In Deutschland sind schätzungsweise 8 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt. Jährlich werden mehr als 500.000 Neudiagnosen gestellt. Etwa 90–95 % der Betroffenen haben einen Typ-2-Diabetes, nur etwa 5–10 % leiden an einem Typ-1-Diabetes.
Eine vorübergehende Hyperglykämie kann auch bei Gesunden auftreten – beispielsweise nach dem Essen mit Werten > 140 mg/dl. Für den Rettungsdienst ist dies in der Regel nicht relevant. Kritisch wird es insbesondere bei persistierenden Hyperglykämien über 250 mg/dl, insbesondere bei insulinpflichtigen Diabetiker:innen.
Diese Zustände entstehen durch absoluten oder relativen Insulinmangel, welche sich beim Typ-1-Diabetes typsischerweise als ketoazidotisches Koma (Diabetische Ketoazidose; DKA) und beim Typ-2-Diabetes als hyperosmolares Koma (hyperosmolares hyperglykämisches Syndrom; HHS) manifestiert. Beide Krankheitsbilder stellen notfallmedizinische Akutsituationen dar, die rasch diagnostiziert und behandelt werden müssen.
Fallbeispiel
Um den Einstieg in das Thema Hyperglykämie etwas zu erleichtern, wird im Folgenden ein Fall beschrieben, wie er sich präklinisch ereignen könnte.
Das Szenario
Einsatzmeldung:
Stichwort: Bewusstlosigkeit
Ort: Einfamilienhaus, Wohnzimmer
Alarmzeit: 17:34
Anrufer:in: Ehemann
Anzahl der betroffenen Personen: 1
Zusatzinfo:
30-Jährige, weibliche Patientin
Bekannte Diabetikerin, Typ-1, insulinpflichtig
Lageeinweisung vor Ort:
Beim Eintreffen des Rettungsdienstes liegt die Patientin regungslos, in Seitenlage auf dem Sofa.
Die Lage ist wie folgt:
Die Patientin ist bewusstlos
Bei der durchgeführten Atemkontrolle fällt eine tiefe, regelmäßigeAtmung auf
Laut dem Ehemann fühlte sie sich die vergangenen Tage nicht wohl und klagte über ein gesteigertesDurstempfinden
Außerdem berichtet er, dass seine Frau seit längerer Zeit keinInsulinmehr eingenommen hat
Als er heute von der Arbeit nach Hause kam, fand er seine Frau regungslos auf dem Sofa vor. Daraufhin setzte er umgehend den Notruf ab
Dieses Bild wurde mit der KI-Software ChatGPT (OpenAI) erstellt. Es wurde automatisch generiert und dient ausschließlich illustrativen Zwecken.
Ersteindruck nach xABCDE-Schema
Um sich einen ersten umfassenden Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten in einer Notfallsituation zu verschaffen, bietet sich das xABCDE-Schema an. Um die Arbeit mit dem Schema zu veranschaulichen, ist hier ein xABCDE-Schema abgebildet, wie es im Falle einer Ersteinschätzung bei einer Patientin oder einem Patienten mit Hyperglykämie aussehen könnte.
Es handelt sich dabei um die Befunde, die innerhalb der ersten paar Minuten erhoben werden können. Erweiterte Diagnostik und Abfragen sind natürlich von Bedeutung, jedoch würde zum Beispiel die Messung des Blutzuckers in diesem Fall hintangestellt und taucht zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf.
x
Keine kritischen Blutungen
A
Atemwegefrei
Schleimhäute trocken
Pat. nicht ansprechbar
Kein A-Problem
B
Inspektorisch:
Thoraxexkursion bds. normal
Inspektorisch unauffällig
Keine gestaute Halsvenen
Azetongeruch ist wahrnehmbar
Kussmaul-Atmung
Auskultatorisch:
Vesikuläres Atemgeräusch bds.
Palpatorisch:
Keine Krepitation spürbar
Thorax insgesamt stabil
Atemfrequenz: 18/min
SpO2: 96 %
Mittelbares B-Problem
C
Hautkolorit rosig
Insgesamt trocken, stehende Hautfalten
Rekap-Zeit: < 2 Sekunden
Große Blutungsräume ohne Zeichen auf akute Blutungen
Palpation des Pulses am Handgelenk
Rhythmisch
Gut tastbar
Tachykard
Kein C-Problem
D
Bewusstlos
GCS 3
Öffnen der Augen: 1
Beste verbale Reaktion: 1
Beste motorische Reaktion: 1
Pupillenkontrolle:
Isokor
Mittelweit
Lichtreagibel
Blutzucker: 400 mg/dl
Akutes D-Problem
E
Keine Verletzungen ersichtlich
Symptome:
Bewusstlosigkeit
Kussmaul-Atmung mit Azetongeruch
Polydipsie (gesteigertes Durstgefühl)
Stehende Hautfalten
Allergien/Infektionen: keine
Medikamente:Insulin
Patientengeschichte: Diabetes mellitus Typ-1
Letzte Mahlzeit: Mittags gegen 13 Uhr
Ereignis:
Seit Tagen keine Insulineinnahme
Seit wenigen Tagen Polydipsie, Unwohlsein
Risikofaktoren: bekannter insulinpflichtiger Diabetes mellitus, keine Insulineinnahme
Kein E-Problem
Achtung
Das hier gezeigte Assessment vermittelt nur einen exemplarischen ersten Eindruck von einer Patientin oder einem Patienten. Im Verlauf der Behandlung müssen weitere Maßnahmen ergriffen und Informationen gesammelt werden. Das Schema erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen praktischen Einstieg in das Thema ermöglichen.
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Definition
Definition
Hyperglykämie bezeichnet einen erhöhten Blutzuckerspiegel infolge eines absoluten oder relativen Insulinmangels. Diagnostisch gelten Werte > 126 mg/dl nüchtern bzw. > 200 mg/dl postprandial als pathologisch.
Im rettungsdienstlichen Kontext ist ein Blutzuckerwert > 250 mg/dl als kritisch einzustufen, insbesondere bei bekannten Diabetiker:innen mit passender Klinik.
Klassifikation
Ketoazidotisches Koma (Diabetische Ketoazidose; DKA): meist bei Typ-1-Diabetes, durch Ketonkörperbildung und Azidose gekennzeichnet
Hyperosmolares Koma (hyperosmolares hyperglykämisches Syndrom; HHS): meist bei Typ-2-Diabetes, ohne Ketose, aber mit massiver Dehydratation
Zur Ermöglichung eines Vergleichs der Blutzuckerwerte werden im Folgenden verschiedene Bereiche sowie pathologische Veränderungen dargestellt:
Blutzuckerwerte
mg/dl
mmol/l
Hypoglykämie
< 50-60
< 2,8-3,3
Normal (nüchtern)
< 100
<5,6
Normal (nicht nüchtern, nach 2 Std.)
< 140
< 7,8
Hyperglykämie
> 250
> 13,9
DKA wahrscheinlich
300–500
16,7– 27,8
HHS wahrscheinlich
> 600
> 33,3
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Ursachen
Merke
Eine Hyperglykämie entsteht in der Regel durch ein Ungleichgewicht zwischen Insulinwirkung und Glukoseangebot. Dies kann verschiedene Ursachen haben:
Allgemeine Ursachen
Diätfehler: übermäßige Zufuhr von kohlenhydratreichen Speisen oder zuckerhaltigen Getränken
Infektionen: führen zu einem erhöhten Insulinbedarf durch Stresshormonausschüttung
Psychischer oder physischer Stress: steigert die Glukoneogenese und reduziert die Insulinwirkung
Therapiefehler: unzureichende oder fehlende Insulingabe
Technikfehler:Defekt oder Fehlbedienung der Insulinpumpe
Achtung
Insulinpumpe
Bei bekannten Diabetiker:innen sollte stets die Möglichkeit einer Insulinpumpentherapie berücksichtigt werden – sowohl bei Hyperglykämie als auch Hypoglykämie.
Hyperglykämie: kann durch zu geringe Förderrate, Abknicken des Katheters oder Pumpendefekt entstehen
Hypoglykämie: kann durch zu hohe Förderrate oder fehlende Nahrungsaufnahme trotz regulärer Insulinzufuhr entstehen
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Pathophysiologie
Merke
Reminder: Physiologische Grundlagen
Glukosestoffwechsel:
Für den Körper ist Glukose der wichtigste Energielieferant. Die Energiegewinnung aus Glukose erfolgt über den Stoffwechselweg der Glykolyse. Dabei wird Glukosenicht gespeichert, sondern in den Zellen zu Pyruvat abgebaut, wobei Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) gewonnen wird.
Zur Speicherung von Glukose wird sie in der Leber und in Muskelzellen in Form von Glykogen gespeichert (Glykogensynthese). Bei Energieüberschuss kann überschüssige Glukose auch in Fett (Triglyzeride) umgewandelt werden (Lipogenese).
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) reguliert den Blutzuckerspiegel durch zwei gegensätzlich wirkende Hormone:
Insulin → senkt den Blutzuckerspiegel, fördert den schnellen Transport von Glukose in die Fett- und Muskelzellen
Glukagon → lässt den Blutzucker ansteigen, in dem es den Abbau von Glykogen und die Neubildung von Zucker fördert, es hemmt indirekt die Glykolyse
Bei Glukosemangel, etwa in einer Hungerphase, beginnt der Körper vermehrt Fett abzubauen, um Energie zu gewinnen. In der Leber werden dabei aus Fettsäuren Ketonkörper gebildet (Ketogenese). Diese dienen insbesondere dem Gehirn, Herz und Muskeln als alternativer Energieträger, wenn nicht ausreichend Glukose zur Verfügung steht
Ketonkörperproduktion > Bedarf = Überschuss im Blut → Ausscheidung über Nieren und Lungen
Diabetes mellitus Formen:
Definition: Bei der Grunderkrankung Diabetes mellitus liegt eine Stoffwechselstörung vor, diese resultiert in einem erhöhten Zuckerspiegel im Urin und Blut. Ursachen sind ein relativer oder ein absoluter Insulinmangel. Auf Dauer kommt es bei einem schlecht eingestellten Diabetes zu Organschäden. Die Diagnose ist meist gesichert durch einen nüchternen Blutzucker von über 126 mg/dl
Insulinresistenz der Rezeptoren → erhöhte Insulinproduktion, auf Dauer nimmt diese wieder ab
Risikofaktoren:Übergewicht, Bewegungsmangel und schlechte Ernährung
Früher wurde dieser vor allem bei älteren Menschen diagnostiziert, daher auch „Altersdiabetes“genannt, jedoch kommt er heute in allen Altersgruppen vor
Weitere Diabetesformen:
Verursacht durch hormonelle Störungen, Medikamente, Infektionen, Entzündung des Pankreas, Trauma, Krebs (besonders Pankreaskrebs)
Gestationsdiabetes:
Während der Schwangerschaft
Erhöhte Insulinresistenz → normalisiert sich meist nach der Geburt wieder, jedoch besteht ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes
Gefahr für Mutter und Kind
Risikofaktoren: Übergewicht, Alter über 30 Jahre und genetische Veranlagung
→ Früher wurden die weiterenFormen des Diabetes mellitus als Typ-3 Diabetes mellitus und der Gestationsdiabetes als Typ-4 Diabetes mellitus bezeichnet, dies sind jedoch die alten Klassifikationen. Sie werden heute nicht mehr verwendet.
Ketoazidotisches Koma
Das ketoazidotische Koma kommt vor allem bei Typ-1-Diabetiker:innen vor, diese haben einen absoluten Insulinmangel und müssen sich Insulin zuführen. Insulin fördert die Glukoseaufnahme in die Zellen, gleichzeitig hemmt es die Lipolyse (Fettabbau). Bei einem absoluten Insulinmangel resultiert somit eine Hyperglykämie und eine gesteigerte Lipolyse.
Physiologisch resorbieren die Nieren die überschüssige Glukose vollständig. Wird die Nierenschwelle von 180 mg/dl überschritten, eliminiert die Niere dieGlukose über den Urin. Die im Urin ausgeschiedene Glukose entfaltet eine osmotische Wirkung, wodurch vermehrt Wasser in den Tubuluslumen zurückgehalten wird. Dies führt zu einer erhöhten Harnmenge (Polyurie). Dabei werden verstärkt Flüssigkeit und Elektrolyte ausgeschieden → Dehydration und Hypovolämie. Der Organismus versucht mit einem erhöhten Durst, auch bezeichnet als Polydipsie,dem entgegenzuwirken.
Aufgrund des gesteigerten Fett- und Proteinabbaus werden in der Lebervermehrt Ketonkörper gebildet und ins Blut ausgeschwemmt (Ketose). Da die Ketonkörper sauer sind, sinkt der pH-Wert des Blutes → metabolische Azidose (Ketoazidose). Um die im Körper entstehende Übersäuerung zu kompensieren, kann es reflektorisch zu Übelkeit und Erbrechen kommen → zusätzlicher Flüssigkeits- und Elektrolytverlust → Hypovolämie.
Kussmaul-Atmung
Zusätzlich versucht der Körper, den sauren pH-Wert des Blutes mit verstärkter Atmung zu kompensieren. Diese verstärkte Atmung wird als Kussmaul-Atmung bezeichnet. Aufgrund der freigesetzten Ketonkörper riecht der Atem nach Aceton (bspw. Nagellackentferner).
Das Gehirn benötigt für eine normale Funktionsweise Glukose, ersatzweise Ketonkörper. Aus der eingeschränkten Glukoseverwertung resultiert besonders im Gehirn eine Energieunterversorgung, welche zu einer Bewusstseinsstörung bis hin zur Bewusstlosigkeit führen kann.
Merke
Bei einem ketoazidotischen Koma sind Blutzuckerwerte von 250 - 500 mg/dl zu erwarten.
Hyperosmolares Koma
Das hyperosmolare Koma kommt überwiegend bei Typ-2-Diabetiker:innen vor, diese wiederum haben noch eine geringe Insulin-Restsekretion. Diese Menge reicht aus, um die Lipolyse und die Bildung von Ketonkörpern zu hemmen.
Daher kommt es bei einem hyperosmolaren Koma primär zu einem ausgeprägten Flüssigkeits- und Elektrolytverlust über die Nieren.
Merke
Bei einem hyperosmolaren Koma sind Blutzuckerwerte von über 600 mg/dl zu erwarten.
Achtung
Bei einem hyperosmolarem Koma kann es zu einem Flüssigkeitsverlust von über 6 Litern und einem starken Elektrolytverlust kommen.
Merke
Zusammenfassung: die kritischen Probleme bei einer Hyperglykämie
Starker Flüssigkeits- und Elektrolytverlust → Hypovolämie
Bewusstseinseintrübung, Bewusstlosigkeit
Herzrhythmusstörungen, aufgrund des Elektrolytverlustes
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Klinischer Eindruck
Typische Zeichen
Erhöhte Blutzuckerwerte:
Typ-1-Diabetes mellitus: 250-500 mg/dl
Typ-2-Diabetes mellitus: über 600 mg/dl
Polyurie (vermehrte Harnausscheidung): aufgrund der osmotischen Eigenschaft von Glukose, zieht diese zusätzlich Wasser mit → starker Flüssigkeits- und Elektrolytverlust
Ketoazidotisches Koma: zusätzlich Bauchschmerzen, Kussmaul-Atmung, Azetongeruch der Ausatemluft → Entwicklung über Stunden und Tage
Hyperosmolares Koma: zusätzlich hypovolämischer Schock, Dehydration → Entwicklung über Tage und Wochen
Generalisierte Zeichen
Vegetative Reaktionen:
Tachykardie
Tachypnoe
Hypotonie
Ggf. Fieber und Zeichen einer Infektion
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Diagnostik
Anamnese
Aktuelle Anamnese:
S (Symptome):Polydipsie, Polyurie, Exsikkose, Übelkeit und Erbrechen, Bewusstseinsstörung
A (Allergien, Infektionen): Sind Allergien bekannt oder liegen relevante Infektionen vor?
M (Medikation): Antidiabetika (z.B. Metformin), Insulin, Insulinpumpe
P (Patientengeschichte):Diabetes mellitus, ggf. als Symptom einer Erstmanifestation eines Diabetes mellitus Typ 1
L (Letzte…): Nahrungsaufnahme und Einnahme der Medikation
E (Ereignis): Entwicklung meistens über Tage bis Wochen
R (Risiko): Diabetes mellitus
S (Schwangerschaft): Sonderform Gestationsdiabetes
Tipp
Nutze Schemata
Um die Anamnese strukturiert durchzuführen, bietet es sich an, Schemata wie das SAMPLERS oder OPQRST-Schemazu nutzen. Am obigen Beispiel haben wir Fragen und Befunde dargestellt, die bei dem Verdacht auf eine Hyperglykämie abgefragt werden sollten und vorliegen könnten.
Körperliche Untersuchung
Inspektion:
Trockene Haut und trockene Schleimhäute
Kussmaul-Atmung mit ggf. Azetongeruch
Bewusstseinsstörung
Palpation:
Tachykarder Puls
Stehende Hautfalten, trockene Haut
Perkussion und Auskultation:
In der Regel unauffällig, pathologische Befunde sprechen eher für Begleit- oder Differenzialdiagnosen
Neurologische Untersuchung:
Kontrolle des Bewusstseinszustandes anhand des GCS
Gezielte neurologische Untersuchung, z.B. anhand des BE-FAST Schemas
Vitalparameter:
Überwachung der Vitalparameter
Laborparameter:
Regelmäßige Blutzuckermessung
Achtung
Die gängigen Blutzuckergeräte des Rettungsdienstes zeigen ab einem Wert über 630 mg/dl nur noch „HI” für High an!
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Therapie
Merke
Das Hauptziel der Behandlung besteht aus der SicherstellungderVitalfunktionen und einer großzügigenVolumensubstitutionmitVollelektrolytlösungen. In der Klinik erfolgt die Insulintherapie streng kontrolliert, mit kontinuierlicher Überwachung von Kaliumwerten und Säure-Basen-Haushalt.
Volumensubstitution
Anlage eines großlumigen Venenzugangs
Infusion: Vollelektrolytlösung → initial 1000 ml innerhalb der ersten Stunde
Merke
Ziel der Volumensubstitution ist die Korrektur der Hypovolämie, die Förderung der Glukoseausscheidung über die Niere und die Verbesserung der peripheren Durchblutung und Kreislaufstabilität. Die Blutzuckerwerte sinken initial auch ohne Insulingabe durch renale Clearance
Info
Die Leitlinien empfehlen bei KindernundJugendlichen den Einsatz von NaCl 0,9 % oder der Ringerlösung zur Volumensubstitution. Bei Erwachsenen wird die balancierteElektrolytlösung empfohlen. Im Rettungsdienst ist es sinnvoll Vollelektrolytlösung einzusetzen, um weitere Elektrolytverschiebungen zu vermeiden (da keine Laborkontrolle im RD möglich).
Achtung
Keine Insulingabe!
In der Präklinik wird kein Insulinverabreicht → es besteht die Gefahr der Hypokaliämie mit Rhythmusstörungen, die zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen können. Daher wird erst in der Klinik unter strengen Kontrollen der Blutzuckerspiegel gesenkt.
Weitere Maßnahmen
Monitoring der Vitalparameter
Ggf. Sauerstoffgabe
Bei drohender respiratorischer Insuffizienz durch Azidosekompensation (Kussmaul-Atmung) oder Bewusstlosigkeit mit Aspirationsgefahr: assistierte Beatmung oder Schutzintubation zu erwägen
Tipp
Lagerung situationsgerecht anpassen
Es wird eine Lagerung nach dem Wunsch der betroffenen Person empfohlen. Es gibt jedoch Fälle, in denen dieses Vorgehen nicht die beste Option ist:
Bei Bewusstlosigkeit → stabile Seitenlage (alternativ Rückenlage mit permanenter Kontrolle der Atemwege + Absaugbereitschaft herstellen)
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Besondere Situationen
Diabetes insipidus
Diabetes insipidusist eine seltene, nicht mit dem Diabetes mellitus verwandte Erkrankung, bei der ein Mangel an antidiuretischem Hormon (ADH bzw. Vasopressin) zu einer stark erhöhten Diurese (Polyurie) und Polydipsie führt.
Typische Trias
Polyurie (hohe Harnmengen)
Polydipsie (kompensatorisches Trinken)
Asthenurie (Unfähigkeit zur Harnkonzentrierung)
In der Folge können schwerwiegende Störungen des Elektrolythaushalts sowie Dehydratation und Exsikkose auftreten.
Gestationsdiabetes
Gestationsdiabetes, auch als Schwangerschaftsdiabetes bezeichnet, manifestiert sich während der Schwangerschaft. Im Rahmen der Untersuchung wurden einige Risikofaktoren identifiziert, die das Auftreten beeinflussen können, darunter:
Übergewicht
Alter über 30 Jahre
Genetische Veranlagung
Bei einer unzureichenden Einstellung des Gestationsdiabetes kann es zu verschiedenen schwangerschafts- und geburtsbedingten Komplikationen kommen.
Mögliche Komplikationen bei unzureichend eingestelltem Gestationsdiabetes:
Bei Bewusstlosigkeit müssen differenzialdiagnostisch auch andere Ursachen wie Hypoglykämie, Intoxikation, epileptischer Anfall, Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma in Betracht gezogen werden.
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Weitere Therapien im klinischen Setting
Versorgung in der Notaufnahme
In dieser Notlage kann es helfen, sich mental auf die nächsten Schritte vorzubereiten. Dafür ist es ratsam, schon auf der Fahrt zum Krankenhaus zu erklären, wie das weitere Procedere im Krankenhaus aussieht und worauf die Person sich potenziell einstellen muss.
Achtung
Da die Therapie je nach aufnehmendem Krankenhaus und Behandler:in variieren kann, empfiehlt es sich nicht, einen bestimmten Behandlungsweg detailliert zu beschreiben. Eine grobe Skizzierung des weiteren Behandlungspfades reicht völlig aus, um Unsicherheiten zu minimieren. Die weiteren Informationen dienen ausschließlich eurer Information als Fachpersonal!
Versorgung im Schockraum:
Info
Anmeldekriterien für eine Schockraum-Alarmierung
Ob die Klinik zur Vorbereitung des Schockraums kontaktiert werden muss, hat mit vielen Faktoren zu tun.
Die Alarmierung eines Schockraums hängt ab von:
Der Art der Verletzung
Den bereits getroffenen Maßnahmen
Dem vorliegenden Unfallmechanismus
Verschiedenen möglichen Pathologien (z.B. Schockindex > 0,9, positiver eFAST,…)
Bei bewusstlosen Patient:innen mit Verdacht auf metabolische Entgleisung (z. B. DKA oder HHS) kann eine Schockraumaufnahme gerechtfertigt sein – insbesondere bei Kreislaufinstabilität, GCS < 9 oder Schockindex > 0,9.
Labor:Glukose, HbA1c, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff und weitere Parameter
Urin-Diagnostik
Nierenretentionsparameter
Entzündungszeichen
Weitere Versorgung auf der Intensivstation
Die klinische Therapie besteht aus vier Säulen:
Flüssigkeitstherapie
Blutzuckermanagement
Elektrolytkontrollen & -ausgleich
Korrektur des ph-Wertes bei pH-Werten von <6,9
Volumensubstitution:
Die Weiterführung der begonnenen Volumensubstitution des Rettungsdienstes werden mit folgenden Maßnahmen erweitert:
Neben dem schon vorhandenen großlumigen Venenzugang:
Weiterer großlumiger Venenzugang
Ggf. Anlage eines ZVKs
Anlage eines arteriellen Zugangs (zur regelmäßigen Entnahme von BGAs sowie zur invasiven Blutdruckmessung)
Anlage eines Blasenkatheters zur Bilanzierung des Urins
Steuerung der Flüssigkeitsmengen und an die Laborwerte angepasste Infusionen
Tipp
Die Volumentherapie ist ein entscheidender Schritt in der Therapie des hyperglykämischen Komas. Es sollte jedoch unbedingt eine Volumenüberladung aufgrund der Gefahr eines Hirnödems vermieden werden.
Blutzuckermanagement:
Frühzeitiger Beginn (innerhalb von 30 Minuten)
Langsame Blutzuckersenkung: maximal 50 mg/dl pro Stunde
Ziel 250-300 mg/dl innerhalb von 24 Stunden
Insulintherapie:
Zu Beginn intravenös mittels Perfusor (bei Typ-1-Diabetiker:innen geringere Dosis)
Nach Erreichen des Blutzucker-Zielwertes < 300 mg/dl sowie einem gestiegenen pH-Wert > 7,3 wird die Insulin-Perfusortherapie gestoppt
Danach beginnt eine subkutane Insulintherapie
Blutzuckerwerte nach 24 Stunden:
Ketoazidose: maximal bis 150-200 mg/dl senken
Hyperosmolares Koma: maximal bis 250-300 mg/dl senken
Der Blutzuckerabfall darf nicht zu schnell erfolgen, Gefahr der Elektrolytverschiebungen und damit einhergehenden Herzrhythmusstörungen
Erst nach vollständiger Normalisierung des Säure-Baden-Haushaltes und der Elektrolyte sowie einem stabilen Blutzuckerspiegel, wird ein normaler Blutzuckerspiegel eingestellt
Elektrolytkontrollen & -ausgleich:
Die Elektrolytkonzentrationen sind zu Beginn meist falsch
Kalium muss engmaschig kontrolliert und ggf. substituiert werden, da Insulin den Kaliumshift intrazellulär fördert und somit eine Hypokaliämie mit Arrhythmiegefahr verursachen kann
Die Natriumkonzentration wird meist durch die Flüssigkeitstherapie beeinflusst
Pufferung bei pH-Werten von < 6,9:
Bikarbonat wird bei pH-Werten von < 6,9 verabreicht
Die Gabe sollte langsam erfolgen, ein zu schneller Ausgleich kann ebenso zu einer Hypokaliämie führen, daher wird es häufig in Kombination mit Kalium in einer langsamen Infusion gegeben
Dabei sollten regelmäßige BGA-Kontrollen durchgeführt werden
Prävention und Vorsorge
Tipp
Nach Stabilisierung sollte eine strukturierte diabetologische Nachsorge mit Schulung, Therapiekontrolle und ggf. Anpassung der Insulingabe erfolgen. Bei psychosozialen Problemen ggf. Einschaltung von Sozialdienst und Psychologie.
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Transport
Die Wahl des Zielkrankenhauses ist abhängig vom individuellen Fall. Das Zielkrankenhaus sollte über eine internistische Abteilung verfügen und eine Notaufnahme mit einem Schockraum(bei Bewusstlosigkeit) und eine Intensivstation vorweisen.
Neben den Vitalwerten muss vor allem der Bewusstseinszustand der erkrankten Person kontinuierlich überwacht werden, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und reagieren zu können. Bei einer schwer beeinträchtigten Bewusstseinslage ist die Voranmeldung in der Zielklinik wichtig, um das klinische Behandlungsteam über den Zustand zu informieren.
Merke
Zusammenfassung Transport
Zielkrankenhaus: internistische Abteilung mit Intensivstation, ggf. Schockraum
Überwachung der Vitalwerte und des Bewusstseinszustandes
Schockraumindikation bei Bewusstlosigkeit, mit dementsprechender Anmeldung
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Prüfungswissen
Definition
Hyperglykämie
Blutzuckerwerte von über 140 mg/dl 2 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme gelten als Hyperglykämie, kritisch werden die Werte über 250 mg/dl und sind oft mit einem diabetischem Koma verbunden.
Diabetes mellitus Typ-1 → ketoazidotische Koma
Diabetes mellitus Typ-2 → hyperosmolares Koma
Ursachen:
Hyperglykämie: Blutzuckeranstieg nach bspw. zuckerhaltigem Essen, Körper reagiert mit Insulinproduktion, weitere beeinflussende Faktoren: Stress und Infekte → bei dauerhaft erhöhtem Blutzucker Diabetes-Diagnostik
Absoluter Insulinmangel → Hyperglykämie und Lipolyse (Fettabbau) → Glukose über Nierenschwelle → Glukose wird über Harn ausgeschieden → osmotischer Wasserverlust über die Niere → Polyurie und Polydipsie
Gesteigerte Lipolyse → Bildung Ketonkörper (sauer) in der Leber → pH-Wert des Blutes sinkt → Ketoazidose → Kussmaul-Atmung (verstärkte Atmung) + Erbrechen
Blutzuckerwerte von 250 - 500 mg/dl
Hyperosmolares Koma:
Relativer Insulinmangel → Hyperglykämie, keine Lipolyse → Glukose über Nierenschwelle → Glukose über Harn ausgeschieden → osmotischer Wasserverlust über die Niere → Polyurie und Polydipsie
Flüssigkeitsverlust bis über 6 Liter
Blutzuckerwerte von über 600 mg/dl
Kritische Probleme: starker Flüssigkeits- und Elektrolytverlust, Bewusstseinseintrübung, Bewusstlosigkeit, Herzrhythmusstörungen
Flüssigkeitstherapie:1.000 ml Vollelektrolytlösung in der ersten Stunde, Ziel: Verdünnung der Hyperglykämie und Azidose
Keine Insulingabe in der Präklinik!
Weitere Maßnahmen: Monitoring, ggf. Sauerstoffgabe, ggf. Schutzintubation, angepasste Lagerung
Besondere Situationen:
Diabetes insipidus: extremer Flüssigkeits- und Elektrolytverlust, aufgrund von Polyurie und Polydipsie
Gestationsdiabetes: es können Gefahren für Kind und Mutter bestehen
Weitere Therapie im klinischen Setting:
Labordiagnostik
Flüssigkeitstherapie
Blutzuckermanagement
Elektrolytkontrollen & -ausgleich
Pufferung bei pH-Werten von <6,9
Transport:
Zielkrankenhaus: internistische Abteilung mit Intensivstation, ggf. Schockraum
Überwachung der Vitalwerte und des Bewusstseinszustandes
Schockraumindikation bei Bewusstlosigkeit, mit dementsprechender Anmeldung
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