschmackswahrnehmung verantwortlich. Es umfasst die Geschmacksknospen auf der Zunge, die verschiedene Geschmacksrichtungen wie süß, sauer, bitter, salzig und umami erkennen. Diese Informationen werden ebenfalls an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet. Geschmack ist eng mit Geruch verbunden, weshalb eine Beeinträchtigung des Geruchssinns oft auch den Geschmackssinn beeinflusst.
Geruchssinn
Geruchssinn:
Geruchsqualitäten und -wahrnehmung:
- Menschen können bis zu 10.000 verschiedene Gerüche wahrnehmen
- Geruchsschwellen variieren je nach Duftstoff und können sich durch Sättigung oder Adaptation erhöhen
- Die Empfindlichkeit für bestimmte Gerüche kann durch Habituation (Gewöhnung), einen zentralnervösen Prozess, verringert werden
- Die Wahrnehmung eines Geruchs hängt von seiner Konzentration ab, wobei es einen Unterschied zwischen der Absolutschwelle (Wahrnehmung) und der Erkennungsschwelle (bewusste Erkennung) gibt
Emotionale und soziale Aspekte:
- Gerüche können starke emotionale Reaktionen und Erinnerungen hervorrufen, da sie mit dem limbischen System verbunden sind
- Geruchsaversionen können lebenslang bestehen, oft basierend auf erlernten Assoziationen
- Im sozialen Kontext spielen Gerüche eine Rolle, zum Beispiel erkennen Neugeborene ihre Mütter am Geruch
Geruchsrezeptorzellen:
- Das Riechepithel im Nasendach enthält über 10 Millionen Geruchsrezeptorzellen
- Diese Zellen haben Zilien, die in eine Schleimschicht eintauchen, wodurch ihre Oberfläche vergrößert wird
- Die Rezeptorzellen sind primäre Sinneszellen, die ihre Signale direkt ins Gehirn senden
- Das Riechepithel umfasst auch Stütz- und Basalzellen
- Die Sinneszellen regenerieren sich alle 30-60 Tage
Rezeptoren:
- Die Rezeptoren für Duftstoffe befinden sich in der Membran der Zilien, wovon der Mensch rund 350 verschiedene besitzt
- Diese Rezeptoren sind heptahelikale G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die von verschiedenen Genen codiert werden
- Geruchsrezeptoren verfügen über spezifische Bindungstaschen, die Duftmoleküle selektiv erkennen und binden, wobei Änderungen in ihrer Struktur die Spezifität beeinflussen
Signaltransduktion:
- Geruchsstoffbindung an das Rezeptorprotein führt zur Konformationsänderung und Aktivierung des angehängten G-Proteins (Golf). Dieser Rezeptor-G-Protein-Komplex leitet den Geruchsreiz ins Zellinnere weiter (Signaltransduktion)
- Aktivierung der Adenylatzyklase, die ATP in cAMP umwandelt, erhöht die cAMP-Konzentration in den Zilien
- cAMP bindet an cAMP-gesteuerte Ionenkanäle (CNG-Kanäle) der Zilienmembran
- cAMP-gesteuerte Ionenkanäle für Na+ und Ca2+ öffnen sich
→ Einstrom der Ionen in die Sinneszelle - Calciumeinstrom aktiviert einen zweiten Kanaltyp (Ca2+ gesteuerter Chloridkanal)
→ Cl--Ausstrom - Dieser Vorgang führt zur Depolarisation
und zur Erzeugung eines Aktionspotentials am Axonhügel der Riechzelle - Das Signal wird über den Riechnerv (Nervus olfactorius) zum Riechkolben (Bulbus olfactorius) geleitet
- Verbindungen vom Riechkolben zum primären olfaktorischen Cortex und anderen ZNS-Regionen ermöglichen die Auswertung der olfaktorischen Wahrnehmung
Adaptation:
Mit der Zeit tritt eine Anpassung der Sinneszellen an kontinuierlich präsente Geruchsstoffe ein, ein Vorgang, der als Adaptation bekannt ist. Eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielt das Calcium
Ablauf:
- Das in die Zelle eingeströmte Calcium
bindet an Calmodulin - Dieser Calcium
-Calmodulin-Komplex reduziert die Empfindlichkeit der CNG-Kanäle gegenüber cAMP und aktiviert eine Phosphodiesterase, welche cAMP abbaut - Trotz des weiterhin vorhandenen Geruchsreizes schließen sich die CNG-Kanäle
- Die Zelle wird dadurch weniger erregbar, und die Schwelle für die Wahrnehmung neuer Reize erhöht sich
- Nach einer gewissen Zeit stellt sich der Ruhezustand der Zelle wieder ein
Trigeminaler chemischer Sinn:
In der Nasenschleimhaut befinden sich nicht nur Zellen, die für den Geruchssinn zuständig sind, sondern auch freiliegende Nervenenden des Nervus trigeminus
Riechbahn:
1.Erstes Neuron
In der oberen Nasenmuschel, speziell in der Riechschleimhaut (Regio olfactoria), sind bipolare Riechzellen lokalisiert.
Der Dendrit dieser Zellen erstreckt sich zur Oberfläche der Schleimhaut, während das zentrale Axon als Riechfäden (Fila olfactoria) durch die Siebplatte (Lamina cribrosa) des Siebbeins in den Riechkolben (Bulbus olfactorius) führt.
Diese Riechfäden werden gemeinschaftlich als der erste Hirnnerv (Nervus olfactorius) bezeichnet.
2. Zweites Neuron
Innerhalb des Riechkolbens findet die erste Signalübertragung auf Mitralzellen statt.
Die Axone dieser Mitralzellen verlaufen weiter über den Tractus olfactorius zur Stria olfactoria medialis und lateralis.
3. Drittes Neuron
- Von der Stria olfactoria medialis:
- Tuberculum olfactorium
- Septumregion (Area septalis)
- Von der Stria olfactoria lateralis:
- Corpus amygdaloideum (Amygdala)
- Präpiriformer Kortex (primäre Riechrinde)
- Entorhinaler Kortex

Patrick J. Lynch, medical illustrator, CC BY 2.5 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.5>, via Wikimedia Commons
Geschmackssinn
Geschmackssinn:
Um die Vielfalt an Geschmacksrichtungen zu differenzieren, verfügen wir über fünf bekannte Geschmacksqualitäten: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Umami stammt aus dem Japanischen und wird als „wohlschmeckend“ übersetzt. Darüber hinaus wird eine sechste Geschmacksqualität: fettig vermutet.
Geschmackssensoren:
Die Geschmackssensoren befinden sich hauptsächlich auf der Zunge, sind aber auch im weichen Gaumen, im Rachen (Pharynx) und im Kehlkopf (Larynx) zu finden. Auf der Zunge sind diese Sensoren in Geschmacksknospen organisiert, welche wiederum in verschiedenen Arten von Geschmackspapillen eingebettet sind. Diese Papillen sind verteilt über die Zungenoberfläche.
Papille | Anzahl | Knospen pro Papille | Lokalisation |
---|---|---|---|
Pilzpapillen (Papillae fungiformes) | 200-400 | 1-10 | Vordere zwei Drittel der Zunge |
Blattpapillen (Papillae foliatae) | 15-20 | 50 | Hinterer seitlicher Rand der Zunge |
Wallpapillen (Papillae vallatae) | 7-12 | 100 | Hinteres Drittel des Zungenrückens vor dem Sulcus terminalis |
Fadenpapillen (Papillae filiformes) | Sie vermitteln das Tastempfinden und sind rein mechanische Papillen, die über den gesamten Zungenrücken verteilt vorkommen |
OpenStax, CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons. Die Beschriftungen wurden ersetzt und teilweise verändert.
Es gibt rund 2000-5000 Geschmacksknospen. Bei Geschmacksknospen handelt es sich um sekundäre Sinneszellen, die keine Axone ausbilden. Eine Geschmacksknospe weist einen Geschmacksporus (Porus gustatorius) auf, der es ermöglicht, dass Speichel, der gelöste Nahrungsbestandteile enthält, zu den Geschmackssinneszellen innerhalb der Geschmacksknospe gelangen kann.
Die Oberfläche dieser Sinneszellen ragt in Form von Mikrovilli in den Geschmacksporus hinein. Diese Mikrovilli sind feine Ausstülpungen, die eine große Rolle bei der Geschmackswahrnehmung spielen, da sie die meisten der molekularen Rezeptoren tragen, die für das Erkennen verschiedener Geschmacksrichtungen zuständig sind. Einfach ausgedrückt, ermöglicht dieser Aufbau den Geschmackssinneszellen, effektiv die chemischen Substanzen aus der Nahrung zu „schmecken“, indem sie über den Speichel an diese spezialisierten Rezeptoren auf den Mikrovilli gelangen.
Innerhalb einer Geschmacksknospe existieren vier verschiedene Zelltypen. Sie umfasst Typ-I- bis Typ-III-Zellen sowie Basalzellen:
- Typ-I-Zellen: Sie sind Stützzellen, die elektronendichte Vesikel mit Glutamat besitzen
- Typ-II-Zellen: Sie können efferente Synapsen ausbilden und enthalten einen Großteil der Geschmacksrezeptoren
- Typ-III-Zellen: Sie bilden Synapsen mit afferenten Nervenzellen der 3 Hirnnerven
- Basalzellen: Haben die Fähigkeit zur Zellteilung, weswegen aus ihnen kontinuierlich neue Zelltypen entstehen
Geschmacksqualitäten:
Geschmacksqualität | Ausgelöst durch | Funktion | Ablauf der Wahrnehmung |
---|---|---|---|
Bitter | Vielzahl von Stoffen (z.B. Nikotin, Strychnin) | Warnsignal für giftige und schädliche Substanzen | G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) (indirekte Depolarisation |
Süß | Zucker und Zuckerderivate | Konsum energiereicher Nahrung | |
Umami | Aminosäuren (z.B. Glutaminsäure und Asparaginsäure) | Signalisiert Gehalt an Proteinen in der Nahrung | |
Salzig | Ionen (z.B. Na+, K+, NH4+) | Regulation des Elektrolythaushalts | Epitheliale Natriumkanäle (ENaC) (direkte Depolarisation |
Sauer | Wasserstoffionen (H+) | Erkennung schädlicher Substanzen | Säureempfindliche Ionenkanäle (direkte Depolarisation |
InfoDas Empfinden von Schärfe entsteht durch Capsaicin, das mit TRPV1-Rezeptoren auf sensorischen Neuronen des Nervus trigeminus
interagiert, und wird im Gehirn als Schmerz und Wärme interpretiert.
Signaltransduktion:
Bitter, süß, umami:
Bei den Rezeptoren dieser Geschmacksqualitäten handelt es sich um G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs). Der Ablauf ist wie folgt:
- Geschmacksstoffbindung: Aktiviert den Geschmacksrezeptor
- Gustducin-Aktivierung: Durch den aktivierten Rezeptor wird das G-Protein Gustducin aktiviert
- Aktivierung von Phospholipase Cβ2: Gustducin aktiviert die Phospholipase Cβ2
- Spaltung von PIP2: Die Phospholipase Cβ2 spaltet Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP2) in Diacylglycerin (DAG) und Inositoltrisphosphat (IP3)
- Freisetzung von Ca2+: IP3 setzt Ca2+ aus intrazellulären Speichern frei
- Aktivierung von TRPM5-Kationenkanälen: Das freigesetzte Ca2+ aktiviert den TRPM5-Kationenkanal in der Plasmamembran
- Verstärkung des Rezeptorpotenzials: Spannungsabhängige Na+-Kanäle verstärken das erzeugte Rezeptorpotenzial → Es kommt zur Depolarisation
der Sinneszelle
Salzig:
Der Rezeptor für diese Geschmacksqualität ist der epitheliale Natriumkanal (ENaC). Es handelt sich um eine direkte Depolarisation
Sauer:
Diese Geschmacksqualität wird durch säureempfindliche Ionenkanäle vermittelt. Der Mechanismus der Geschmackswahrnehmung für "sauer" basiert unter anderem darauf, dass ein im Ruhezustand offener K+-Ionenkanal (Kaliumkanal) der Geschmackssinneszelle durch den Kontakt mit Säuren blockiert wird, wodurch K+ nicht mehr aus der Zelle strömen kann. Diese Blockierung führt zu einem Anstieg der K+-Konzentration innerhalb der Zelle, wodurch das Membranpotential positiver wird, und die Zelle depolarisiert.
Signalweiterleitung:
- DepolarisationderGeschmackssinneszelle
- AktivierungvonspannungsabhängigenCa2+-Kanäleninder Geschmackssinneszelle
- Einströmen von Ca2+ in die Zelle
- Transmittervesikel verschmelzen mit der präsynaptischen Membran
- Ausschüttung des Transmitters aus der Sinneszelle
- Auslösung eines Aktionspotenzials im folgenden Nerv
Adaptation:
Rezeptorzellen zeigen eine temporäre Reaktion auf den spezifischen chemischen Stimulus. Bei anhaltendem Stimulus erfolgt eine weitgehende Anpassung, ähnlich dem Geruchssinn, der sich innerhalb von 1-2 Minuten anpasst. Obwohl der Speichel mit bis zu 30 mM Natriumchlorid relativ salzig ist, wird dieser aufgrund der Adaptation nicht als salzig empfunden. Wenn zwei Geschmacksstoffe an die gleichen Geschmackssinneszellen binden, kann es durch eine Kreuzadaptation zur Gewöhnung beider Stoffe kommen, obwohl nur einer der Stoffe die Adaptation ausgelöst hat. Die Adaptation wird wahrscheinlich nach dem Anstieg der freien Ca2+- Konzentration durch eine Phosphorylierung des Rezeptorproteins ausgelöst. Durch die Phosphorylierung wird das Rezeptorprotein inaktiviert.
Geschmacksbahn:
Die Geschmacksbahn besteht aus speziellen viszerosensiblen Fasern, welche die Signale von den Geschmacksrezeptoren in den Geschmacksknospen der Zunge zu den primären und sekundären gustatorischen Arealen des Großhirns leiten.
1. Neuron
In den Ganglien der drei beteiligten Hirnnerven liegt das 1. Neuron
- Nervus facialis: Ganglion geniculi
- Nervus glossopharyngeus: Ganglion inferius nervi glossopharyngei
- Nervus vagus: Ganglion inferius nervi vagi
Die Axone ziehen gemeinsam im Tractus solitarius durch das Tegmentum und erreichen die Pars gustatoria der Nuclei tractus solitarii in der Medulla oblongata. Dort werden sie auf das 2. Neuron
- 2. Neuron
:
Im Nucleus tractus solitarii erfolgt die Aufzweigung der Fasern in drei Stränge, die jeweils in verschiedene Hirnareale ziehen.
- Durch den Tractus trigeminothalamicus zum Nucleus ventralis posteromedialis des Thalamus
- In den Hypothalamus
- In die Amygdala, wo eine emotionale Bewertung erfolgt 3. Neuron
:
Die Umschaltung auf das 3. Neuron