Hautbefund

G.steph.rocket, CC BY-SA 3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons
Zusammenfassung
Die atopische Dermatitis ist eine Erkrankung des atopischen Formenkreises und eine der häufigsten, chronisch-rezidivierenden Hauterkrankungen. Sie kann alle Altersklassen betreffen und wird in drei Schweregrade eingeteilt, vor allem sind jedoch Kinder betroffen. Die im Laufe des Lebens mildert sich die Ausprägung der Erkrankung meist, gleichzeitig verändert sich auch die Morphe (atopischer Marsch). Die Pathogenese ist multifaktoriell, allerdings gibt es Assoziationen zu Nahrungsmittelallergien
| Diagnose | Atopisches Ekzem (Neurodermitis) |
| Hautbefund & Symptome | Am Unterarm zeigt sich eine ca. 6 cm messende, ekzematös-erythematöse Plaque
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| Atopiestigmata |
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| Pathophysiologie | Es handelt sich um eine multifaktoriell bedingte Erkrankung. Ausgelöst durch eine polygenetische Disposition bewirken folgende Faktoren den Krankheitsausbruch:
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| Diagnostik |
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| Therapie |
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| Verlauf |
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Epidemiologie
Die atopische Dermatitis (AD), auch als Neurodermitis bekannt, ist eine der häufigsten chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen ohne Kontagiosität.
- Etwa 13% der Kinder und 2% der Erwachsenen in Deutschland sind betroffen. Wobei die Ausprägung mit dem Alter in der Regel abnimmt. Trotzdem weisen etwa 10-15% der Erwachsenen eine mittelschwere bis schwere AD auf, die eine Systemtherapie verlangt
- Die Erkrankung beginnt meist im Säuglingsalter und verläuft in chronisch-rezidivierenden Schüben. Im Laufe des Lebens verändern sich sowohl Lokalisation als auch die Morphe der Hautveränderungen
- Die Jahresprävalenz zeigt ein Nord-/Südgefälle in Deutschland und liegt für Kinder bei etwa 10% und für Erwachsene bei ungefähr 1,7%
- Die Lebenszeitprävalenz beträgt ca. 3,5%
- Es wird eine genetische Prädisposition vermutet, wobei Umweltfaktoren, sowie westlicher Lebensstil zu einem Anstieg der Prävalenz von 1950 bis 2000 geführt haben.
InfoGesundheitskosten
In Deutschland ist die Erkrankung mit hohen Kosten verbunden, die sich nicht nur aus Therapiekosten ergeben. Alle Altersklassen können betroffen sein. Die potentielle Arbeitskraft ist durch die Symptome und begleitende psychische Komorbiditäten eingeschränkt. Betroffene Erwachsene, genau so wie Eltern betroffener Kinder, fallen öfter auf der Arbeit aus und verursachen dadurch weitere Kosten.
MerkeDie atopische Dermatitis ist eine der häufigsten chronisch-rezidivierenden Hauterkrankungen.
Ursachen
Die atopische Dermatitis ist eine multifaktoriell bedingte Erkrankung. Auf die Risikofaktoren kann nur teilweise Einfluss genommen werden, jedoch stellt die Optimierung dieser ein Teil der Behandlung dar.
- Genetische Veranlagung
- Wenn beide Elternteile eine atopische Erkrankung haben, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 60-80%, dass das Kind ebenfalls eine Erkrankung des atopischen Formenkreises entwickeln wird
- Positive Familienanamnese für Krankheiten des atopischen Formenkreises (Rhinokonjunctivitis allergica und Asthma bronchiale
) - Inzwischen sind über 30 Genloci auf mehreren Chromosomen identifiziert worden
- Vor allem eine Mutation im Filaggrin-Gen zeigt sich als relevant. Diese ist wichtig für die Hautbarriere
- Umweltfaktoren
- Ernährung (Nahrungsmittelallergien
, besonders bei Kleinkindern) - Am Häufigsten: Milch, Hühnereiweiß, Soja, Erdnüsse
- Exposition gegenüber Allergenen (z.B. Hausstaubmilben, Pollen, Tierhaare)
- Luftverschmutzung und Rauchen
- Auch Passivrauchen stellt einen Risikofaktor dar
- Trockene oder kalte Klimabedingungen (Verschlechterung im Winter)
- Ernährung (Nahrungsmittelallergien
- Alter
- Höheres Risiko im Säuglings- und Kindesalter
- Immunsystemdysfunktion
- Eine Überaktivität der Th2-Zellen des Immunsystems führt zu einer erhöhten Produktion von IgE und Entzündungsmediatoren
- Hautbarrierestörungen
- Trockene Haut (Xerosis cutis)
- Erhöhte Permeabilität der Haut für Allergene und Reizstoffe
- Psychosoziale Faktoren
- Stress und emotionale Belastungen können das Risiko erhöhen und Schübe auslösen
- Hormonelle Einflüsse
- Hormonelle Schwankungen, z.B. in der Pubertät oder während der Schwangerschaft
- Mikrobiomstörungen
- Dysbalance der Hautmikroflora, insbesondere eine vermehrte Besiedlung mit Staphylococcus aureus
- Dysbalance der Hautmikroflora, insbesondere eine vermehrte Besiedlung mit Staphylococcus aureus
MerkeDas Wichtigste im Überblick:
- Nicht ansteckende, chronisch-rezidivierende Hauterkrankung
- Beginnt oft bereits im Kindesalter
- Beruht auf einer genetischen Prädisposition mit Mutation im Filaggrin-Gen
Definition“Atopischer Marsch” beschreibt den Wandel der Erkrankungsmorphe im Laufe des Lebens und zusätzliches Auftreten weiterer atopischer Erkrankungen.
Stadieneinteilung
Der Befall der Körperregionen verändert sich bei den Patient:innen im Laufe der Zeit. Zur Objektivierung werden in der Klinik unterschiedliche Scores benutzt, vor allem der SCORAD (https://scorad.corti.li) und EASI (https://www.easiderm.com).
Hautscores zur Objektivierung der Hauterscheinungen und Symptomatik:
- SCORAD (Scoring of atopic dermatitis): Kriterien sind Intensität, betroffene Körperoberflächen und subjektive Parameter wie Schlaflosigkeit und Juckreiz
- EASI (Eczema area and severity Index): Betroffene Körperoberfläche in Prozent, Erythem, Ödem
, Exkoriationen, Papeln und Lichenifikation werden mithilfe einer Formel quantifiziert und demnach in ihrem Schweregrad eingeteilt
Pathophysiologie
Entstehungsprozess
Die Pathophysiologie der atopischen Dermatitis ist polyätiologisch und polygenetisch. Eine wesentliche Rolle spielt die Hautbarrierestörung, die auf verschiedene Loss-of-function-Mutationen des Filaggrin-Gens zurückgeführt wird, wodurch die Haut trockener (Xerosis cutis) und anfälliger für Irritationen und Allergene wird. Durch die Xerosis cutis kommt es zu veränderten epidermalen Differenzierungsprozessen, in denen die Proteasen der Epidermis und ihre Inhibitoren verändert sind. Insgesamt ist ebenfalls die Zusammensetzung der epidermalen Lipide
Resultat
Studien konnten das Zytokinmuster zeigen, in dem Patient:innen gegenüber Allergenen exponiert wurde und die ausgelöste Ekzem-Reaktion molekularbiologisch analysiert wurde: Nach 24 Stunden war eine Immunantwort vom Th2-Typ und IL-4, -5 und -13-produzierende T-Zellen nachweisbar. Zur gleichen Zeit stieg die Dichte an IgE-tragenden dendritischen Zellen. Nach 48 bis 72 Stunden fand eine Umwandlung dieser initialen Th2-Antwort in eine Immunantwort mit einer Th1-Zell-dominierte Reaktion statt, bei der Interferon-produzierende T-Zellen dominieren. Die vermehrte Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen aktiviert dendritische Zellen
Einteilung
- Man unterscheidet zwischen der extrinsischen Form, die mit einer Sensibilisierung sowie einer Assoziation zu Rhinoconjunctivitis allergica, mit oder ohne Polyposis nasi, Asthma bronchiale
und klinisch relevanten Nahrungsmittelallergien , einhergeht - Die intrinsische Form geht ohne eine Sensibilisierung einher
InfoZusammenfassung der Pathophysiologie
- Die Hautbarriere ist aufgrund von Mutationen (v.a. Mutationen des Filaggrin-Gens) geschädigt und ist dadurch anfälliger für Flüssigkeitsverlust, mit dem Resultat der Xerosis cutis und für Entzündungen
- Eine Fehlregulation des Immunsystems führt zu einem geschädigten Gleichgewicht zwischen Th1- und Th2-Zellen, wodurch vermehrt IgE-Antikörper und entzündungsfördernde Zytokine gebildet werden
- Man unterscheidet zwischen der mit Sensibilisierung einhergehenden extrinsischen Form und der ohne Sensibilisierung stattfindenden intrinsischen Form
AchtungDie Existenz der intrinsischen Form der atopischen Dermatitis belegt, dass die atopische Dermatitis zwar häufig mit Sensibilisierungen (extrinsischen Form) einhergeht, diese aber nicht zwingende Voraussetzung für die Manifestation der Erkrankung sind.
Klinik
Die Patient:innen präsentieren sich in der Regel vor allem aufgrund des quälenden Juckreizes und den an den klassischen Prädilektionsstellen auftretenden Ekzemherden. Die atopische Dermatitis manifestiert sich klinisch durch trockene, juckende Haut, die in verschiedenen Körperregionen auftreten kann.
InfoHäufig betroffene Stellen
- Streckseiten der Extremitäten bei Säuglingen, betroffener Kopf und Wangenregion
- Beugeseiten der Extremitäten bei Kindern und Erwachsenen, zusätzlich betroffen ist oft der Halsbereich
MerkeDie Lokalisation der Hautveränderungen verändert sich mit dem Lebensalter.
Ekzemherde
- Stellen sich in der Regel auf dem Boden eines unscharf begrenzten Erythems dar (siehe Bild 2)
- Weisen eine fein-schuppige Oberfläche auf
- Im Laufe der Zeit kommt es vermehrt zu einer Lichenifikation der Haut mit Vergröberung der Hautfelderung
- Die Maximalform stellt die Erythrodermie (Erytheme >70% der Körperoberfläche betreffend) dar
MerkeTypisch sind erythematöse, schuppende Ekzeme, die vor allem in den Beugeseiten von Armen und Beinen, aber auch am Hals, Gesicht und an den Händen zu finden sind.
Weitere typische Symptome
- Zusätzlich zur Xerosis cutis kann eine begleitende Ichtyosis vulgaris ebenfalls eine bestehende Hautbarrierestörung verstärken
- Die häufigste kutane Komorbidität ist die Follikulitis
- Juckreiz, der die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann, ist eines der Hauptsymptome und oft nächtlich besonders ausgeprägt
AchtungKomorbiditäten können, müssen aber nicht – im Sinne einer Folgeerkrankung ursächlich mit der Grunderkrankung zusammenhängen.
Assoziierte Begleiterkrankungen
- Die atopische Dermatitis hat eine Assoziation zu anderen Autoimmunerkrankungen wie CED
, Zöliakie , Alopecia areata, Vitiligo und rheumatoide Arthritis - Das Risiko extrakutane Infektionen z.B. in Form von Ohrenentzündungen, Harnwegs-Infekten und Pneumonie zu entwickeln, ist erhöht
- Außerdem kann es zusätzlich zu weiteren kutanen Erkrankungen kommen, hierzu zählen vor allem die Kontaktdermatitis oder das Handekzem, weshalb betroffenen Patient:innen von einigen Berufsfeldern abzuraten ist
InfoEbenfalls existieren Minimalvarianten der atopischen Dermatitis wie Cheilitis, Mundwinkelrhagaden, Ohrläppchenrhagaden, Mamillenekzeme und Pulpitis sicca an Händen und Füßen.

Klinischer Verlauf
Die Hauterscheinungen beginnen meistens in den ersten sechs Lebensmonaten bis zum 5. Lebensjahr. Als Prädiktoren für die Persistenz im Erwachsenenalter gelten früher Erkrankungsbeginn, andere Erkrankungen des atopischen Formenkreises, schwerer Krankheitsverlauf in der Kindheit sowie eine positive Familienanamnese. Besonders in kälteren Jahreszeiten und bei trockenem Klima können die Hauterscheinungen exazerbieren.
- Säuglinge: Milchschorf, exsudativ-entzündliche Ekzemherde mit feiner Schuppung im Gesicht, Kapillitium und Streckseiten der Extremitäten, mit Aussparung der Windelregion. Die Herde zeigen sich meist nässend und aufgekratzt. In 50% der Fälle kommt es zur Spontanremission
- Kindheit: Lichenifikation der Haut, Kratzexkoriationen und trockene Haut an den Beugeseiten der Extremitäten sowie bei Befall des Gesichts ggf. ein begleitendes Lidekzem
- Jugend/Erwachsene: chronisch-lichenifiziertes Ekzem. Die chronischen Ekzeme zeigen sich verdickt und lichenifiziert. Exazerbationen sind durch Triggerfaktoren möglich, betroffen sind vor allem Gesicht, Hals und Beugeseiten der Extremitäten. Es zeigen sich unscharf begrenzte Ekzeme, die oft Kratzexkoriationen aufweisen, da die Patient:innen von Juckreiz gequält sind. Die Patient:innen nigen außerdem zu Handekzemen oder prurigoformer Ausprägung mit stark juckenden Knötchen
und Knoten
AchtungWenn Säuglinge Milchschorf haben, ist dies kein sicherer diagnostischer Nachweis. Es kann lediglich eine Atopieneigung vorliegen, die allerdings potenziell nie klinisch relevant wird.
InfoBei Säuglingen ist der Windelbereich oft ausgespart, da hier Harnstoffpflegend auf die Hautbarriere wirkt!

Gzzz, CC BY-SA 4.0, <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons
Atopiestigmata
- Milchschorf
- Weißer Dermografismus
(physiologisch ist roter Dermografismus ) - Hertoghe-Zeichen (Ausdünnung der lateralen Augenbrauen)
- Dennie-Morgan-Falte (Einfaltung unterhalb des unteren Augenlids)
- Pseudo-Parrot-Furchen (radiäre Furchen im Bereich der Mundwinkel)
- Ichtyose (vergröberte Handlinienzeichnung)
- Halonierung (dunkle Augenringe)
- Hypo-/Hyperpigmentierungen nach Abheilung der Ekzemherde
- Narben
- Krusten
und Erosionen , die sekundär durch Kratzen auftreten
Triggerfaktoren
Ekzemschübe können durch unterschiedliche Triggerfaktoren hervorgerufen werden oder durch diese exazerbieren.
- Irritation der Haut durch Textilien (Wolle), Schwitzen (im Schweiß ist Histamin enthalten, der den Juckreiz verschlimmern kann, trotzdem ist körperliche Aktivität
für Patient:innen empfohlen), falsche Hautreinigung, bestimmte berufliche Tätigkeiten und Tabakrauch (auch passiv) - Inzwischen empfiehlt man moderate körperliche Betätigung für Patient:innen
- IgE-vermittelte Allergien: Hausstaubmilben, Tierepithelien (v.a. Katzen), Pollen (direkter Kontakt oder deren Inhalation
, saisonale Exazerbation je nach Pollenflug), Nahrungsmittelallergien - Mikrobielle Faktoren
- Klimatische Faktoren: extreme Kälte/Trockenheit, hohe Luftfeuchtigkeit
- Verschlechterung des Hautzustandes im Herbst/Winter
- Psychischer Stress (Stress, Angst, PTBS)
- Hormonelle Faktoren (Schwangerschaft, Menstruation
)
Diagnostik
Bei der atopischen Dermatis handelt es sich vor allem um eine klinische Diagnose, die aus Zusammenschau der Anamneseergebnisse und der körperlichen Untersuchung ergibt. Wegweisend sind Atopiestigmata und weitere Erkrankungen des atopischen Formenkreises. Anhand der Hanifin-Rajka-Kriterien lassen sich typische Haupt- und Nebenkriterien identifizieren.
Die wichtigsten diagnostischen Kriterien sind:
- Chronischer oder chronisch-rezidivierender Verlauf
- Pruritus (Juckreiz)
- Typische Hautläsionen und Lokalisationen (z.B. Beugeseiten, Gesicht bei Kindern)
- Positive Familienanamnese für atopische Erkrankungen wie Asthma
oder Heuschnupfen
Weitere Nebenkriterien, wie eine erhöhte IgE-Konzentration, eine Xerosis cutis (trockene Haut) oder die Neigung zu Sekundärinfektionen, können die Diagnose unterstützen. Die Durchführung spezifischer Allergietests ist nur indiziert, wenn ein klinischer Verdacht auf eine allergische Komponente besteht.
AchtungUm eine manifeste Allergie zu diagnostizieren, muss eine klinische Symptomatik gemeinsam mit einer laborchemisch nachgewiesenen Sensibilisierung auftreten. Eine Sensibilisierung alleine weist keine Allergie nach! Sensibilisierungen an sich rechtfertigen keine Therapie, die klinische Relevanz muss gegeben sein!
Anamnese
TippBei Säuglingen oder Kleinkindern bietet sich eine Fremdanamnese durch die Eltern an.
- Beginn der Hautveränderungen
- Besteht Juckreiz?
- Durch Juckreiz bedingte Schlaflosigkeit oder Sekundärinfektionen
- Bestehen Allergien?
- Nahrungsmittelallergien
, Pollen etc.
- Nahrungsmittelallergien
- Familienanamnese
- Vorerkrankungen
- Vor allem Erkrankungen des atopischen Formenkreises
- Hautpflegeroutine (Produktanamnese)
- Mögliche Auslöser identifizieren
- Psychische Belastung
- Ernährungsbedingt
- Umgebungsfaktoren
- Lindernde Faktoren?
- Erhebung des SCORAD/EASI/DLQI (Sinnvoll nach der körperlichen Untersuchung)
- Quantifizierung der Lebensqualität durch von Patient:innen ausgefüllte DLQI-Fragebögen
- Medikamentenanamnese
InfoDie Objektivierung der Schweregrade mittels Laborparametern eignet sich im klinischen Alltag nicht für die Individualdiagnostik, da die Laborparameter zu unspezifisch sind.
Körperliche Untersuchung
In der Regel genügt eine ausführliche körperliche Untersuchung, um die Diagnose zu stellen. Eine Probeentnahme ist nur in den seltensten Fällen nötig. Die atopische Dermatitis lässt sich nicht sicher histopathologisch von anderen Ekzemerkrankungen abgrenzen. Dies erklärt sich auch dadurch, dass weitere Ekzemerkrankungen auf dem Boden der atopischen Dermatitis entstehen können und es so zu Überschneidungen kommt.
Merke
- Untersuchung des gesamten Integuments und Dokumentation
- Probebiopsieentnahme zur Differenzialdiagnostik, vor allem von Lymphomen, sind sehr selten nötig und werden meist nur im Erwachsenenalter durchgeführt
Labor
Die Labordiagnostik kann unterstützend angewandt werden. Die gemessenen Parameter können auch während der systemischen Therapie zur Verlaufskontrolle genutzt werden, allerdings ist für die Diagnostik die Laboruntersuchung nur zweitrangig.
- Gesamt-IgE: Erhöhte Werte zeigen eine atopische Diathese an, aber auch bei anderen Erkrankungen ist der Paramater erhöht
- Unspezifisch, wenn der klinische Verdacht auf weitere Sensibilisierung besteht, wird spezifisches IgE untersucht
- Individuelle Allergiediagnostik
bei entsprechender Anamnese - Epikutantest
bei zusätzlichem V.a. auf Kontaktallergie (Allergien vom Typ IV) - Erhöhtes Risiko falsch-positiver Ergebnisse durch die gestörte Hautbarriere
- Pricktest
(Allergien vom Typ I) - RAST
(Nachweis von spezifischem IgE)
- Epikutantest
- Nahrungsmittelallergien
ggf. mit Provokationstestung und Karenz ermitteln - Bei klinischer Relevanz Eliminationsdiät
- Eine Eliminationsdiät ist auch diagnostisch nutzbar, wenn bei Karenz die Symptomatik sistiert, spricht dies für eine Unverträglichkeit
- Bei klinischer Relevanz Eliminationsdiät
AchtungBei 20% der Patient:innen mit atopischer Dermatitis ist das Gesamt-IgE normwertig!
Differenzialdiagnosen
Die atopische Dermatitis tritt gleichzeitig mit anderen Ekzemerkrankungen auf, wodurch sich Mischbilder ergeben. Demnach erweitert sich unter Umständen auch die Therapie. Hier sind einige Differenzialdiagnosen der atopischen Dermatitis, die aufgrund ähnlicher klinischer Erscheinungen, oder auch vor allem atypischer Erscheinungen, in Betracht gezogen werden sollten:
- Seborrhoische Dermatitis
- Tritt häufig bei Säuglingen und Erwachsenen mit Bart auf, vor allem in talgdrüsenreichen Bereichen (z.B. Kopfhaut, Gesicht) und zeichnet sich durch fettige, gelbliche Schuppen
aus
- Tritt häufig bei Säuglingen und Erwachsenen mit Bart auf, vor allem in talgdrüsenreichen Bereichen (z.B. Kopfhaut, Gesicht) und zeichnet sich durch fettige, gelbliche Schuppen
- Psoriasis
- Charakterisiert durch scharf begrenzte, silbrig-schuppende Plaques. Häufig an den Streckseiten der Gelenke (z.B. Ellbogen, Knie) und am unteren Rücken
- Psoriasis palmoplantaris
- Kontaktekzem (allergisch oder irritativ)
- Entsteht durch den direkten Kontakt mit Allergenen oder irritativen Substanzen. Die Läsionen sind oft scharf begrenzt und treten am Kontaktort auf
- Ichthyosis vulgaris
- Verursacht trockene, schuppige Haut, meist ohne entzündliche Ekzeme. Sie kann bei atopischer Dermatitis auftreten oder eigenständig bestehen
- Nummuläres Ekzem
- Ekzematöse Plaques, die münzförmig (nummulär) und scharf begrenzt sind. Sie unterscheiden sich durch ihre typische runde Form von der atopischen Dermatitis
- Lichen simplex chronicus
- Entwickelt sich durch chronisches Kratzen, meist lokalisiert und mit dicklichen, lichenifizierten Hautveränderungen (verdickte Haut)
- Skabies
(Krätze) - Stark juckende Hautveränderungen, die durch Milben verursacht werden. Typisch sind Gänge in der Haut, häufig an Händen, Handgelenken
und Füßen
- Stark juckende Hautveränderungen, die durch Milben verursacht werden. Typisch sind Gänge in der Haut, häufig an Händen, Handgelenken
- Dermatomykosen
- Pilzinfektionen der Haut können entzündliche Rötungen und Schuppungen verursachen, die atopischer Dermatitis ähneln, betreffen jedoch oft klar abgegrenzte Bereiche
- Zinkmangeldermatitis (Acrodermatitis enteropathica)
- Tritt vor allem bei Säuglingen auf und führt zu schuppigen Hautläsionen um Mund, Augen und Anus sowie zu Durchfall und Wachstumsstörungen
- Periorale Dermatitis
- Kleine, rote Papeln und Pusteln um den Mundbereich, die leicht mit einer atopischen Dermatitis verwechselt werden können, jedoch oft eine sparsame Beteiligung von Schuppen
zeigen - Vor allem die Pseudo-Parrot-Furchen treten auch bei der perioralen Dermatitis oder dem Lippenleckekzem auf
- Kleine, rote Papeln und Pusteln um den Mundbereich, die leicht mit einer atopischen Dermatitis verwechselt werden können, jedoch oft eine sparsame Beteiligung von Schuppen
- Mycosis fungoides
- Insbesondere das Plaque
-Stadium des kutanen T-Zell-Lymphoms kommt als Differenzialdiagnose infrage und sollte in diesem Fall durch eine Probebiopsie abgeklärt werden
- Insbesondere das Plaque
Therapie
MerkeDie Behandlung der atopischen Dermatitis sollte stets in gemeinsamer Entscheidungsfindung („shared decision making“) mit den Patient:innen erfolgen und erfordert deren ausführliche Information über die Erkrankung und Therapieoptionen.
In der Therapie der atopischen Dermatitis hat sich eine enge Verzahnung aus ambulanter, stationärer und rehabilitativer Versorgung bewährt, um alle Aspekte der Erkrankung abdecken zu können. Therapieziel ist die Kontrolle der Symptome und das Minimieren der Ekzemherde bei gleichzeitiger Bekämpfung der Xerosis cutis sowie erlangen der Krankheitskontrolle. Je nach Ausprägung sind unterschiedliche Therapiemodalitäten indiziert, die individuell angepasst werden, wobei allen gemeinsam eine Basistherapie zur Unterstützung der Hautbarriere ist. Obwohl in der Regel eine ambulante Therapie ausreichen ist, bietet sich bei einer starken Ausprägung und Symptomatik ist eine stationäre Betreuung sowie folgende Rehabilitationsmaßnahmen an. Die Rehabilitation hat vor allem das interdisziplinäre Ziel, die Patient:innen in den Alltag zu integrieren und eine bestmögliche funktionale Gesundheit zu ermöglichen, wenn andere Therapieoptionen ausgeschöpft sind oder die Therapieziele nicht erreicht wurden.
MerkeOptimierung der Adhärenz
Um eine optimale Adhärenz
der Patient:innen zu erreichen, ist es wichtig, den Patient:innen den genauen Ablauf der individuellen Therapie nicht nur verständlich zu erklären, sondern auch schriftlich zu mitzugeben. Inzwischen sind Schulungen für Patient:innen und Angehörige empfohlen, um die Therapie bestmöglich zu nutzen und um Komorbiditäten vorzubeugen, da viel Patient:innen in Umfragen angaben, dass ihre persönlichen Wünsche und Therapieziele trotz Therapie nicht erreicht wurden. Hierdurch zeichnet sich der Bedarf an umfassenderen Systemtherapien ab und gleichzeitig der aktuelle Mangel an Prävention und Edukation.
InfoBis zu 30% aller Kinder entwickeln auch im Erwachsenenalter zeitweilig Ekzeme.
Patient:innen mit atopischer Dermatitis sollten darüber aufgeklärt werden, dass sie ein vierfach erhöhtes Risiko haben, beruflich bedingte Handekzeme zu entwickeln. Daher sollten Irritationen und Kontaktallergene gemieden werden und auch von „Feuchtberufen“ (z.B. Reinigung, Friseurbetrieb) abgeraten werden.
MerkeBei dem begründeten Verdacht auf ein beruflich bedingtes Ekzem muss dies gemeldet werden und gleichzeitig ein dermatologisches Konsil erfolgen.
Basistherapie
Die Stärkung der Hautbarriere und gleichzeitig Maßnahmen zur Vermeidung von irritativen Reizen sind Ziele der Basistherapie. Die Anwendung der Basistherapie sollte dauerhaft und auch außerhalb des Krankheitsschubes erfolgen. Bei milder Ausprägung der atopischen Dermatitis kann sie auch alleine ausreichend sein. Nur im akuten Schub sollte eine Kombination mit Entzündungshemmern und intensivierter Basistherapie zweimal täglich durchgeführt werden. Da die atopische Dermatitis durch unterschiedliche klimatische Bedingungen beeinflusst wird, muss auch bei der Basistherapie auf diese Unterschiede geachtet werden, da zum Beispiel vor allem im Winter eine Exazerbation zu befürchten ist, sollte die Hautbarriere hier besondere Pflege erfahren. In empfindlichen Arealen wie z.B. dem Gesicht sollten andere bzw. mildere Wirkstoffe Verwendung finden. Chronische Läsionen bedürfen ebenfalls einer Therapie mit lipophilen Grundstoffen. Nebenwirkungen der Basistherapie können vor allem bei akuten Läsionen auftreten und umfassen Stechen und Brennen, genau so wie andere irritative oder allergische Reaktionen.
- Wirkstofffreie Emollienzien mit Haut-pH von 5,5 und ohne Duftstoffe
- Duftstoffe können reizend wirken und Sensibilisierungen auslösen
- Verzicht auf Konservierungsstoffe
- Hydratation des Stratum corneum durch Topika mit Propylenglykol, Harnstoff
oder Glycerin - Versorgung mit rückfettenden Topika
AchtungChronische Läsionen benötigen, unabhängig von ihrer Entität, eine okklusive Therapie mit lipophilen Stoffen, wohingegen bei akuten Läsionen hydrophile Topika Anwendung finden. Durch Okklusion mit lipophilen Substanzen würden akute Läsionen verschlimmert werden.
Die richtige und vor allem ausreichende Menge der angewandten Topika ist entscheidend für eine erfolgreiche Basistherapie und wird mit der Finger-Tip-Unit beschrieben: Die Salbenmenge, die zwischen Fingerspitze und distalem Interphalangealgelenk aufgetragen wird, reicht für ungefähr 2% der Körperoberfläche.
- Ölhaltige Bäder sind für Patient:innen und vor allem betroffene Kinder dem Duschen vorzuziehen
- Tägliches duschen korreliert nicht mit der Krankheitsschwere und ist deshalb nicht kontraindiziert, wie lange angenommen
- Die Reinigung sollte gründlich, allerdings auch schonend und sorgfältig sein
- Durch Zugabe von Natriumchlorid können die Bäder zur Keratolyse beitragen. Hierdurch wird durch Kombination mit UV-Therapie der Effekt der Balneotherapie im toten Meer nachgeahmt
- Feuchte Wickel: Anzuwenden bei akut nässenden Läsionen (bis das Nässen aufhört)
- Bei Zeichen der Superinfektion erfolgt begleitend eine topische antiseptische Therapie (systemische Anwendung, wenn die Infektion ausgeprägt ist)
- Wenn sinnvoll, auch in Kombination mit topischen Glukokortikoiden
anwendbar
Die konsequente Anwendung der Basistherapie dient als Sekundär- und Tertiärprävention, indem eine Ausbreitung und Sekundärinfektion im Optimalfall verhindert wird.
AchtungWenn Patient:innen eine entzündungshemmende Therapie benötigen, allerdings nur Basistherapie erhalten, besteht ein erhöhtes Risiko der Dissemination von bakteriellen oder viralen Infektionen!
Eigene Abbildung
Topische Therapie
Antiinflammatorische Therapie
Angewandt werden vor allem Glukokortikoide
- Delgocitinib und Ruxolitinib
- Topische JAK-1/2 Inhibitoren
- Befinden sich in Europa aktuell in Phase 3-Studien und zeigten sich sogar wirksamer als Triamcinolon (Glukokortikoid
der Klasse III) - In Deutschland sind die Wirkstoffe allerdings noch nicht zugelassen
- Tapinarof
- Ein Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor-Agonist
- Ist in den USA bereits für die Therapie der Psoriasis vulgaris
zugelassen - Zeigte in Phase 3-Studien in Bezug auf Fälle mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis ein gutes Ansprechen
Topische Glukokortikoide
Topische Glukokortikoide
- Leichte AD: Hydrocortison
- Mittelschwere AD: Mometasonfuroat
- Schwere AD: Clobetasolpropionat
InfoFunktionsmechanismus der Glukokortikoide
Glukokortikoide
sind lipophil und haben ein geringes Molekulargewicht. Diese Eigenschaften sorgen für gutes Eindringen in die Haut und Bindung an Steroidrezeptoren im Zytoplasma : Es kommt zu einer verringerten Synthese proinflammatorischer Zytokine bei gesteigerter Synthese entzündungshemmender Mediatoren.
- Glukokortikoide
haben eine immunsuppressive Wirkung, hemmen u.a. T-Lymphozyten - Nach Niedner werden topische Glukokortikoide
in die Klassen I bis IV (schwach wirksam bis sehr stark wirksam) eingeteilt
AchtungIm Gesicht nur Klasse I und II, immer nur für wenige Tage.
- Die modernen, doppelt veresterten Glukokortikoide
haben ein niedriges atrophogenes Potenzial (z.B. Prednicarbat) - Langfristige Einsparung von Glukokortikoiden
durch frühzeitigen Beginn und intensive Anwendung während des akuten Schubs - Bereits eine einmal täglich angewandte Therapie mit einem Glukorkortikoid der Klasse I kann Juckreiz lindern
- Nach längerer Anwendung muss man auch die topische Therapie ausschleichen
- Langfristig proaktive Therapie bei mittelschwerer bis schwerer atopischen Dermatitis
- Mittel/starke Glukokortikoide
(z.B. Fluticasonproprionat III oder Methylprednisolonaceponat 0,1% II)
- Mittel/starke Glukokortikoide
- Nebenwirkungen:
- Klasse III/IV können systemisch resorbiert werden und führen eher zu Nebennierenrinden-Suppression
- Fälle von signifikanter Suppression sind trotzdem selten
- Hautatrophie
(Verdünnung und Fältelung, Teleangiektasien, spontane Narbenbildung, Ekchymosen, Dehnungsstreifen und Hypertrichose) - Selten Kontaktallergie
- Potenziell Erhöhung des Augeninnendrucks
- Im Gesicht ist eine rosaceaähnliche Dermatitis möglich
- Klasse III/IV können systemisch resorbiert werden und führen eher zu Nebennierenrinden-Suppression
- Monitoring durch körperliche Untersuchung und regelmäßige Juckreiz-Evaluation durch die numerische Rating-Skala (NRS
) - Keine Kombination mit Calcineurininhibitoren
an der gleichen Lokalisation, beim Ausschleichen ist dies ggf. als Übergang sinnvoll
InfoIm Gesicht werden eher Calcineurininhibitoren
angewandt, da diese besser verträglich auf der empfindlichen Gesichtshaut sind
Topische Calcineurininhibitoren
Calcineurininhibitoren
MerkeBei längerfristiger Anwendung sollte von Steroiden auf alternative Wirkstoffe wie Tacrolimus 0,03% bis 0,1% oder Pimecrolimus 1% zurückgegriffen werden.
- Proaktive Langzeitbehandlung über 12 Monate mit 0,1% Tacrolimus. Hiermit erreicht man eine gute Prävention von Schüben
- Nebenwirkungen:
- Vorrübergehendes Wärmegefühl
- Kribbeln oder Brennen an Applikationsstelle
- Teilweise temporäre Verschlechterung des Hautbefundes
TippEmpfohlen ist eine geringe Sonnenexposition. Die systemische Gabe erhöht das Hautkrebsrisiko.
- Monitoring durch körperliche Untersuchung auf kutane Veränderungen
- Off-label-use in Schwangerschaft und Stillzeit
- Kein teratogenes Potenzial bekannt
- Allerdings wurde aus ethischen Gründen auch keine Studie an Schwangeren explizit durchgeführt
MerkeTopische Glukokortikoide
und Calcineurininhibitoren sind die einzigen in Europa zugelassenen topischen Therapieoptionen der atopischen Dermatitis.
Antimikrobielle Therapie
Antibiotische Therapie
Eine antibiotische Therapie sollte nur bei Patient:innen mit evidenter Superinfektion eingeleitet werden.
AchtungBei großflächigem Befall sind systemische Antibiotika
indiziert, weil die topische Anwendung die Gefahr der Resistenzentwicklung erhöht.
Bei Patient:innen mit atopischer Dermatitis liegt die Prävalenz der Kolonisierung mit Staphylococcus aureus
- Staphylococcus aureus
kann ekzematöse Entzündungen durch eine Toxinfreisetzung und damit einhergehender verstärkter T-Zell-Aktivierung triggern - Zusätzlich wird spezifisches IgE gegen die Bakterien gebildet
- Vermehrt produziertes IL-31 sorgt für vermehrten Juckreiz
- Problematisch sind Superantigene, da diese zur Bildung von alternativen Glukokortikoidrezeptoren führen: Diese können eine Therapieresistenz der topischen Glukokortikoide
hervorrufen
- Gabe von Cefuroxim oder Clindamycin
(vor der Gabe empfiehlt es sich Blutkulturen zu kultivieren)s
Antivirale Therapie
Das Ekzema herpeticatum, welches durch Herpes simplex Viren HSV ausgelöst wird, ist eine der schwerwiegendsten Komplikationen der atopischen Dermatitis und erfordert umgehend eine systemische antivirale Therapie.
MerkeDas Krankheitsbild zeigt monomorphe, disseminierte Bläschen
und zusätzliche Allgemeinsymptome wie Fieber und Lymphadenopathie.
- Insbesondere Kinder sind betroffen, wenn sie eine Erstinfektion mit HSV durchmachen
- Eine Infektion kann lokale und systemische bakterielle Infektion begünstigen
- Klinische Diagnose = Therapiebeginn
- Therapie mittels Aciclovir oder Valaciclovir
- Die entzündungshemmende Therapie kann weitergeführt werden
InfoImpfempfehlung
Die aktuellen Impfempfehlungen gelten für Patient:innen mit atopischer Dermatitis genau so wie für gesunde Kinder bzw. Erwachsene, demnach ist auch eine Varizella-Zoster-Impfung von Kindern mit atopischer Dermatitis empfohlen.
Differentialdiagnosen des Ekzema herpeticatum
Patient:innen mit atopischer Dermatitis neigen vermehrt zur Entwicklung von einem Molluscum contagiosum
- I.d.R. selbstlimitierend, daher sollte die Therapie nach Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen
- Therapie potenziell mit Narbenbildung oder Trauma bei Kindern verbunden
Das Ekzema coxsackium tritt vorwiegend bei Kindern auf.
Antimykotische Therapie
Eine Infektion mit Dermatophyten sollte gemäß der Therapieempfehlungen behandelt werden.
- Malassezia furfur kann bei Patient:innen mit atopischer Dermatitis eine pathogene Funktion haben: durch die gestörte Hautbarriere aktiviert es dendritische Zellen
und die Zytokinausschüttung - Sensibilisierung gegen Malassezia kann mit einer Krankheitsaktivität korrelieren
- Für die Systemtherapie kommen Imidazolderivate infrage, auch eine topische Therapie mit Ketokonazol ist möglich, allerdings oft nicht ausreichend
Antipruriginöse Therapie
Der Ansatz der Juckreiz-lindernden Therapie ist multidimensional und umfasst medikamentöse und psychische Aspekte sowie die Auslöschung von Triggerfaktoren.
- Stress-Reduktion, Psychoedukation, Psychotherapie (v.a. kognitive Verhaltenstherapie)
- Antiinflammatorische topische und systemische Behandlungen zur Juckreiz-Reduktion und gleichzeitig zur Kontrolle der Ekzemherde
- Dupilumab lindert als IL-4 und IL-13-Inhibitor den Juckreiz nach 2 bis 5 Tagen
- Capsaicin-Cremes
- Durch die heiße bzw. scharfe Wirkung kommt es zu einer Depletierung von Neuropeptiden und somit zu einer Veränderung der neuronalen Antwort, initial ist die Therapie oft reizend und wird deshalb von Patient:innen nicht gut toleriert
- UV-Therapie ist zeitlich befristet bei Erwachsenen einsetzbar
- Insbesondere die Nutzung von Schmalband-UVB- und UVA1-Strahlung
- Polidocanol +5% Harnstoff (nicht zugelassen in Europa, kann allerdings rezeptfrei gekauft werden)
AchtungFür eine Langzeittherapie mit systemischen Antihistaminika gibt es laut aktueller Leitlinie keine Empfehlung, da sich in Studien kein Beleg für die Juckreizreduktion liefern ließ. Lediglich Fexofenadin hatte minimal juckreizlindernden Effekt.
Systemtherapie
Bei schweren Verläufen, unter Ausschöpfen der topischen Therapiemodalitäten oder Komplikationen, ist die Einleitung einer systemischen Therapie indiziert. Hierzu stehen vor allem Antikörper und Immunsuppressiva
TippAuch um Glukokortikoide
zu sparen, ergibt sich bei frustraner topischer Therapie der sinnvolle Nutzen von Systemtherapien. Auch wenn Glukokortikoide auch in systemischer Form kurzfristig Anwendung finden, um die Kontrolle über die Hauterscheinungen zu erlangen.
Die Indikation der systemischen Therapien soll standardisiert dokumentiert werden und ergibt sich aus drei unterschiedlichen Definitionen:
- Skalendefinition: Hohe Werte in den klassischen Scores (SCORAD oder EASI)
- Funktionale Definition: Ausschöpfen der anderen Therapieoptionen und frustrane Therapie
- Soziale Definition: Die angewandte Therapie ist zwar geeignet, allerdings ist für die Patient:innen keine Alltagsteilnahme möglich (Quantifizierung mithilfe des DLQI)
In der Vergangenheit wurden breit wirksame Immunsuppressiva
MerkeBei manifesten Läsionen soll die Systemtherapie mit einer topischen antientzündlichen Therapie kombiniert werden.
Biologika
- Dupilumab: Ein humaner monoklonaler IgG4-Antikörper, der auf IL-4 und IL-13 abzielt
- Nutzung in der Intervall- und Langzeittherapie von Kindern und Erwachsenen zugelassen
- Vor allem indiziert, wenn gleichzeitig Asthma, Rhinosinusitis, Purigo nodularis oder eosinophile Ösophagitis
vorliegen (deckt mehrere Th2-assoziierte entzündliche Erkrankungen ab) - Mildert den klinischen Befund und lindert Juckreiz, ist bei intrinsischer und extrinsischer atopischer Dermatitis wirksam
- Initialdosis:
- Kein Monitoring nötig
- Nebenwirkungen:
- Konjunktivitis (topische Therapie ohne Absetzen des Medikaments)
- Assoziation zu Auftreten von Psoriasis vulgaris
, rheumatoider Arthritis, Morbus Crohn : Patient:innen mit Komorbiditäten sollten regelmäßig nach Symptomen gefragt werden
- Kombinationstherapie mit einer topischen Therapie und UV-Therapie sind möglich
- Tralokinumab: monoklonaler IgG-Antikörper der IL-13 inhibiert
- Initialdosis:
- Die Wirkung ist etwas schwächer als die von Dupilumab, hat aber weniger okuläre Nebenwirkungen
- Initialdosis:
Ciclosporin A
- In schweren Fällen kann eine systemische immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin A in Erwägung gezogen werden, die Anwendung findet vor allem im Intervall statt
- Ciclosporin A hemmt die Aktivierung und Vermehrung von T-Zellen, indem die NFAT-abhängige (nuclear factor of activated t-cells) Zytokinproduktion blockiert wird
- Initialdosis:
- Akut:
- Langzeittherapie:
- Bei gutem Ansprechen ist eine Unterbrechung nach 4–6 Monaten möglich, bei schweren Verläufen kann die Therapie bis zu 6 Monate fortgeführt werden.
- In Ausnahmefällen kann die Anwendung bis zu einem Jahr lang unter Monitoring erfolgen
- Akut:
TippZu Beginn höhere Dosen (bis 5 mg/kg Körpergewicht), um schnelleres Ansprechen zu erreichen.
AchtungSchrittweise Reduktion der Dosis um 0,5-1,0 mg/kg Körpergewicht pro Tag in zweiwöchigen Abständen bis die individuelle Erhaltungsdosis erreicht ist.
- Keine Kombination mit UV-Therapien
- Auch Sonnenexposition sollte vermieden werden, da das Risiko der Hautmalignome erhöht ist
- Monitoring:
- Blutdruck und Nierenfunktion
- Befragung und klinische Untersuchung: In den ersten 2 Monaten alle 1–2 Wochen, danach alle 4 Wochen
- Labor: BSG, CRP
, Blutbild und Thrombozyten , AP , GPT , Kreatinin , Kalium , U-Stix - Dosisanpassung unter Therapie bei Kreatininanstieg und arterieller Hypertonie
- Blutdruck und Nierenfunktion
MerkeBei Kindern Off-Label-Use (zugelassen ab 16 Jahren). Gabe auch in der Schwangerschaft möglich.
- Empfohlen wird eine Kombination mit Emollienzien in Form der Basistherapie und begleitender topischer Therapie (Glukokortikoide
oder Calcineurininhibitoren ) - Wirkungseintritt nach ca. 4–8 Wochen, wenn sich nach 6 Monaten (inklusive 3 Monate Therapie unter der Maximaldosis) kein Erfolg einstellt, sollte die Therapie beendet werden
Systemische Glukokortikoide
- Der aktivierte Glukokortikoidrezeptorkomplex reguliert die Expression entzündungshemmender Proteine und unterdrückt entzündungsfördernde Prozesse
- Anwendung zur Kurzzeittherapie über maximal drei Wochen als Rescue-Therapie in akuten Fällen durch den schnellen Wirkeintritt
- Keine Eignung zur Langzeittherapie aufgrund der Nebenwirkungen
- Bei kurzer Anwendung weisen Glukokortikoide
eine hohe therapeutische Breite auf, ihre Toxizität ist abhängig von der mittleren Dosis, der kumulativen Dosis und der Dauer der Anwendung
- Mit Glukokortikoiden
ist eine langfristige Remission nicht erreichbar - Initialdosis:
- Zusätzlich Kombination mit der Basistherapie und topischer antientzündlicher Therapie sowie bei Bedarf UV-Licht
- Nebenwirkungen: Hautatrophie
, Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Hyperglykämie, neu aufgetretener Diabetes , Magengeschwüre/Gastritis, Osteoporose, Infektanfälligkeit, Nebennierensuppression
JAK-Inhibitoren
- Januskinasen sind zytoplasmatische Tyrosinkinasen, die an den intrazellulären Teil von Zytokinrezeptorketten andocken, um mit diesen Signalkomplexen zu bilden
- Die Signalkomplexe regulieren Entzündungsprozesse durch Aktivierung zytoplasmatischer Transkriptionsfaktoren. Diese wandern in den Zellkern und regulieren die Expression von Entzündungsmediatoren positiv oder negativ. Durch diese Art der Inhibition wird eine breitere Hemmung als die eines einzelnen Zytokinweges erzielt
- Je nach Präparat wird eine unterschiedlich starke Hemmung bewirkt, daher kommen unterschiedliche Wirkungsgrade zustande
- JAK-Inhibitoren haben zusätzlich zu ihrem schnellen Wirkeintritt einen positiven Einfluss auf die Hautbarriere und lindern den Juckreiz
- Intervall- oder Langzeittherapie sind mit JAK-Inhibitoren möglich
- Langzeittherapie der atopischen Dermatitis und Intervalltherapie bei Sonderformen
TippEine Kombination mit der topischen Therapie ist möglich und kann einen synergistischen Effekt bewirken
AchtungEine Antivirale Wirkung von Typ-1-Interferonen wird blockiert, daher Infektanfälligkeit erhöht
- Kontraindikationen: Vorbekannte thromboembolische Ereignisse oder genetisch bedingtes erhöhtes Thromboserisiko
- Wenn Lymphozyten <500/µl, neutrophile Granulozyten <1000/µl oder Hb <8 g/dl keine Therapie oder Unterbrechung
AchtungDer Einsatz sollte nur erfolgen, wenn alle Therapieoptionen ausgeschöpft wurden. Bei Patient:innen über 65 Jahren, kardiovaskulären Vorerkrankungen, Raucher:innen, Patient:innen mit erhöhtem Krebsrisiko, vorherrschendes Thrombembolierisiko (TVT, Lungenembolie
) sollte die darauf verzichtet werden.
- Ein Screening vor Einleitung der Therapie, zur Risikoermittlung von latenten und chronischen Infektionen, wird von Rheumatolog:innen empfohlen:
- Evaluation des Allgemeinzustandes und Ausschluss einer aktiven Infektion
- Impfstatus
- Hepatitis B
- Schwangerschaftstest
- Testung auf latente oder aktive Tuberkulose: Röntgen-Thorax
, IGRA - Labor: BSG, CRP
, großes Blutbild , GOT /GPT , Kreatinin , Lipidstatus
- Evaluation des Allgemeinzustandes und Ausschluss einer aktiven Infektion
- Monitoring:
- Regelmäßige Hautuntersuchungen bei allen Patient:innen
- Infektionszeichen (v.a. Infektionen der oberen Atemwege oder Herpes zoster
), andere Infektzeichen wie Fieber , Diarrhoe oder auch Gewichtsverlust - BSG/CRP
, großes Blutbild , GOT und GPT in den ersten 3 Monaten alle 4 Wochen, danach größere Intervalle
InfoEine Erhöhung der Kreatinkinase
unter der Therapie ist möglich, es kommt in der Regel aber nicht zur Rhabdomyolyse
Weitere Wirkstoffe
- Abrocitinib bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bis zu einem Alter von 64 Jahren
- Eingeleitet wird in einer höheren Dosierung, danach erfolgt entsprechend dem klinischen Verlauf eine Anpassung
- Baricitinib vor allem bei gleichzeitiger Alopecia areata und rheumatoider Arthritis
- Nebenwirkungen: Akne, Kopfschmerzen
, Infekte der oberen Atemwege, Erhöhung des LDL -Cholesterin - Kombination mit MTX
bei rheumatoider Arthritis
- Upadacitinib bei gleichzeitigem Vorliegen von rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Colitis ulcerosa
oder ankylosierender Spondylitis - Vor allem zu Beginn ist das Ansprechen im Vergleich zu Dupilumab besser
- Nebenwirkungen: Infekte der oberen Atemwege, Akne, Übelkeit und Kopfschmerzen
- Kombination mit MTX
bei rheumatoider Arthritis
AchtungSowohl Biologika als auch JAK-Inhibitoren sind sehr teuer und benötigen deshalb eine genaue Prüfung der Indikation.
InfoOff-label Therapien
Off-label Therapien treten zunehmend in den Hintergrund und ihre Anwendung ergibt nur Sinn, wenn andere Therapien ausgeschöpft sind. Zu den Off-label angwandten Präparaten gehören Azathioprin
, Mycofenolat-Mofetil (MMF ), Methotrexat (MTX ) und Alitretinoin.
AchtungDer IgE-Antikörper Omalizumab
wird nicht bei der atopischen Dermatitis angewandt, kann aber bei chronisch spontaner Urticaria und Asthma bronchiale eingesetzt werden.
Nicht-medikamentöse Therapie
Die nicht-medikamentösen Therapieoptionen haben vor allem einen ergänzenden Effekt in der Therapie mit topischen Mitteln oder der Systemtherapie. Sie zielen insbesondere auf die Begleitsymptome ab.
Lichttherapie
- Die UV-Therapie (vor allem UVB-Schmalspektrum und UVA-Strahlung) wird bei mittelschweren bis schweren Verläufen eingesetzt, wenn topische Behandlungen nicht ausreichend wirken
- Mittlere Dosen und maximal zwei Zyklen pro Jahr
- Während Phototherapie Begleitbehandlung mit Topika
- Kontraindikation: erhöhtes Hautkrebsrisiko und Immunsuppression
Psychoedukative, psychosoziale und psychotherapeutische Maßnahmen
- Bedarfsgerechter Einsatz
- Schulungen für Sorgeberechtigte von Kindern und Patient:innen über 13 Jahren
- Patient:innenzentriert, ganzheitlich orientiert und interdisziplinär
- Das Ziel der Maßnahmen sind bessere Adhärenz
, besseres Coping mit der Erkrankung und dadurch eine Erhöhung der Lebensqualität - Psychoedukation
InfoDie reduzierte Lebensqualität der Patient:innen ergibt sich oft durch eine geringe Therapieadhärenz, die durch Aufklärung und Patient:innenschulungen optimiert werden soll.
MerkeEs existiert eine wechselseitige Beziehung zwischen der atopischen Dermatitis und der psychischen Komorbidität. Stress und belastende Emotionen können Erkrankungsschübe auslösen, genau so können allerdings Erkrankungsschübe bei den Patient:innen psychische Auswirkungen haben.
Entspannungsverfahren
- Progressive Muskelrelaxation PMR, autogenes Training, Yoga oder andere Methoden zum Stressabbau
- Ziel: Entspannungsförderung
Nahrungsmittelallergien und diätische Interventionen
- Es sind keine allgemeinen diätischen Maßnahmen empfohlen
- Vor allem Kinder sind häufiger von Nahrungsmittelallergien
betroffen, hierbei ist die Komorbidität mit dem Schweregrad assoziiert - Mit dem Alter kommt es oft zum spontanen Ausheilen der Nahrungsmittelallergien
- Mit dem Alter kommt es oft zum spontanen Ausheilen der Nahrungsmittelallergien
- Testung auf Sensibilisierung mit in-vivo (Pricktest
) und in-vitro (IgE im Serum )-Testungen - Provokationstest unter ärztlicher Aufsicht und mit Notfallausrüstung bei V.a. klinische Relevanz bei bekannter Sensibilisierung
InfoEisen
und Folsäure bieten einen schützendem Effekt.
- Allergenspezifische Immuntherapien sind bei Asthma
und Rhinokonjunktivitis indiziert, allerdings gibt es keine Zulassung für die atopische Dermatitis
Komplikationen
Die atopische Dermatitis geht sowohl ohne als auch mit adäquater Therapie mit unterschiedlichen Komplikationen und Komorbiditäten einher. Hierzu gehören zum einen durch das von der Norm abweichende Hautbild, durch Stigmatisierung bedingte psychische Erkrankungen sowie Sekundärinfektionen durch die gestörte Hautbarriere. Somatische Komplikationen treten in seltenen Fällen auf und betreffen dann vorrangig Augenerkrankungen, Gedeihstörung bei schwer betroffenen Säuglingen sowie Alopecia areata.
MerkeDas Risiko von Hautinfektionen kann durch die Kontrolle der Hauterkrankung gemindert werden.
Sekundäre Hautinfektionen
Eine der häufigsten Komplikationen der atopischen Dermatitis sind sekundäre bakterielle Hautinfektionen. Diese werden meist durch Staphylococcus aureus
- Impetiginisierung: Krustige, nässende Läsionen, die oft durch bakterielle Superinfektionen entstehen.
- Erysipel
: Scharf begrenzte, schmerzhafte Rötungen und Schwellungen, die Fieber verursachen können. - Follikulitis
: Entzündungen der Haarfollikel durch bakterielle Infektionen.
Neben bakteriellen Infektionen treten auch virale Infektionen auf, wie etwa das Ekzema herpeticatum, eine Infektion durch den HSV verursacht. Diese kann schwerwiegende systemische Komplikationen zur Folge haben und erfordert eine schnelle antivirale Therapie. Patient:innen sind zusätzlich öfter von Mollusca contagiosa und Verrucae vulgares betroffen. Eine weitere Sonderform ist das Ekzema coxsackium bei atopischer Dermatitis. Ebenfalls haben Betroffene ein erhöhtes Risiko Mykosen zu entwickeln, hierbei sind neben den klassischen Dermatophyten, Malassezia Spezies verantwortlich.
Ekzembedingte Augenkomplikationen
Atopische Dermatitis kann auch Komplikationen im Augenbereich verursachen. Die Haut um die Augen ist besonders empfindlich und kann durch ständiges Kratzen und Entzündungen beeinträchtigt werden. Mögliche Augenkomplikationen umfassen:
- Blepharitis: Entzündung der Augenlider
- Keratokonjunktivitis: Entzündung der Binde- und Hornhaut des Auges, die das Risiko für Sehstörungen erhöht
- Keratokonus: Eine Ausdünnung und Verformung der Hornhaut, die durch mechanische Reizung (z.B. häufiges Reiben der Augen) verstärkt werden kann
AchtungBei schweren und unbehandelten Fällen kann es zu bleibenden Sehstörungen kommen.
Neurodermitis-Handekzem
Patienten mit atopischer Dermatitis haben ein erhöhtes Risiko, ein Handekzem zu entwickeln. Insbesondere dann, wenn sie in Berufen arbeiten, in denen die Hände häufig chemischen Substanzen, Wasser oder Reizstoffen ausgesetzt sind. Diese berufsbedingte Verschlechterung kann zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen und die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen.
Allergische Begleiterkrankungen
Die atopische Dermatitis gehört zum atopischen Formenkreis, der auch andere allergische Erkrankungen umfasst. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von:
- Asthma bronchiale
: Bei vielen Patienten mit atopischer Dermatitis treten im Laufe des Lebens weitere Erkrankungen des atopischen Formenkreises auf („atopischer Marsch“), hierzu gehört auch das allergische Asthma - Allergische Rhinitis (Heuschnupfen): Häufig in Verbindung mit atopischer Dermatitis, besonders bei Kindern
Die Prävalenz dieser Begleiterkrankungen ist bei Patienten mit atopischer Dermatitis deutlich erhöht, was eine umfassende allergologische Abklärung erforderlich macht.
InfoErkrankungen des atopischen Formenkreisen können auch alleine auftreten, allerdings haben viele Patient:innen die Neigung zu weiteren Erkrankungen.
Psychosoziale Komplikationen
Eine oft unterschätzte, aber schwerwiegende Komplikation der atopischen Dermatitis sind die psychosozialen Auswirkungen. Der chronische Juckreiz, das sichtbare Erscheinungsbild der Haut und der unberechenbare Verlauf der Krankheit können zu erheblichen psychischen Belastungen führen:
- Depression und Angststörungen: Patienten mit atopischer Dermatitis haben ein erhöhtes Risiko, psychische Erkrankungen zu entwickeln, da die Erkrankung oft mit Schlafstörungen, sozialer Isolation und einem verminderten Selbstwertgefühl einhergeht
- Schlafstörungen: Nächtlicher Juckreiz führt zu chronischem Schlafmangel, was wiederum die Lebensqualität und die psychische Gesundheit weiter verschlechtert
MerkeZusätzlich gefördert wird das Auftreten von psychischen Erkrankungen durch Hilflosigkeit in Bezug auf die Erkrankung und fehlende Krankheitsbewältigung.
Nahrungsmittelallergien
Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern mit atopischer Dermatitis besteht ein erhöhtes Risiko für Nahrungsmittelallergien
Wachstumsstörungen bei Kindern
Kinder mit schwerer atopischer Dermatitis können aufgrund des chronischen Krankheitsverlaufs und möglicher Einschränkungen in der Nahrungsaufnahme (aufgrund von Nahrungsmittelallergien
AchtungDa systemische Glukokortikoide
das Wachstum beeinträchtigen können, sollen diese weder in der Kindheit noch im Erwachsenenalter langfristig verabreicht werden.
Therapiebedingte Komplikationen
Einige der eingesetzten Therapien zur Behandlung der atopischen Dermatitis können ebenfalls Komplikationen verursachen:
- Langfristige Anwendung von topischen Kortikosteroiden: Dies kann zu Hautverdünnung (Atrophie
), Teleangiektasien und Striae führen - Calcineurininhibitoren
: Tacrolimus und Pimecrolimus sind zwar sicherer für den Langzeitgebrauch als Steroide, es gibt jedoch Berichte über ein leicht erhöhtes Risiko für Hautinfektionen und potenziell Hautkrebs bei langfristiger Anwendung - Systemische Immunsuppressiva
: Medikamente wie Ciclosporin können bei langfristiger Anwendung Nierenprobleme und Bluthochdruck verursachen
Ekzema herpeticatum
Das Ekzema herpeticatum wird durch HSV ausgelöst und beschreibt eine flächenhafte Infektion der Haut. Die Assoziation zur atopischen Dermatitis rührt daher, dass das infektiöse Sekret durch Autoinokulation beim Kratzen verbreitet wird.
- Flächenhafte Ausdehnung der klassischen Herpesbläschen mit Ulzeration im Verlauf
- Fieber
- Schweres Krankheitsgefühl
Insbesondere bei Kindern und immunsupprimierten Patient:innen gilt das Ekzema herpeticatum als lebensbedrohlicher Notfall, der bereits bei Verdacht eine stationäre Krankenhauseinweisung und eine sofortige Therapie mit hochdosiertem intravenösem Aciclovir und topischer Desinfektion erfordert. Komplikationen sind die Herpessepsis oder die Herpes-simplex-Enzephalitis.
InfoUnbehandelt liegt die Sterblichkeitsrate bei 6-10%.
Ekzema coxsackium
Das Ekzema coxsackium, auch atypische Hand-Fuß-Mund-Krankheit genannt, tritt in der Regel nur bei der atopischen Dermatitis auf und wird durch Coxsackieviren der Typen A16 und A6 ausgelöst.
- Initial weisen die Patient:innen ein vesikulobullöses, symmetrisches Exanthem auf
- Befall von über 10% der Körperoberfläche bei einem Großteil der Patient:innen
- Das Exanthem ist nicht nur an den klassischen Bereichen der Hand-Fuß-Mund-Erkrankung zu finden, sondern auch perioral, an den Extremitäten und am Rumpf
- Andere Morphologien: Petechiale bzw. purpurische Veränderungen sowie groblamelläre Abschuppungen an Handflächen und Fußsohlen
Die Therapie erfolgt in der Regel symptomatisch mit klassischen Ekzem-Therapien. Die Erkrankung ist selbstlimitierend und hat keine schwerwiegenden Komplikationen zur Folge.
Schwangerschaft und Stillzeit
Patientinnen mit atopischer Dermatitis können unter Umständen eine Verschlimmerung der Erkrankung, meist im 2. oder 3. Trimenon erfahren. Möglich ist auch eine Erstmanifestation während der Schwangerschaft, dann treten die Hautveränderungen bereits im ersten Trimenon auf. Während der Schwangerschaft neigen sowohl Ärzt:innen als auch Patientinnen dazu, topische und systemische Therapeutika zu reduzieren. Potenziell sind allerdings schwerwiegende Nebenwirkungen wie Staphylococcus aureus
MerkeAtopische Dermatitis stellt einen Risikofaktor für eine Staphylokokkensepsis des Kindes dar, deshalb ist eine konsequente Therapie von Ekzemen und Zeichen von Superinfektionen vor allem vor der Geburt
nötig.
Therapie der ersten Wahl
- Die Anwendung der Basistherapie soll auch in Schwangerschaft erfolgen, da die Hautbarriere weiter gefördert wird und dadurch das Risiko von Infektionen reduziert wird
InfoStudien haben gezeigt, dass das Auftragen von Emmolienzien auf gesunder Haut bei Kindern, deren Eltern atopische Dermatitis haben, keine sinnvolle Primärprävention darstellt.
- Topische Glukokortikoide
der Klasse II/III und Calcineurininhibitoren in sensitiven Arealen - Sie gelten bei zweimal wöchentlicher Anwendung als sicher
- Kein auftragen der Topika im Brustbereich während des Stillens
- Wenn Topika nicht zur Krankheitskontrolle ausreichen, ist die Indikation einer zeitlich limitierten Schmalspektrum-UVB-Therapie gegeben, allerdings darf kein orales Psoralen eingesetzt werden
- Vor allem in der Schwangerschaft vermeidet man eine langfristige Anwendung von systemischen Glukokortikoiden
, da das Risiko eines Gestationsdiabetes steigt - Unter strenger Indikation und sorgfältiger Abwägung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses kann eine kurzzeitige Prednisolon
-Stoßtherapie mit einer Maximaldosis von 0,5 mg/kg Körpergewicht pro Tag angewendet werden
- Unter strenger Indikation und sorgfältiger Abwägung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses kann eine kurzzeitige Prednisolon
AchtungDie Anwendung hochwirksamer topischer Kortikosteroide kann mit einem geringen Geburtsgewicht assoziiert sein.
- Falls eine systemische Therapie notwendig ist, sollte diese mit Ciclosporin Off-label (2nd line) erfolgen, da für andere systemisch wirksame Medikamente die Studienlage zu gering ist oder Kontraindikationen vorliegen
Prognose
Die atopische Dermatitis ist nicht Lebenszeit-limitierend, allerdings variiert die Prognose der atopischen Dermatitis stark und hängt von mehreren Faktoren ab:
- Der Schweregrad
- Das Alter bei Krankheitsbeginn
- Die familiäre Veranlagung
MerkeDie individuelle Prognose hängt auch von der adäquaten Hautpflege, der Vermeidung von Triggern und der konsequenten Behandlung ab.
InfoBei den meisten Kindern bessert sich die Erkrankung mit zunehmendem Alter, wobei etwa 60-70% eine deutliche Verbesserung oder sogar eine spontane Remission in der Pubertät erleben. Allerdings kann die Erkrankung bei einigen Patienten bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben oder später im Leben erneut auftreten.
Bei einem Teil der Betroffenen entwickelt sich ein chronisch-rezidivierender Verlauf, der mit Schüben und symptomfreien Phasen einhergeht. Schwerere Formen der atopischen Dermatitis, insbesondere solche mit Begleiterkrankungen wie Asthma
- Oft sind die Lebensqualität und das Selbstwertgefühl der Patient:innen signifikant durch die psychische Krankheitslast sowie die Einschränkung der Funktionsfähigkeit im Alltag eingeschränkt
- Die hohe Krankheitslast in Deutschland übersteigt auch die Einbußen durch internistische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2
, kardiovaskuläre Erkrankungen und Hypertonie
Prävention
Da die atopische Dermatitis eine multifaktoriell bedingte Erkrankung ist, lassen sich nicht alle Faktoren der Erkrankung präventiv beeinflussen, dennoch kann die (sekundäre) Prävention das Auftreten von Erkrankungsschüben und die Intensität der Erkrankung vermindern. Die tertiäre Prävention bei bestehenden Ekzemherden hat das Ziel, Komplikationen zu verhindern.
Impfungen
Es wird ein Befolgen der regulären Impfempfehlungen empfohlen, allerdings sollten akute Exazerbationen abgewartet und zunächst eine Besserung des Hautbefundes erzielt werden.
- Kein erhöhtes Risiko für Impfungen und dem damit verbundenen Erstauftreten der atopischen Dermatitis
- Impfungen weisen einen protektiven Effekt auf (z.B. BCG, Masern
, VZV) - Stimulatoren des Immunsystems können Ekzemschübe auslösen
AchtungKeine Lebendimpfstoffe bei einer Therapie mit Immunsuppressiva
!
Vermeidung von Umweltfaktoren
Schon frühzeitig sollte auf den Kontakt mit potenziellen Reizstoffen und Allergenen geachtet werden:
- Tabakrauch in der Schwangerschaft und im Haushalt erhöht das Risiko für atopische Erkrankungen
- Haustiere: Der Kontakt zu Katzenhaaren in den ersten Lebensmonaten kann bei genetisch prädisponierten Kindern das Risiko für atopische Dermatitis erhöhen
- Hausstaubmilben: Eine Kontrolle der Allergenexposition durch regelmäßige Reinigung, das Vermeiden von Teppichen und das Verwenden von milbendichten Bezügen kann hilfreich sein
Vermeidung von Schüben
Bei Patienten, bei denen bereits eine atopische Dermatitis diagnostiziert wurde, liegt der Fokus der Prävention auf der Vermeidung von Krankheitsschüben und der Linderung der Symptome. Eine konsequente Hautpflege sowie die Vermeidung von Triggerfaktoren sind hier entscheidend.
- Regelmäßige Hautpflege mit rückfettenden Pflegeprodukten, dabei sollte auf Duft- und Konservierungsstoffe verzichtet werden
- Cremes oder Lotionen mit Inhaltsstoffen wie Urea oder Glycerin sind zu bevorzugen, da sie Feuchtigkeit in der Haut binden (siehe Basispflege)
Vermeidung von Triggern
Individuelle Triggerfaktoren spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Schüben. Häufige Auslöser sind:
- Allergene (z.B. Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare)
- Wollkleidung oder andere raue Textilien, die die Haut reizen
- Stress und psychosoziale Belastungen sind bekannte Auslöser für Schübe und sollten vermieden oder aktiv bewältigt werden, beispielsweise durch Entspannungstechniken
- Hitzestau und Schwitzen durch Vermeidung enger Kleidung und überhitzter Räume
- Allergenkarenz
Vermeidung von Infektionen
Patienten mit atopischer Dermatitis sind anfälliger für bakterielle, virale oder mykotische Hautinfektionen. Um das Risiko zu minimieren, sollten:
- Kratzen möglichst vermieden werden, indem der Juckreiz kontrolliert wird (z.B. durch kühlende Umschläge oder juckreizlindernde Cremes)
- Regelmäßige Pflege mit antimikrobiellen Produkten wie Chlorhexidin-haltigen Bädern kann bei Patienten mit wiederkehrenden Infektionen sinnvoll sein
Psychosoziale Unterstützung
Chronischer Juckreiz und sichtbare Hautveränderungen können das Selbstwertgefühl der Patienten stark beeinträchtigen. Eine begleitende psychosoziale Betreuung kann helfen, Stress abzubauen, der wiederum ein Triggerfaktor für Schübe ist. Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder Meditation können hier unterstützend wirken.
MerkeBei vielen dermatologischen Erkrankungen wird die psychosoziale Komponente unterschätzt, obwohl eine regelmäßige Evaluation der psychischen Belastung und ggf. eine angemessene Diagnostik auch die Therapie beeinflussen können.
Quellen
- S3-Leitlinie: https://register.awmf.org/assets/guidelines/013-027l_S3_Atopische-Dermatitis-AD-Neurodermitis-atopisches-Ekzem_2024-01.pdf
- Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/archiv/40122/Pathophysiologie-der-atopischen-Dermatitis-Neue-Erkenntnisse-und-der-Nutzen-fuer-die-Praxis
- AKDAE: https://www.akdae.de/arzneimitteltherapie/arzneiverordnung-in-der-praxis/ausgaben-archiv/ausgaben-ab-2015/ausgabe/artikel?tx_lnsissuearchive_articleshow%5Baction%5D=show&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Barticle%5D=5388&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Bcontroller%5D=Article&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Bissue%5D=30&tx_lnsissuearchive_articleshow%5Byear%5D=2022&cHash=a5deed9e29127b7b2473b2a8acfe0c18

