Zusammenfassung
Im Rettungsdienst entscheidet Teamarbeit oft im wahrsten Sinne des Wortes über Leben und Tod. Dieser Artikel zeigt dir, wie der Rettungsdienst mit Leitstelle
Du erfährst, welche Aufgaben und Zuständigkeiten die einzelnen Parteien haben und worauf es an den Schnittstellen ankommt - von der ersten Lagemeldung bis zur strukturierten Übergabe
Der professionelle Umgang mit Angehörigen und Zeug:innen als wertvolle Informationsquelle wird ebenfalls beleuchtet und zeigt, wie du deeskalierend wirkst. Der Abschnitt zur Presse hilft dir, die Rechte deiner Patientinnen und Patienten zu schützen und souverän auf Medienanfragen zu reagieren.
Ziel ist, dass du typische Stolpersteine erkennst, die Zusammenarbeit aktiv mitgestaltest und im Einsatz schnell, respektvoll und rechtssicher handelst.
Grundlagen Teamarbeit
Im Mittelpunkt der Arbeit des Rettungsdienstes steht immer der Patient oder die Patientin. Alles ist darauf ausgerichtet, Hilfe suchenden Personen zu helfen und ihnen in akuter Lebensgefahr professionell und kompetent zur Seite zu stehen. Dabei können Missverständnisse und Probleme entstehen, wenn wir mit anderen Professionen zusammenarbeiten. Jeder Berufsstand hat seinen eigenen Fokus und legt seine Prioritäten anders. Für einen reibungslosen Ablauf muss diese Dynamik in der Zusammenarbeit berücksichtigt werden.
Für den Rettungsdienst bedeutet dies daher nicht nur, mit den anderen Berufen gut zusammenarbeiten zu können, sondern auch, unter Zeitdruck ein gemeinsames Lagebild zu erstellen, Prioritäten abzustimmen und Maßnahmen koordiniert umzusetzen. Sobald mehrere professionelle Teams zusammenkommen, verändert sich die Dynamik: Rollen müssen geklärt, Informationsflüsse geregelt und Führungswege akzeptiert werden. In Notfall- und Hochstresslagen verschärfen kognitive Verzerrungen, Adrenalin
Gemeinsames Zielbild und Rollenklärung:
Prioritäten, relevante Aufgaben, Rollenverteilung - alles Punkte, die in wechselnden Teams und in der Zusammenarbeit relevant sind.
Was kann helfen?
- Regelmäßige Kurzbesprechungen: momentane Lage, Ziel definieren, Plan erstellen (mit zeitlichem Horizont)
- Zuständigkeiten klar benennen → Bsp.: Rettungsdienst führt medizinisch, Feuerwehr führt die technische Rettung und die Polizei sichert
- Ansprechpersonen klar festlegen und kennzeichnen, z.B. mit entsprechenden Funktionswesten
- Closed-Loop-Kommunikation, um widersprüchliche Aufträge und Missverständnisse zu vermeiden
Was verändert sich, bei der Zusammenarbeit verschiedener professioneller Teams?
Mit jedem zusätzlichen Team steigt die Koordinationslast → Mehr Schnittstellen und mehr potenzielle Missverständnisse können entstehen.
- Vorteile: mehr Ressourcen, spezielle Kompetenzen
- Risiko: Diffusion
von Verantwortung (irgendjemand wird es schon machen), Autoritätsgefälle, Parallelaktionen ohne Abstimmung - Gegenmittel: Lagebesprechungen. Abgleich der Prioritäten, Konfliktbenennung, explizite Entscheidungen, Führungsstrukturen kennen und beachten
Feuerwehr
Organisationsaufbau und Qualifikationen:
Die Feuerwehr gliedert sich in die Freiwillige Feuerwehr, die Berufsfeuerwehr und die Werkfeuerwehr. Die taktischen Einheiten sind in der Regel Trupp (2 Personen), Staffel (6 Personen) und Gruppe (9 Personen).
Die Führungsebenen reichen vom Truppführer über den Gruppen- bzw. Zugführer bis zur Einsatzleitung.
Spezialeinheiten: Atemschutz, technische Hilfeleistung, Höhen-/ Tiefenrettung, Wasserrettung, Gefahrstoff
Mögliche Qualifikationen sind u.a. Atemschutzgeräteträger, Maschinist, Sprechfunker und ABC-Fachkunde oder Führungslehrgänge.
Die gesetzliche Grundlage ist ebenso in jedem Bundesland mit eigenen Feuerwehrgesetzen beschrieben, darüber hinaus gibt es bundeseinheitliche Standardvorschriften.

150 Jahre FFW Trogen 20220618 HOF05125 RAW-Export 20220712004077.png von PantheraLeo1359531, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
Aufgaben und Kompetenzen:
- Brandbekämpfung, Menschenrettung, technische Rettung
- Absichern/ Absperren von Einsatzstellen, Beleuchtung, Strom, Sicherung von Infrastruktur
- Gefahrstofflage: Erkundung, Messen, Dekontamination
- Patientengerechte Rettung in Abstimmung mit Rettungsdienst
- Unterstützung bei Tragehilfe, Ausleuchten von Landeplätzen für RTH
- Gefahrenabwehr an der Einsatzstelle, Zugangssicherung, Freigabe von Arbeitsbereichen
- Anwendung schwerer Technik (Hydraulik, Sägen, Hebekissen, Abstützsysteme)
- Einrichtung von Sicherheitszonen, Atemschutzüberwachung
- Aufbau Bereitstellungsräume und Abschnittsstrukturen
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Gemeinsame Lagefeststellung mit Besprechung
- Rettungsdienst benennt medizinische Prioritäten
- Feuerwehr spiegelt Rettungstaktik (Stabilisierung, Glasmanagement, Öffnungsstrategie) und Zeitfenster
- Freigaben respektieren (Atemschutz-/ Sperrbereiche), Minimalversorgung bis Freigabe
Führungsstrukturen und Besonderheiten:
- Einsatzleiter Feuerwehr: führt die technische Lage → medizinische Führung beim Rettungsdienst, ggf. ergänzt mit NA oder LNA
- Abschnittsbildung (Technik/ Medizin/ Logistik) bei größeren Lagen → durch gemeinsame Lagebesprechungen festgelegt
- Besonderheiten: Atemschutzregeln, Lärm und Staub, Patientenschutz (Sicht-/ Wärmeschutz), Dekon-Pfade beachten
Polizei
Organisationsaufbau und Qualifikationen:
Die Polizei lässt sich in zwei Gruppen unterteilen. Einerseits gibt es die Bundespolizei, andererseits die jeweilige Landespolizei. Die gesetzliche Grundlage und die Vorschriften sind entsprechend unterschiedlich: Die Landespolizei wird von den einzelnen Bundesländern gestellt, während die Bundespolizei bundesweit im Einsatz ist und vom Bund aus koordiniert wird. Die Hauptaufgaben der Bundespolizei sind Grenzschutz, Bahn- und Luftsicherheit sowie der Schutz von Bundesorganen. Hauptaufgabe der Landespolizei liegt hingegen in der Sicherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Zu den standardmäßigen Einheiten zählen Streifen- und Einsatzhundertschaften, die Verkehrspolizei und die Kriminalpolizei sowie einige länderspezifische Spezialeinheiten wie das Spezialeinsatzkommando (SEK), die Entschärfungstrupps und die Verhandlungsgruppe.
Die Einsatzkräfte der Polizei werden meist über eigene Leitstellen alarmiert und disponiert.

München, Oktoberfesteinzug 2023, Mini-Polizeifahrzeug, 1.jpeg von Renardo la vulpo, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Aufgaben und Kompetenzen:
- Eigensicherung/ Gefahrenabwehr, Zugangsregelung, Tatort-/ Unfallaufnahme
- Verkehrslenkung, Absperren, Räumung; Schutz der Einsatzkräfte
- Personalienfeststellung, Beweissicherung, Spurenschutz
- Unterstützung bei Betroffeneninformation (z.B. Todesnachricht mit PSNV/ KIT)
- Hoheitliche Befugnisse: Platzverweise, Absperren, Festhalten, Durchsuchungen
- Freigabe von Bereichen/ Objekten nach Gefahrenlage
- Informationsführerschaft in Ermittlungs-/Tatortkontexten
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Rettungsdienst respektiert Freigabestatus, bis dahin Minimalversorgung
- Schutz der Rettungskräfte
- Zusammenarbeit bei Gewalttaten oder Zwangsunterbringungen
- Informationsaustausch (Schweigepflicht/ Datenschutz beachten)
- Abtransportwege/ Landeplatz gemeinsam sichern, Pressebereich definieren
- Dokumentation neutral (keine juristischen Wertungen), Beweiserhalt (Kleidung, Kanülen
, Fotodoku nach Absprache)
Führungsstrukturen und Besonderheiten:
- Besonderheiten: Tatortintegrität, Spurenschutz
- Mögliche Aggressions-/ Gewaltlagen, Zonenprinzip bei Amok/ Terror
- Rettungsdienstmitarbeiter:innen brauchen klare Rückzugswege
- Diese werden in polizeilichen Einsatzlagen normalerweise durch die Polizei benannt. So steht der Rettungsdienst nicht „im Weg“ und kann sich trotzdem sicher fortbewegen
- Deeskalationsstrategien, Bodycams und Presse berücksichtigen
InfoBesonderheit Amoklage
In Amoklagen erfolgt die Zusammenarbeit von Rettungsdienst und Polizei strikt nach dem Zonenprinzip (rot, gelb, grün) und unter polizeilicher Führungsverantwortung. Die medizinischen Maßnahmen beginnen erst nach polizeilicher Freigabe der jeweiligen Zone.
- Rote Zone: kein Rettungsdienst → Prinzip „Care under Threat“ (Behandlung unter akuter Bedrohung), nur lebensrettende Maßnahmen und bei kurzer Expositionszeit
- Gelbe Zone: rasche Vorbereitung und Abtransport, Maßnahmen nach TECC/ MARCH-Schemata
- Grüne Zone: weiterführende Maßnahmen, Sichtung, Transportorganisation → Rettungsdienst
Achtet auf die Anfahrt, die Streckenführung und die Zonen, um nicht aus Versehen die rote Zone zu befahren.
DefinitionTCCC und MARCH
TCCC (Tactical Combat Casualty Care) bezeichnet evidenzbasiertes Vorgehen zur Versorgung von Traumapatient:innen in einsatztaktischen Lagen. Für den zivilen Bereich existiert die Adaption TECC (Tactical Emergency Casualty Care); der Kernalgorithmus ist MARCH.
MARCH funktioniert dabei ähnlich wie das xABCDE-Schema und stellt eine Priorisierung der verschiedenen Therapiemöglichkeiten her.
M = Massive hemorrhage (massive Blutung)
A = Airway (Atemwege)
R = Respiration (Respiratorisches System)
C = Circulation (Cardiovaskuläres System)
H = Hypothermia + Head injury (Hypothermie, Schädel-Hirn-Trauma)
PSNV-Teams
Organisationsaufbau und Qualifikationen:
Die psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) gliedert sich in PSNV-B für Betroffene und PSNV-E für Einsatzkräfte. Sie unterstützt Menschen nach belastenden Notfällen und hilft ihnen dabei, psychische Belastungen zu bewältigen. Das Ziel besteht darin, psychische Folgen zu verhindern oder diese frühzeitig zu erkennen und den Betroffenen somit rechtzeitig Hilfe zukommen zu lassen. Träger sind häufig Hilfsorganisationen oder Kommunen. Die Kirche stellt oft die Notfallseelsorge bereit, die ähnliche Aufgaben übernimmt. Die entsprechenden Kräfte haben zusätzliche Qualifikationen in den Bereichen Akutintervention, Kommunikation und Übermittlung von Todesnachrichten erworben und verfügen über gute Netzwerkkenntnisse.

Notfallseelsorger.jpg von Gohnarch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Aufgaben und Kompetenzen:
- Akute psychosoziale Betreuung von Betroffenen, Angehörigen und Einsatzkräften
- Begleitung bei Todesnachrichten (mit Polizei/ Ärzt:innen)
- Ressourcenaktivierung, Vermittlung an Folgehilfen, Betreuung von Kindern/ Patient:innen
- Nachsorge/ Peer-Support für Einsatzkräfte
- Gestaltung geschützter Gesprächssituationen, Krisenkommunikation
- Umgang mit akuten Stressreaktionen, Trauer, Schuldgefühlen, kulturellen/ religiösen Bedürfnissen
- Netzwerkkoordination (Seelsorge, Jugendamt, Krisendienste)
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Rettungsdienst meldet Bedarf früh über Leitstelle, kurze Fallübergabe ohne intime medizinische Details
- Rollenklärung: PSNV übernimmt Angehörigen-/ Betroffenenbetreuung, Rettungsdienst fokussiert auf Medizin und Transport
- Rückmeldeschleife zu relevanten Beobachtungen (Suizidrisiko, Schutzbedürftige, Kinder)
- Eigener Bedarf nach traumatisierendem Einsatz
Führungsstrukturen und Besonderheiten:
- PSNV arbeitet eigenständig innerhalb definierter Abschnitte, fachlich weisungsfrei, taktisch eingebunden
- Besonderheiten: Schweigepflicht, sensible Datenverarbeitung, kulturelle/ religiöse Aspekte, ausreichend Räumlichkeit und Privatsphäre schaffen
- Schonende Sprache, klare Absprachen zur Dauer und Weitervermittlung
Katastrophenschutzeinheiten
Organisationsaufbau und Qualifikationen:
Im Katastrophenschutz gibt es viele verschiedene spezialisierte Einheiten, welche in sogenannten Schnelleinsatzgruppen (SEG) unterteilt werden, die Unterteilung ist wie folgt und kann regional abweichen oder nicht vorgehalten werden:
- SEG Behandlung: baut und betreibt Behandlungsstrukturen, wie Behandlungsplätze, führt dort die Triage durch und versorgt nach standardisierten Algorithmen
- SEG Transport: erhöht die Transportkapazität, organisiert Abtransporte nach Priorität
- SEG Betreuung: versorgt und betreut unverletzte Betroffene und Angehörige mit Unterkunft, Basisversorgung und psychosozialer Unterstützung
- SEG Technik und Logistik: stellt die benötigte Infrastruktur und Materialnachschub, hält Einsatzabschnitte technisch betriebsfähig
- SEG Information und Kommunikation (IuK): richtet Führungs- und Lageinformationsmittel ein, gewährleistet Sprechfunk
und Datennetze und unterstützt die Dokumentation und Stabsarbeit - Wasserrettung: sucht, rettet und versorgt Personen in, auf und an Gewässern und unterstützt mit Booten, Leinen- und Eisrettung, sowie bei Hochwasserlagen
- Bergwacht: führt Rettungen in unwegsamen Gelände, Höhen und Tiefen durch, stabilisiert medizinisch und organisiert den schonenden Abtransport mit Spezialtechnik
- Unterstützungsgruppe Sanitätseinsatzleitung (UG-SanEL): unterstützt die Sanitätseinsatzleitung mit Lageführung, Einsatzplanung, Abschnittskoordination und Kommunikationsmanagement
- SEG Verpflegung: stellt die Versorgung von Einsatzkräften und Betroffenen mit Speisen und Getränken sicher und trägt zur Durchhaltefähigkeit im Einsatz bei
Je nach Einsatzstichwort und Schwere des Geschehens werden unterschiedliche Einheiten alarmiert und disponiert. Dies reicht von einzelnen Fahrzeugen bis hin zu Katastrophenschutzzügen, die mehrere Einheiten umfassen.

20070428 Sanitaetszelt T1 BHP50Bay Innen links.jpg von Bnow, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Aufgaben und Kompetenzen:
- Ergänzung des Regeldienstes: zusätzliche Transport-/ Versorgungskapazitäten
- Aufbau Behandlungsplatz/ Patientenablagen, Triage, Transportorganisation
- Betreuung nicht-verletzter Betroffener, Verpflegung und Notunterkunft
- Technik/ Logistik: Materialnachschub, Zelte, Strom/ Licht, Kommunikationsschnittstellen
- Strukturaufbau für Massenlagen, Skalierung von Ressourcen
- Stabsarbeit, Lagedarstellung, Meldewege etablieren
- Patientenflusssteuerung (Sichtung → Behandlung → Transport)
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Rettungsdienst definiert medizinische Ziele, Katastrophenschutzeinheiten stellen Infrastruktur und Personal
- Einbindung von OrgL/ LNA in Transportlenkung, Dokumentationskompatibilität (Sichtungskarten, Protokolle)
- Kommunikationskanäle zwischen Behandlungsplatz, Patientenablagen, Transportkomponente
Führungsstrukturen und Besonderheiten:
- Führungsstruktur: Abschnitt Medizin, Betreuung, Technik/ Logistik → Einsatzleitung koordiniert
- Besonderheiten: Einsatzdauer, Versorgung Eigenkräfte, Nachschubmanagement, Wetter-/ Umweltfaktoren
- Übungs- und SOP-Kompatibilität (gemeinsame Standards vorhalten)
THW
Organisationsaufbau und Qualifikationen:
Das THW (Bundesanstalt Technisches Hilfswerk) ist eine Bundesanstalt mit Ortsverbänden, Zügen und Fachgruppen, die sich beispielsweise mit Räumen, Brückenbau, Notstrom, Wassergefahren, Ortung, Trinkwasser oder Infrastruktur befassen. Die Führung erfolgt durch Zugführer, Fachgruppenführer und die THW-Führungsstelle.
Qualifikationen: es werden die Bereiche Bergung, Abstützen oder Aussteifen, Pump-/ Stromgroßtechnik, Trümmer-/ Technikerkundung und Speziallogistik abgedeckt.

Thw-gkw.jpg von Euro, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Aufgaben und Kompetenzen:
- Infrastrukturhilfe (Strom, Licht, Wasser), Bau-/ Trümmerarbeiten, Zugangs-/ Zufahrtswege schaffen
- Lageerkundung mit Technik (z.B. Drohne, Ortung), Abstütz-/ Sicherungssysteme
- Logistik großvolumig (Kraftstoff, Material, Transport)
- Unterstützung bei Landeplätzen, Betreuungsstellen (Energie/ Heizung)
- Großtechnische Lösungen jenseits der Regelkräfte, Ingenieur-/ Baukompetenz
- Schneller Infrastrukturersatz (Notstrom, Behelfsbrücken), Wasserförderung/ -aufbereitung
- Eigenständige Führungseinheiten mit Schnittstellen zu kommunaler Einsatzleitung
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Rettungsdienst definiert medizinische Anforderungen, THW ermöglicht Arbeitsraum (Strom, Licht, Zugang)
- Sicherheitsabsprachen bei Bau-/ Hebearbeiten, Freigaben/ Sperrbereiche beachten
- Priorisierung: Maßnahmen mit größtem medizinischen Nutzen zuerst (z.B. Strom für Beatmung/ Heizung, Behandlungsplatz)
Führungsstrukturen und Besonderheiten:
- THW arbeitet auftragstaktisch im Rahmen der örtlichen Einsatzleitung, Fachgruppen melden an THW-Führungsstelle
- Besonderheiten: keine medizinische Regelversorgung, Fokus Infrastruktur/ Technik, Arbeitssicherheit nach Unfallversicherungsvorschriften, langandauernde Einsätze (Schicht-/ Logistikketten)
- Koordination mit Feuerwehr, Rettungsdienst, Katastrophenschutz und ggf. Polizei frühzeitig, um Doppelarbeit zu vermeiden
Sanitätsdienst
Organisationsaufbau und Qualifikationen:
In der Regel werden Sanitätsdienste von Hilfsorganisationen oder betrieblichen Werkstrukturen gestellt und sind modular aufgebaut. Die Basiseinheit ist der Sanitätstrupp, ein mobiles Erstversorgungsteam. Für die stationäre Versorgung wird eine Sanitätsstation mit Behandlungs- und Beobachtungsplätzen eingerichtet. Bei größerem Bedarf wird ein Behandlungsplatz mit definierten Kapazitäten betrieben. Die Einsatzleitung Sanitätsdienst koordiniert den Gesamteinsatz vor Ort und gliedert bei Bedarf Abschnitte. Für weiträumige Gelände ergänzen Fußtrupps, ATV-Teams oder mobile medizinische Teams die Flächenabdeckung.
Das Qualifikationsspektrum reicht von der Sanitätsausbildung über die Ausbildung zum/zur Rettungssanitäter:in bis zur Ausbildung zum/zur Notfallsanitäter:in. Je nach Risikoanalyse werden Notärzt:innen in die Struktur integriert. Je nach Abschnitt können weitere Fortbildungen von Nutzen sein. Die Leitungsfunktionen verfügen über Kenntnisse der Stabsarbeit, der Alarm- und Kommunikationsordnungen sowie der Evakuierung und der Sicherheitskonzepte nach den lokalen Vorgaben.
InfoMassenveranstaltungen
Die Besonderheit des Sanitätsdienstes liegt in der Koordination bei großen Massenveranstaltungen wie dem Oktoberfest oder großen Konzerten. Hierzu wird die Veranstaltungsfläche in mehrere Abschnitte unterteilt, um das Personal fachgerecht aufzuteilen und eine flächendeckende Versorgung zu jeder Zeit zu gewährleisten. Oft wird der Regelrettungsdienst in der Nähe dieser Veranstaltungen zusätzlich aufgestockt.
Diese Sanitätsdienste können das Ausmaß der Kapazität eines kleinen Krankenhauses erreichen und verfügen über die entsprechenden Vorhaltungen und Abteilungen.
Mitarbeiter des Roten Kreuzes beim Transport eines Verletzten oder Volltrunkenen auf dem Oktoberfest.JPG von Usien, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Aufgaben und Kompetenzen:
- Erstversorgung und Stabilisierung bei Veranstaltungen und Betrieben
- Triage/ Transportentscheidung, Betreuung leicht Verletzter/ Erkrankter
- Lage-/ Patientendokumentation, Anlaufstelle für Besucher und Belegschaft
- Voranmeldung/ Alarmierung des Rettungsdienstes und ggf. NA je nach Kriterienkatalog
- Eigenständige Versorgung im Rahmen der Qualifikation, spezifische Algorithmen
- Strukturierter Sanitätsraum (Material, Monitoring, Dokumentation), Patientenflussmanagement
- Lagebild-Erstellung für Veranstalter und Leitstelle
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Strukturierte Übergabe
inkl. Maßnahmen/Wirkung/Zeitleiste - Kriterienbasierte Nachforderung (Polytrauma, ACS
, schwierigerAtemweg etc.) - Dokumentationsübergabe/ Kompatibilität, Voranmeldung in Zielklinik ggf. über RD
- Transportwege/ Zufahrten freihalten, Rendezvous-Punkte definieren
Führungsstrukturen und Besonderheiten:
- Einsatzleitung Sanitätsdienst führt das Event sanitätsdienstlich, bei Eintreffen desRettungsdienstes medizinische Führungsübergänge klar benennen
- Besonderheiten: abweichende Standards/ Material, Publikumseffekte (Presse, Angehörige), Mengenlagen
- In Betrieben: Betriebs-SOP, Gefahrstoffe/ Arbeitsunfälle → frühzeitige Rettungsdienst-/ Feuerwehr-/ Polizei-Einbindung
Ersthelfer:innen
Ersthelfer:innen stellen die erste Ressource dar, bevor professionelle Kräfte eintreffen. Dazu zählen Laien mit Erste-Hilfe-Schulungen, Betriebs-/ Werksanitäter:innen sowie app-basiert alarmierte Ersthelfer:innen (standort- oder radiusbasiert disponiert, häufig mit AED-Anbindung). Sie leisten einen wichtigen Beitrag, indem sie Zeit für lebensrettende Maßnahmen (Reanimation
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Übernahmeformel klar: „Wir übernehmen jetzt die medizinische Versorgung.“ Sicht- und Hörkontakt herstellen
- Kurze Übergabe
der Ersthelfer:innen anhören - Nicht ignorieren
- Bedankt euch für die Hilfe!
- Auch im Nachhinein fragen, ob Bedarf für eine Nachbesprechung seitens der Ersthelfenden besteht (bei Bedarf PSNV verständigen)
- Betriebssanitäter:innen: Betriebsgefahren (Chemikalien, Maschinen), Sicherheitsfreigabe, Zugang über Werksschutz/ Schleusen
- Aufgaben nach Übergabe
gezielt nutzen: Rettungsdienst unterstützt von Ersthelfer:innen als „Task-Helfer“ (Zugang lotsen, Material holen, Sichtschutz halten, Angehörige begleiten)
Besonderheiten:
- Wertschätzung zuerst: „Danke, dass Sie begonnen haben zu drücken“ → stärkt Kooperation, reduziert Schuldgefühle
- Blameless-Kommunikation: keine Bewertungen („zu langsam/ zu wenig“), stattdessen Fakten & Wirkung
- Klare, kurze Fragen: „Was genau haben Sie wann gemacht?“ „Hat der AED analysiert/ geschockt?“
- Zeitanker setzen: Erstmaßnahme-Beginn, AED-Ankunft, Schockzeiten → für Dokumentation
- Sicherheitsansprache: Eigenschutz/ Handschuhe, Gefahrenstellen bei Betrieben: PSA
-/ Sicherungsregeln bestätigen
InfoUmgang mit Gaffern:
- Aufgaben verteilen → Beschäftigung hält von Fotoaufnahmen und ähnlichem ab
- Keine negative Reaktion, sondern ruhiges Auffordern zur Entfernung vom Einsatzort
- Sehr aufdringliche Zuschauer:innen ggf. durch die Polizei entfernen lassen, insbesondere wenn diese eure Arbeit behindert
Angehörige und Zeug:innen
Angehörige und Zeug:innen sind Schlüsselquellen für Anamnese, Medikation, Ereignisablauf und Vorbefunde. Gleichzeitig sind sie emotional stark beteiligt und beeinflussen Rahmenbedingungen (Zugang zur Wohnung, Haustiere, Dolmetschen, Dokumente/ Medikamente).
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Gezielte Informationsgewinnung:
- Ablauf, Ereignis: Beginn, Erstsymptome, beobachteter Arrest, Sturzmechanismus
- Medizinisch: Vorerkrankungen, Dauermedikation, Allergien, Antikoagulation, letzter normaler Status (z.B. „zuletzt unauffällig 13:15 Uhr“)
- Formelles: Hausarzt, Pflegegrad, Patientenverfügung/ Vorsorgevollmacht, Impfstatus (Tetanus bei Biss/ Verletzung)
- Rollenverteilung: eine Ansprechperson benennen, parallel andere um konkrete Aufgaben bitten (z.B. Ausweis, Medikamentenplan, Haustier sichern, Licht, Sichtschutz)
- Dokumente: Medikamentenplan, Arztbriefe
, implantierte Geräte-Ausweise, bei Delikt-/ Unfallverdacht polizeiliche Belange beachten (nichts reinigen/ entsorgen) - Dolmetschen: wenn nötig, professionelle Dolmetscher oder telefonische Sprachmittlung, Kinder nur begrenzt als Dolmetscher einsetzen
Besonderheiten:
- Deeskalierende Grundhaltung: ruhig, klar, aufgabenorientiert
- Psychoedukation kurz: „Wir arbeiten in Abschnitten: erst Atmung/ Kreislauf sichern, dann Schmerz, dann Transport.“
- Bad-News-Setting: wenn absehbar, kurz anbahnen, störungsarme Umgebung, PSNV anbieten
- Schutz sensibler Informationen: keine Diagnosen im Hausflur; diskrete Rückzugsorte schaffen
- Einwilligung/ mutmaßlicher Wille: bei einwilligungsunfähigen Patient:innen Angehörige zur Vorgeschichte/ Wünschen befragen, Entscheidungen dokumentieren
- Grenzen setzen: bei Behinderung der Maßnahmen höflich, aber firm bleiben → bei Aggression Polizei nachfordern
- Hinweise zur Nachsorge: Was passiert als Nächstes? Kontaktwege, mitzugebende Unterlagen, PSNV-Angebot
TippKulturelle Unterschiede
Bei Notfällen in anderen Kulturkreisen kann es normal sein, dass sich eine große Anzahl von Familienangehörigen des Patienten am Einsatzort einfindet. Hier sind Empathie
, ein ruhiges Auftreten und etwas Geduld gefragt. Durch Erklärungen und die Verteilung von Aufgaben können diese Menschenmengen unter Kontrolle gebracht werden.
AchtungFamilienangehörige bei Reanimation
Studien haben herausgefunden, dass das in erster Linie nett gemeinte Hinausschicken aus dem Raum die Verarbeitung möglicherweise nicht fördert. Besser ist es, den Angehörigen eine Aufgabe zu geben, beispielsweise die Versicherungskarte oder alte Arztbriefe
zu suchen. Dadurch fühlen sie sich eingebunden und können trotzdem helfen. Außerdem nehmen sie wahr, dass noch jegliche Maßnahmen ergriffen wurden, was in der Aufarbeitung hilfreich ist. Sollten sie dennoch jegliche Maßnahmen stören oder gar behindern, bleibt nur die Möglichkeit, sie aus dem Raum zu verweisen.
Presse, Medien
Die Presse und die Medien genießen ein berechtigtes, öffentliches Interesse. Sie informieren, beobachten und dokumentieren. Für den Rettungsdienst stehen Patientenschutz, Einsatzsicherheit und Rechtskonformität im Vordergrund. Das Ziel besteht darin, einen geordneten Umgang zu gewährleisten, der die Informationsfreiheit respektiert, die Persönlichkeitsrechte schützt und die Einsatzabläufe nicht beeinträchtigt.

Secretary Pompeo holds a press availability (31241280927).jpg von U.S. Department of State from United States, Public domain, via Wikimedia Commons
Schnittstellen mit dem Rettungsdienst:
- Zuständigkeit klären: Aussagen grundsätzlich über Pressestelle/ Pressesprecher (Behörde, Organisation, Polizei/ Feuerwehr). Rettungsdienst-Führung (OrgL/ LNA/ EL) stimmt sich ab → keine Ad-hoc-Interviews am Patienten
- Raumordnung: Pressebereich definieren (mit Polizei und Feuerwehr), Sichtschutz und Zutrittsgrenzen kommunizieren; Lande-/ Transportwege freihalten
- Informationskorridor: unverfängliche, faktenbasierte Rahmendaten (Zeit, Ort, Einsatzanlass in allgemeinen Begriffen) sind durch Pressestellen kommunizierbar, keine Gesundheitsdaten/ Identifizierbarkeit
- Bei Gefährdung/ Behinderung Polizei hinzuziehen
Besonderheiten:
- Souveräne Kurzformel: „Für Auskünfte ist unsere Pressestelle zuständig. Bitte nutzen Sie den eingerichteten Pressebereich.“
- Konsequenter Patientenschutz: Sichtschutz, Abstand, keine Bild-/ Tonfreigaben, Angehörige aktiv schützen
- Neutralität/ Vertraulichkeit: keine Spekulationen, keine Wertungen, keine „Off-the-Record“-Gespräche am Einsatzort
- Kooperation statt Konfrontation: zeitnahe Basisinfo über Pressestelle helfen, ungenaue Informationen zu minimieren, klare Zeiten/ Orte für Statements reduzieren Nachfragen am Patientenbereich
AchtungSocial Media
Einsatzkräfte posten nicht → keine Anfahrtaufnahmen, keine Bilder oder Videos der Einsatzstellen, keine Details zum Einsatz und Einsatzgeschehen!
TippAuch bei offenbar kleinen Einsätzen können sich Mitarbeiter:innen der Presse an der Einsatzstelle befinden und Fragen stellen. Hierbei richten sich Mitarbeiter:innen nicht immer an das Führungspersonal, sondern auch den Praktikanten oder die Auszubildende.
Passt also auf wem ihr was sagt, egal in welcher Rolle ihr gerade steckt!
Leitstelle
Organisationsaufbau und Qualifikationen:

Gebietskarte BOS Leitstellen Deutschland.svg von © GeoBasis-DE / BKG 2019, Bearbeitung von Maustadt, dl-de/by-2-0 https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0, via Wikimedia Commons
In vielen Regionen sind Leitstellen als integrierte Leitstellen (ILS) organisiert. Sie disponieren sowohl rettungsdienstliche als auch feuerwehrtechnische Einsätze, teils in enger Kopplung mit polizeilichen Führungsstellen. Der innere Aufbau folgt dem Prinzip der Schichtleitung mit klaren Rollen: die Aufgaben von Disponent:innen am Arbeitsplatz umfassen das Führen von Telefonaten und die Zuweisung von Aufträgen. Ein:e leitende:r Disponent:in ist für die operative Priorisierung und Qualitätssicherung zuständig. Außerdem leitet er oder sie die Einsatzkräfte bei Großschadenslagen. Dabei wird von der Technik- und Systemadministration Unterstützung gewährleistet, die für Kommunikation, IT und Redundanzbetrieb zuständig ist.
Leitstellendisponent:innen verfügen über eine einschlägige Grundausbildung (z.B. im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr) mit einer Zusatzqualifikation für die Arbeit in der Leitstelle
InfoSeit diesem Jahr startet die Ausbildung zum Leitstellendisponent:in. Dies ist keine Zusatzqualifikation mehr, sondern eine eigenständige, dreijährige Ausbildung. In dieser werden fundierte rettungsdienstliche und feuerwehrtechnische Kenntnisse vermittelt und die Arbeit in der Leitstelle
erlernt.
Die Leitstellen sind föderalistisch organisiert und unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, dennoch gibt es viele Ähnlichkeiten.

Leitstelle Berufsrettung Wien.jpg von Corina Zsivkovics, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Aufgaben und Kompetenzen:
Kern der Leitstellenarbeit ist die strukturierte Notrufannahme (112) mit zielgerichteter Informationsgewinnung. Dazu gehört beispielsweise die Frage: „Wer meldet? Wo ist der Einsatzort? Was ist passiert? Wie viele Betroffene? Welche Gefahren bestehen?“ Auf Basis dieser Informationen leitet die Leitstelle
Zu den weiteren Aufgaben zählen:
- Disponierung und Lagemanagement: passgenaue Alarmierung entsprechend AAO, dynamische Nachsteuerung bei Lageänderung → Disponierung meist Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz
- Unterstützung eines laufenden Einsatzes: Nachforderung eines NEF, Definition von Rettungsmittelhalteplätzen, Kommunikation mit anderen Leitstellen oder Angehörigen
- Telefonische Anleitung zu lebensrettenden Sofortmaßnahmen
- Koordination von Zusatzressourcen: PSNV/ KIT, THW, besondere Zielstrukturen (z.B. Stroke-Zentrum)
- Voranmeldung in Kliniken und Zielsteuerung: die Leitstelle
führt einen Behandlungskapazitätennachweis und kann entsprechend die Klinikzuweisungen steuern - Mehrlagen- und Großschadensmanagement: zur Einsatzlenkung weisungsbefugt dem Rettungsdienst gegenüber
- Telemedizinische Unterstützung (regionsabhängig)
- Übersichten über diensthabende Apotheken, Giftnotruf, Blutspendezentralen, Druckkammern
- Zusatzaufgaben je nach Bundesland und Kreis möglich
Besonderheiten:
- Einsatzlenkung bzw. Unterstützung bei der Lenkung der rettungsdienstlicher Einsätze
- Besonderheiten bei der Kommunikation:
- Stressrobuste Sprache
- Closed-Loop-Kommunikation ist das Grundprinzip
- Redundanz und Resilienz (Notbetrieb, Fallback-Kommunikation und Ausweichstellen)
- Deeskalation am Telefon, Gesprächsführung
Die Leitstelle
Quellen
- Luxem, J., Runggaldier, K., Karutz, H., Flake, F., Notfallsanitäter Heute, Elsevier, 2016, ISBN: 978-3437461958
- Koch, S., Kuhnke, R., retten - Notfallsanitäter, Thieme, 2023, ISBN: 978-3132421219


