Zusammenfassung
Bei der präklinischen Versorgung von Wunden ist schnelles und strukturiertes Handeln entscheidend. Der Fokus liegt darauf, Blutungen zu stoppen, Schmerzen zu lindern und Infektionen zu verhindern.
Wunden entstehen häufig durch Unfälle und eine korrekte Erstversorgung ist entscheidend, um Komplikationen vorzubeugen und die Heilung zu fördern. Je nach Art und Tiefe der Wunde ist eine spezielle Behandlung notwendig, da diese Hinweise auf die Schwere der Verletzung geben. Eine sorgfältige Diagnose und Versorgung an der Einsatzstelle schaffen die Grundlage für eine optimale Weiterbehandlung im Krankenhaus.
AchtungEine strukturierte und gezielte Wundversorgung sorgt dafür, dass Risiken wie Infektionen oder Funktionsverluste vermieden werden. Besonders die präklinischen Maßnahmen sind relevant, um frühzeitig den Heilungsverlauf positiv zu beeinflussen.
Fallbeispiel
Um den Einstieg in das Thema allgemeine Wundversorgung etwas zu erleichtern, wird im Folgenden ein Fall beschrieben, wie er sich präklinisch ereignen könnte.
Das Szenario
Einsatzmeldung:
- Stichwort: Zustand nach Sturz
- Ort: Fußgängerzone
- Alarmzeit: 15:45 Uhr
- Anrufer: Passant
- Anzahl der Betroffenen: 1
- Zusatzinfo:
- Blutung am Kopf
- Keine weiteren offensichtlichen Verletzungen
Lageeinweisung vor Ort:
Beim Eintreffen des Rettungsdienstes sitzt ein Mann auf dem Boden. Es befinden sich keine Angehörigen oder Ersthelfer vor Ort.
Lage beim Eintreffen Rettungsdienst:
- Der Patient sitzt auf dem Boden und hält sich den Kopf
- Er hat eine Platzwunde an der Stirn, die mäßig stark blutet
- Der Patient ist wach und reagiert adäquat auf Ansprache
- Die Umgebung ist sicher

Dieses Bild wurde mit der KI-Software DALL·E (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Ersteindruck nach xABCDE-Schema
Um sich einen ersten umfassenden Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten in einer Notfallsituation zu verschaffen, bietet sich das xABCDE-Schema an. Um die Arbeit mit dem Schema zu veranschaulichen, ist hier ein xABCDE-Schema abgebildet, wie es im Falle einer Ersteinschätzung bei einer Patientin oder einem Patienten mit Spannungspneumothorax
Es handelt sich dabei um die Befunde, die innerhalb der ersten paar Minuten erhoben werden können. Erweiterte Diagnostik und Abfragen sind natürlich von Bedeutung, jedoch würde zum Beispiel die Messung des Blutzuckers in diesem Fall hintangestellt und taucht zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf.
x |
|
|
A |
| Kein |
B |
| Kein |
C |
| Kein |
D |
| Kein |
E |
| Akutes |
AchtungDas hier gezeigte Assessment vermittelt nur einen exemplarischen ersten Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten. Im Verlauf der Behandlung müssen weitere Maßnahmen ergriffen und Informationen gesammelt werden. Das Schema erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen praktischen Einstieg in das Thema ermöglichen.
AchtungWichtig ist, dass bei jedem Trauma ein Bodycheck durchgeführt werden sollte, um keine Verletzungen zu übersehen. Dies muss nicht direkt zu Anfang geschehen, sollte jedoch vor jeder Lagerungsänderung oder weiteren Manipulation erfolgen.
Definition
Wunden entstehen durch Verletzungen der Haut und eventuell darunterliegender Strukturen wie Muskeln, Sehnen oder Knochen. Je nach Ursache und Art der Wunde variiert das Risiko für Infektionen und die notwendigen Maßnahmen zur Behandlung.
Wunden lassen sich in akute und chronische Wunden unterteilen:
- Akute Wunden entstehen meist durch Unfälle
Chronische Wunden werden oft durch Krankheiten wie Diabetes
, Durchblutungsstörungen oder Infektionen verursacht, die die Heilung beeinträchtigen Info
Die Einteilung der Wunden nach Ursache, Tiefe und möglichen Begleitverletzungen sind wichtig, um die richtige Behandlung auszuwählen.
Ursachen
Wunden können sehr unterschiedlich aussehen und benötigen unterschiedliche therapeutische Maßnahmen. Um die richtige Therapie zu wählen, ist eine genaue Anamnese der Ursache und des vorliegenden Verletzungsmechanismus oft wichtig.
Mechanische Einwirkungen:
- Beispielsweise Schnittverletzungen, Stürze, Explosionen oder Schusswunden
- Können unterschiedlich tiefe und umfangreiche Gewebeschäden verursachen
InfoDie genaue Beurteilung der Ursache hilft dabei, das Risiko für Komplikationen wie Infektionen oder bleibende Schäden einzuschätzen. Zum Beispiel können Schussverletzungen komplexe Traumata mit großem Gewebeverlust und hohem Infektionsrisiko hervorrufen, während Schnittverletzungen meist klar abgegrenzt sind und eine gezielte Blutstillung
erfordern.
AchtungBei mechanischen Verletzungen muss insbesondere darauf geachtet werden, ob weitere Verletzungen, wie etwa Frakturen oder begleitende Gefäßschäden, vorliegen. Schuss- und Explosionstraumata können auch unsichtbare Schäden verursachen, wie Druckverletzungen oder Schäden an inneren Organen.

Bobjgalindo, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Thermische Schäden:
- Beispielsweise Verbrennungen
oder Erfrierungen Zerstören das Gewebe durch extreme Temperaturen
Achtung
Diese Art von Wunden birgt ein hohes Risiko für Infektionen und kann zu erheblichen Flüssigkeitsverlusten führen, die wiederum Kreislaufprobleme verursachen können.
Info
Verbrennungen
benötigen oft eine Flüssigkeitsersatztherapie und eine besondere Wundversorgung, um das Risiko einer Infektion zu minimieren. Erfrierungen hingegen erfordern eine langsame Erwärmung und eine sorgfältige Überwachung auf das Absterben von Gewebe.

Smart Servier, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Chemische Einflüsse:
- Beispielsweise durch Säuren
oder Laugen - Verursachen tiefere Gewebeschäden, die oft nicht sofort sichtbar sind
Die Beurteilung der chemischen Substanz ist entscheidend, um die richtige Neutralisation und Versorgung durchzuführen
Info
Säuren
verursachen meist Koagulationsnekrosen, die das Gewebe verhärten, während Laugen tiefer in das Gewebe eindringen und Kolliquationsnekrosen verursachen, was zu einer stärkeren Zerstörung des Gewebes führt. Die schnelle Spülung mit Wasser ist bei chemischen Verletzungen oft die wichtigste Maßnahme. Allerdings muss darauf geachtet werden, ob der Stoff mit Wasser reagiert und so noch mehr Schaden anrichten könnte.
Radiologische Einflüsse:
- Beispielsweise durch Strahlung
- Oft schwierig einzuschätzen, da die Symptome erst verzögert auftreten können
- Die Strahlung kann sowohl Haut- als auch tiefer liegendes Gewebe schädigen
InfoAuch das Risiko für Langzeitfolgen wie Krebserkrankungen muss berücksichtigt werden.
Elektrische Einwirkungen:
- Beispielsweise durch Stromunfälle
- Stromverletzungen können äußerlich kleine, aber innerlich große Schäden verursachen
- Betroffen sein können insbesondere Muskeln, Nerven und Organe
- Die Einschätzung der Stromquelle und der Stromstärke
ist wichtig, um die möglichen Schäden zu verstehen

Gehlen JM, Hoofwijk AG, CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0, via PMC (PMCID: PMC3150809)
AchtungNeben Verbrennungen
an der Eintritts- und Austrittsstelle des Stroms kann es zu Herzrhythmusstörungen und Schädigungen innerer Organe kommen. Patient:innen mit Stromverletzungen sollten daher immer engmaschig am Monitor überwacht werden.
Bissverletzungen:
- Durch Tiere oder Menschen, die ein hohes Risiko für Infektionen bergen
- Die Mundflora von Tieren oder Menschen enthält eine Vielzahl von Bakterien, die in die Wunde gelangen können
- Es ist relevant, den Tetanus-Impfschutz des Patienten zu überprüfen und den Impfstatus des Tieres zu erfragen, insbesondere den Tollwut-Impfschutz bei Hundebissen
Achtung
- Bisswunden müssen gründlich gereinigt und häufig prophylaktisch antibiotisch behandelt werden
- Tierbisse, insbesondere von Katzen, können tiefe Einstichwunden verursachen, die schwer zu reinigen sind
- Menschenbisse sind ebenfalls kritisch, da sie häufig anaerobe Keime enthalten, die zu schwerwiegenden Infektionen führen können
Pathophysiologie
InfoReminder: Physiologische Grundlagen
- Hautbarriere: schützt den Körper vor schädlichen Umwelteinflüssen
- Herz-Kreislauf-System
: sorgt für die Durchblutung aller Gewebe und versorgt sie mit Sauerstoff und Nährstoffen - Blutgerinnung
(Hämostase ): sorgt dafür, dass kleinere Verletzungen schnell geschlossen werden - Immunsystem: ständig aktiv, um potenzielle Eindringlinge zu bekämpfen und kleine Verletzungen gut verheilen zu lassen
Die Hautbarriere schützt den Körper vor Keimen. Bei einer Verletzung wird diese Schutzfunktion gestört, wodurch Bakterien eindringen können. Nach einer Verletzung kommt es zu einer Entzündung, die die Heilung fördert. Es kommt zu einer erhöhten Durchblutung, um Abwehrzellen in die betroffene Stelle zu transportieren. Um die Blutung zu stoppen, verengen sich die Blutgefäße, und Blutplättchen
Klinischer Eindruck
Typische Zeichen
- Blutungen
- Offene Hautstellen
- Eventuell sichtbare Fremdkörper
- Hämatome
, Einblutungen - Entzündungszeichen
InfoEntzündungszeichen
Die folgenden Zeichen gehen typischerweise mit einer Entzündung einher und zeigen die Abwehrreaktion des Körpers:
→ Rubor (Rötung): Durch vermehrte Durchblutung der entzündeten Region
→ Calor (Überwärmung): Aufgrund erhöhter Stoffwechselaktivität und verstärkter Durchblutung
→ Tumor (Schwellung): Durch Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen ins Gewebe (Ödem)
→ Dolor (Schmerz): Durch Druck auf Nervenenden und die Freisetzung von Schmerzmediatoren (z. B. Prostaglandine)
→ Functio laesa (Funktionsverlust): Einschränkung der Funktion durch Schwellung, Schmerz oder Gewebeschädigung
Generalisierte Zeichen
- Schmerzen
- Schwellungen
- Schockanzeichen bei starkem Blutverlust (Hypovolämie
) - Blasse Haut
- Kalte Extremitäten,
- Tachykardie
und Hypotonus
Infektionszeichen
Merke
Eine frühzeitige Behandlung des Schocks
ist entscheidend, um das Überleben des Patienten zu sichern.
Bei Infektionsanzeichen sollte möglichst früh mit Antibiotikabegonnen werden.
Diagnostik
Anamnese
Aktuelle Anamnese:
- S (Symptome): Schmerzen, Schwellungen, Blutungen, Verletzungsmuster, sichtbare Knochen- oder Gewebestücke, neurologischer Status, etc.
- A (Allergien, Infektionen): Hautinfektionen, Pflasterallergie, Allergie gegen Antibiotika
- M (Medikation): z.B. Antikoagulantien
oder Kortison - P
(Patientengeschichte): rezidivierende Verletzungen, Blutungsneigung durch Hämophilie, Lebererkrankungen, etc. - L (Letzte …): Mahlzeit bei möglicher, notwendiger Operation zur Wundversorgung
- E (Ereignis): z.B. Trauma, Ursache für den Sturz (Stolpersturz? Sturz durch Synkope
?) - R (Risiko/Impfstatus): spezielle Medikation, Blutungsneigung, Patient antikoaguliert? Tetanusschutz vorhanden? (Impfung sollte nicht älter als 10 Jahre sein)
- S (Schwangerschaft)
TippNutze Schemata
Um die Anamnese strukturiert durchzuführen, bietet es sich an, Schemata, wie das SAMPLERS oder OPQRST-Schema
zu nutzen. Am obigen Beispiel haben wir Fragen und Befunde dargestellt, die bei dem Verdacht auf eine Exsikkose abgefragt werden sollten und vorliegen könnten.
Körperliche Untersuchung
Inspektion:
- Beurteilung der Größe, Tiefe und Art der Wunde
- Unterschiede zwischen Schnitt-, Riss-, Quetsch- oder Platzwunden sind essenziell, da jede Wundart spezifische Anforderungen an die Versorgung stellt
- Schnittwunden: meist sauber und scharf begrenzt
- Riss- und Quetschwunden: unregelmäßige Ränder und ein erhöhtes Infektionsrisiko
- Platzwunden: (vor allem am Kopf) neigen zu starker Blutung, sind aber oft oberflächlich
- Fremdkörper: müssen identifiziert, aber nicht präklinisch entfernt werden, um Komplikationen zu vermeiden

Palpation:
- Umgebung der Wunde wird auf Druckschmerz, Schwellung oder Frakturen untersucht
- Auf knirschende Geräusche (Krepitation) achten
- Kann auf Knochenbrüche hinweisen
- Prüfen, ob die Wunde tieferliegende Strukturen wie Sehnen, Nerven oder Blutgefäße verletzt hat (pDMS
prüfen) - Durchblutung prüfen: Puls
, Recap-Zeit und Hauttemperatur beurteilen - Motorik prüfen: Aktive Bewegungen der betroffenen Extremität testen
- Sensorik prüfen: Berührungsempfinden
und Schmerzreaktion distal der Verletzung kontrollieren
- Durchblutung prüfen: Puls
- Verstärkte Wärme kann auf eine entzündliche Reaktion hinweisen
AchtungHautemphysem als Warnzeichen
Ein Hautemphysem kann auf eine Verletzung von luftführenden Strukturen hinweisen, beispielsweise der Lunge
oder der oberen Atemwege . Es ist durch eine knisternde Schwellung unter der Haut gekennzeichnet und entsteht, wenn Luft in das subkutane Gewebe gelangt. Ein Hautemphysem tritt oft bei schweren Thoraxverletzungen auf und ist ein wichtiges Anzeichen, das auf potenziell lebensbedrohliche Zustände wie Pneumothorax
oder Tracheaverletzungen hinweisen kann.
TippBei der Palpation wird auf schmerzhafte Reaktionen geachtet, die auf tiefere Verletzungen oder begleitende Frakturen hinweisen könnten. Dies ist besonders wichtig bei ausgedehnten Weichteilverletzungen oder Verdacht auf Knochenbeteiligung.
Perkussion:
Da dieser Artikel sich auf die Versorgung von äußerlich sichtbaren Wunden beschränkt, ist eine Perkussion in den meisten Fällen nicht wegweisend. Das Erheben eines physiologischen Perkussionsbefundes wird hier nicht weiter ausgeführt.
TippPerkussion in der Präklinik
Insbesondere im präklinischen Setting kann es aufgrund der Umgebungsgeräusche schwierig sein, die Auskultation oder Perkussion adäquat interpretieren zu können. Nehmt euch ausreichend Zeit und weist eure Kolleginnen sowie andere am Einsatz beteiligte Personen darauf hin, leise zu sein, um einen genauen Befund erheben zu können
Erfahrungsgemäß wird die Perkussion jedoch vor Ort fast gänzlich vernachlässigt, da die fehlende Übung, der am Einsatz beteiligten Personen, die Behandlung unnötig verzögern würde.
Auskultation:
Obwohl die Auskultation bei Wunden seltener eingesetzt wird, kann sie bei begleitenden Thoraxverletzungen nützlich sein, um Atemgeräusche
Therapie
MerkeAllgemeines Vorgehen bei der Wundversorgung
- Offene Wunden sollten stets steril abgedeckt werden. So kommt es seltener zu einer Keimverschleppung und Infektionen mit Wundheilungsstörungen
- Stark blutende Wunden benötigen häufig eine erhöhte Aufmerksamkeit und blutstillende Maßnahmen, z.B. im Sinne eines Druckverbandes oder eines Tourniquets
- Fremdkörper dürfen nicht entfernt werden, da dies zu schwerwiegenden Blutungen führen kann. Die Entfernung sollte nur unter kontrollierten und sterilen Bedingungen im Krankenhaus erfolgen
- Frakturen profitieren von einer Ruhigstellung. Sie sollten schon präklinisch von einem nicht-frakturierten Knochen abgegrenzt werden
Wundverband:
- Wunden mit sterilen Verbänden oder Kompressen abdecken, um das Infektionsrisiko zu minimieren
- Bei stark verschmutzten Wunden:
→ Vorsichtige Reinigung mit NaCl-Lösung bei grober Verschmutzung
→ Anwendung von Wunddesinfektionsmitteln
→ Direkte Manipulation des Wundgewebes vermeiden, um Gewebeschäden und weitere Kontamination zu verhindern
Blutstillung :
- Druckverband
oder Tourniquet , um starke Blutungen zu kontrollieren - Ein Tourniquet
ist lebensrettend bei stark blutenden Extremitätenwunden - Wenn weder ein Druckverband
noch ein Tourniquet angelegt werden kann, ist manueller Druck das Mittel der Wahl
Tkarcher, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons.
AchtungVorgehen bei stark blutender Wunde
- Sofortmaßnahmen: Direkte manuelle Kompression der Blutungsquelle
- Druckverband
: Anlage eines Druckverbands mit punktueller Kompression - Arterie abdrücken: Bei schwerer Blutung Abdrücken der Hauptarterie proximal der Verletzung:
→ Obere Extremität: A. brachialis/ Untere Extremität: A. femoralis - Tourniquet
: Bei nicht kontrollierbarer Blutung ggf. Anwendung eines Tourniquets - Reevaluation: Blutung regelmäßig überprüfen und ggf. Maßnahmen anpassen
TippTourniquet
richtig anwenden
- Uhrzeit dokumentieren: Notiere die Anlagezeit direkt am Tourniquet
, um die Dauer der Anwendung im Blick zu behalten - Komplikationen vermeiden: Ein Tourniquet
sollte idealerweise vor Ablauf von 2 Stunden entfernt werden, da danach das Risiko einer Ischämie und Gewebsnekrose deutlich steigt - Schnelle Versorgung: Sorge dafür, dass der Patient rechtzeitig in ärztliche Behandlung kommt, um das Tourniquet
sicher zu lösen und weitere Komplikationen zu vermeiden

InfoDas Wound Packing wird bei tiefen Wunden mit starker Blutung angewendet. Dabei wird die Wunde mit sterilen, flexiblen Materialien (z. B. Kompressen) unter gleichzeitiger Druckanwendung tamponiert, um die Blutung zu kontrollieren und den Blutfluss zu stoppen. Nach dem Tamponieren kann ein Druckverband
oder eine manuelle Kompression die Versorgung stabilisieren. Das Wound Packing kann mit Hämostyptika wie Chitosanpulver kombiniert werden, das prothrombotisch wirkt.

Bizhan Khodabandeh, CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Volumentherapie:
- Flüssigkeitsgabe bei Schockzeichen, um den Kreislauf zu stabilisieren
- Hierbei kommen kristalloide Infusionen zum Einsatz, wobei die Menge sorgfältig überwacht werden sollte
→ So kann eine Überwässerung vermieden werden
Ruhigstellung:
- Ruhigstellung von verletzten Gliedmaßen verhindert weitere Schäden und reduziert Schmerzen
- Hochlagern einer betroffenen Extremität vermindert die Schwellung
Analgesie:
- Frühzeitige Schmerzbehandlung: Schmerzmittel sollten so früh wie möglich verabreicht werden, um unnötiges Leid und Stress für Patient:innen zu vermeiden
- Individuelle Abstimmung: Eine enge Absprache mit dem Patienten ist essenziell, um die Schmerzintensität richtig einzuschätzen und eine passende Analgesie zu gewährleisten
- Sauerstoffgabe
: Insbesondere bei der Gabe von Benzodiazepinen oder starken Opioiden (z. B. Morphin ) sollte die Möglichkeit einer Sauerstoffgabe in Betracht gezogen werden, um Atemdepressionen frühzeitig zu kompensieren - Monitoring: Regelmäßige Kontrolle von Vitalparametern, insbesondere Atemfrequenz
, Sauerstoffsättigung und Bewusstseinslage
TippPECH-Regel
Bei Distorsionen kann die PECH-Regel für die Therapie genutzt werden. Um Distorsionen und Frakturen voneinander abgrenzen zu können, dienen die sicheren Frakturzeichen (s. Besondere Szenarien).
- P
: Pause machen - E: Eis/Kühlung
- C: Compression
- H: Hochlagern
Die Belastung soll möglichst unterbrochen werden (Pause machen). Die weiteren drei Maßnahmen dienen der Schmerzkontrolle und einer möglichst geringen Ausbildung einer Schwellung.
Besondere Szenarien
Explosionen:
- Explosionstraumata verursachen oft großflächige Gewebeschäden und bergen ein hohes Risiko für Infektionen
- Die Druckwelle kann auch innere Organe verletzen, ohne dass dies äußerlich sofort erkennbar ist
- Diese Patient:innen benötigen eine gründliche Untersuchung und oft eine operative Versorgung
Schussverletzungen:
- Schusswunden führen zu komplexen Verletzungen mit hohem Infektionsrisiko
- Die ballistische Verletzung verursacht eine ausgedehnte Gewebsschädigung, und es besteht die Gefahr von Sekundärinfektionen sowie inneren Verletzungen, die nicht sofort sichtbar sind
Versorgung von Frakturen:
InfoFraktur: Bruch eines Knochens
Distorsion: „Verstauchung“, Verletzung von Sehnen und Bändern
- Frakturen benötigen eine Ruhigstellung und zum Teil eine operative Versorgung
- Distorsionen werden oft eher durch Schonung, Kühlung und Kompression behandelt
- Die Differenzierung ist schon präklinisch für die Versorgung wichtig und kann einen Grundstein in der richtigen Therapie legen
- In manchen Fällen kommt es auch zu einer Verschiebung der Knochen im Gelenk (sog. Luxation), welche möglichst bald reponiert werden sollte. Die Reposition erfolgt von Fachpersonal und ist mit einigen Risiken verbunden
- Die präklinische Reposition kann Vor- und Nachteile beinhalten und muss sorgfältig abgewogen werden
- Die präklinische Reposition kann Vor- und Nachteile beinhalten und muss sorgfältig abgewogen werden
AchtungDie sicheren Frakturzeichen lassen eindeutig auf eine Fraktur schließen, während die unsicheren Zeichen auch bei anderen Verletzungen, wie z.B. einer Distorsion, auftreten können.

Sichere Frakturzeichen | Unsichere Frakturzeichen |
---|---|
Offene Knochenfragmente sichtbar | Schmerz |
Abnorme Beweglichkeit | Schwellung |
Krepitation | Hämatom |
Fehlstellung (deutliche Achsabweichung) | Bewegungseinschränkung |
Weitere Therapie im klinischen Setting
Im klinischen Setting sind mehrere Schritte erforderlich, um eine offene Wunde optimal zu behandeln. Der Patient muss sich auf verschiedene Behandlungsmaßnahmen einstellen, die je nach Schwere und Art der Wunde variieren können:
AchtungDa die Therapie je nach aufnehmendem Krankenhaus und Behandler:in variieren kann, empfiehlt es sich nicht, einen bestimmten Behandlungsweg detailliert zu beschreiben. Eine grobe Skizzierung des weiteren Behandlungspfades reicht völlig aus um Unsicherheiten zu minimieren. Die weiteren Informationen dienen ausschließlich eurer Information als Fachpersonal!
Der Patient muss sich also auf eine umfassende Behandlung einstellen, die von der Reinigung und Versorgung der Wunde bis hin zur Nachsorge reicht. Die Dauer der Behandlung hängt dabei stark von der Schwere der Verletzung und dem Heilungsverlauf ab.
Im Krankenhaus erfolgt die Reinigung und genaue Beurteilung der Wunde. Bei schweren Verletzungen wird eine operative Versorgung durchgeführt. Frakturen werden geröntgt, und gegebenenfalls erfolgt eine Reposition (Rückführung in die anatomisch korrekte Position). Bei instabilen oder offenen Frakturen ist oft eine operative Fixierung notwendig, um die Heilung zu ermöglichen.
Die postoperative Behandlung umfasst Schmerztherapie, Physiotherapie und regelmäßige Wundkontrollen, um Infektionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Erstuntersuchung und Reinigung:
- Nach der Aufnahme erfolgt eine genaue Inspektion der Wunde, um deren Ausmaß zu beurteilen
- Anschließend wird die Wunde gründlich gereinigt, um Schmutz, Fremdkörper und nekrotisches Gewebe zu entfernen
- Dies kann schmerzhaft sein, weshalb oft eine lokale Betäubung eingesetzt wird
Chirurgische Versorgung:
- Wenn die Wunde schwerwiegend ist, kann eine chirurgische Versorgung notwendig sein
- Dabei werden eventuell vorhandene Fremdkörper entfernt, Wundränder begradigt, und die Wunde wird gründlich gespült
- Bei offenen Frakturen wird der Knochen stabilisiert, entweder durch externe Fixation
oder eine operative Stabilisierung mit Platten oder Schrauben

Weaver TL, Robinson D, Frey ES, CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0, via PMC (PMCID: PMC4106255)
Wundverschluss:
- Abhängig von der Wunde kann diese entweder primär verschlossen werden (Naht) oder offen bleiben, um Sekundärheilung zu ermöglichen
- Gegebenenfalls werden Drainagen eingesetzt, um den Abfluss von Wundsekret zu ermöglichen
InfoBei stark verschmutzten Wunden oder hohem Infektionsrisiko wird der Wundverschluss oft verzögert, um sicherzustellen, dass keine Infektion entsteht.
Tetanusschutz:
- Jede offene Wunde sollte auf den Tetanusschutzstatus des Patienten überprüft werden
- Intakter Impfschutz: Wenn die letzte Auffrischung innerhalb der letzten 10 Jahre erfolgt ist, ist keine weitere Maßnahme nötig
- Unklarer oder fehlender Impfschutz:
- Aktive Immunisierung mit einem Tetanus-Totimpfstoff (Auffrischung oder Grundimmunisierung)
- Bei Wunden mit hohem Risiko (tief, verschmutzt, nekrotisch): Gabe von Tetanus-Immunglobulin
(Antitoxin) zur sofortigen Neutralisierung des Toxins in Kombination mit der aktiven Immunisierung
Antibiotische Therapie:
- Offene Wunden haben ein erhöhtes Risiko für Infektionen
- Insbesondere hohes Risiko bei Verursachung durch Bisse oder stark kontaminierte Gegenstände
- Eine prophylaktische antibiotische Therapie wird in diesen Fällen oft eingeleitet, um die Entwicklung einer Infektion zu verhindern
Schmerzmanagement:
- Der Patient wird regelmäßig auf Schmerzen untersucht und die Schmerzmedikation individuell angepasst
- Eine effektive Schmerztherapie, besonders nach chirurgischen Eingriffen, ist entscheidend für eine schnelle Mobilisation
und einen optimalen Heilungsverlauf
Wundpflege und Verbandswechsel:
- Der Verband wird regelmäßig gewechselt, um die Wunde zu inspizieren und die Heilung zu überwachen
- Dabei wird geprüft, ob Anzeichen einer Infektion vorliegen, und die Heilungsschritte werden dokumentiert
Physiotherapie und Mobilisation :
- Je nach Lokalisation und Schwere der Wunde kann Physiotherapie erforderlich sein, um die Beweglichkeit zu erhalten oder wiederherzustellen
- Bei Frakturen und Gelenkverletzungen wird oft mit einer passiven Mobilisation
begonnen, um Kontrakturen zu verhindern
Nachsorge und Entlassung:
- Vor der Entlassung erhält der Patient Anweisungen zur weiteren Wundpflege
- Hinweise zum Verbandswechsel
- Anzeichen für eine mögliche Infektion
- Einnahme von Medikamenten
- Gegebenenfalls werden Nachsorgetermine für die Kontrolle der Wundheilung und die Entfernung von Fäden vereinbart
Transport
Patienten mit komplexen Verletzungen oder Polytrauma sollten in ein Traumazentrum gebracht werden, das über umfassende chirurgische und intensivmedizinische Möglichkeiten verfügt, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten.
Einfache Wunden können wiederum in einer einfachen unfallchirurgischen Notaufnahme versorgt werden. Teilweise folgt daraufhin auch keine stationäre Aufnahme.
Besonderheiten beim Transport:
Die verletzte Extremität sollte stabil gelagert werden, und es sind regelmäßige Kontrollen der Vitalzeichen erforderlich, um den Kreislauf stabil zu halten. Ob die Lagerung liegend oder sitzend erfolgen soll, muss vom jeweiligen Fall abhängig gemacht werden. Die Präferenz des betroffenen Menschen ist dabei oft entscheidend.
Der Transport sollte so schonend wie möglich erfolgen, um zusätzliche Verletzungen zu vermeiden. Eine kontinuierliche Überwachung des Patienten ist notwendig, um Veränderungen im Zustand rechtzeitig zu bemerken und darauf reagieren zu können.
MerkeEine adäquate Versorgung vor Ort ist entscheidend für eine erfolgreiche Heilung. Die richtige Einschätzung der Wunde, das schnelle Einleiten der Behandlung und die reibungslose Übergabe
an das Krankenhauspersonal sind maßgeblich für den Erfolg der Therapie.
Prüfungswissen
Ursachen von Wunden:
- Mechanisch: Schnitt-, Riss-, Quetsch- und Schürfwunden durch scharfe oder stumpfe Gewalt
- Thermisch: Verbrennungen
(z. B. Feuer, heiße Flüssigkeiten), Verbrühungen, Erfrierungen - Chemisch: Verätzungen durch Laugen oder Säuren
- Radiologisch: Strahlenwunden durch ionisierende Strahlung
- Elektrisch: Eintritts- und Austrittswunden, tiefe Gewebsschädigung entlang des Strompfads
- Bissverletzungen: Hohe Infektionsgefahr durch Keime in Speichel oder Maulflora
Physiologische Grundlagen:
- Hautbarriere: Schützt vor Keimen; bei Verletzungen steigt das Infektionsrisiko
- Herz-Kreislauf-System
: Erhöhte Durchblutung transportiert Abwehrzellen zur Wunde - Blutgerinnung
: Gefäßverengung und Thrombozytenpfropf stoppen Blutungen - Immunsystem: Entzündung fördert Heilung, Abwehr von Keimen
Phasen der Wundheilung:
- Entzündungsphase (1–3 Tage): Rötung, Wärme, Abwehrzellen aktiv
- Proliferationsphase (4–21 Tage): Granulationsgewebe bildet sich
- Remodellierungsphase (ab 21 Tagen): Narbenbildung, Stabilisierung
Wundarten:
- Offene Wunden: Z. B. Schnittwunden, Platzwunden; erhöhte Infektionsgefahr
- Geschlossene Wunden: Hämatome
, Quetschungen; mögliche tieferliegende Verletzungen - Akute Wunden: Entstehen plötzlich durch Traumata
- Chronische Wunden: Verzögerte Heilung, meist durch zugrunde liegende Erkrankungen oder schlechte Versorgung (z. B. Diabetes
)
Therapie:
- Blutstillung
: Manuelle Kompression, Druckverband , Wound Packing bei tiefer Blutung, ggf. Tourniquet - Schmerzbehandlung: Lokale Kühlung, Analgetika
- Ruhigstellung: Schienen, Gips zur Vermeidung weiterer Verletzungen
- Infektionsprophylaxe: Sterile Wundversorgung, Antibiotikatherapie bei hohem Risiko (z. B. Bisswunden)
- Vorsicht: Chirurgische Infektionen beachten, Fremdkörper nicht entfernen
Besondere Verletzungen:
- Explosionen: Oft kombiniert mit thermischen und mechanischen Verletzungen, Fremdkörpern
- Schussverletzungen: Schwere Gewebsschäden durch hohe kinetische Energie, komplexe Wundversorgung
- Bissverletzungen: Hohe Infektionsgefahr (Tetanusschutz sicherstellen)
Frakturen und Gelenkverletzungen:
- Offene Frakturen: Sterile Abdeckung, keine Reposition vor Ort
- Gelenkverletzungen: Ruhigstellung, ggf. kontrollierte Mobilisation
- Reposition: Nur durch Fachpersonal, um Komplikationen zu vermeiden
Transport:
- Traumazentrum: Bei schweren Verletzungen oder Polytrauma
- Vitalzeichenkontrolle: Sicherstellung von Kreislauf und Atmung während des Transports
- Schonender Transport: Immobilisierung der betroffenen Extremitäten, stabile Lagerung
Quellen
- Mutschler, W., Paffrath, T., & Regazzoni, P. (Hrsg.) (2023). Checkliste Traumatologie (12. Auflage). Thieme Verlag. ISBN: 9783132459281
- Protz, K., Timm, J. H., Dangl, S. (2022). Moderne Wundversorgung (10. Auflage). Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH. ISBN: 9783437278877
- Gotthardt P, Fandler M, Plappert T. Tourniquet im Einsatz. Notfall + Rettungsmedizin 2017; 64: 38-40 http://doi.org/10.1007/s10049-017-0296-4