Einleitung
Da bei einem Diabetes mellitus
- Diabetes mellitus
Typ I: insbesondere ketoazidotisches Koma - Diabetes mellitus
Typ II: insbesondere hyperosmolares Koma
Die Ursachen für ein hyperglykämisches Koma bestehen überwiegend in einer zu geringen Insulinzufuhr (z.B. Erstdiagnose oder ausbleibende Insulinzufuhr bei bekanntem Diabetes mellitus
Der Insulinbedarf kann vorübergehend z.B. bei Fieber, einer schweren Erkrankung (z.B. Myokardinfarkt, Schlaganfall
Ketoazidotisches Koma
Ketoazidotisches Koma
Insulin
Da Glucose
Aufgrund der gesteigerten Lipolyse werden in der Leber
Hyperosmolares Koma
Hyperosmolares Koma
Während bei einem Diabetes mellitus
Die Hyperglykämie führt jedoch weiterhin zu einem ausgeprägten Flüssigkeits- und Elektrolytverlust über die Nieren.
AchtungBei einem hyperosmolaren Koma kann es zu einem Flüssigkeitsverlust von über 6 Litern und einem starken Elektrolytverlust kommen!
Diagnostik
- Klinik und Anamnese:
- Symptome: Polyurie
, Polydipsie, Übelkeit und Erbrechen, Exsikkose , Vigilanzminderung - Ketoazidotisches Koma: schnelle Manifestation (innerhalb von einem Tag), ggf. Bauchschmerzen (Pseudoperitonits diabetica), nach Azeton riechender Atem (Kußmaulatmung
: metabolische Azidose ⟶ respiratorische Kompensation: schnelle und tiefe Atemzüge) - Hyperglykämisches Koma: langsame Manifestation
- Ketoazidotisches Koma: schnelle Manifestation (innerhalb von einem Tag), ggf. Bauchschmerzen (Pseudoperitonits diabetica), nach Azeton riechender Atem (Kußmaulatmung
- Vorerkrankungen: z.B. vorbekannter Diabetes mellitus
- Medikamente: z.B. orale Antidiabetika
, Insulin
- Symptome: Polyurie
AchtungBei Diabetiker:innen mit den Symptomen Übelkeit, Erbrechen oder Vigilanzminderung sollte eine Bestimmung des Blutzuckers
erfolgen!
- Labor: Glucose
, HbA1c , ggf. ß-Hydroxybutyrat (Nachweis von Ketonen im Blut), Elektrolyte (Natrium , Kalium , Chlorid , Magnesium , Phosphat ), Kreatinin , Harnstoff , kleines Blutbild , CRP , Procalcitonin , ggf. Troponin (Ausschluss eines Herzinfarktes), ggf. Lipase (Ausschluss einer Pankreatitis) - Primär kann eine Bestimmung der Glucose
-Konzentration im Kapillarblut erfolgen. Im Verlauf sollte zusätzlich die Glucose -Konzentration im venösen Blut erfolgen - Glucosewert beim ketoazidotischen Koma: 400-700 mg/dl
- Glucosewert beim hyperosmolaren Koma: 700-1200 mg/dl
- Primär kann eine Bestimmung der Glucose
- U-Stix
: Nachweis von Ketonen & Glucose - Blutgasanalyse
: - Ketoazidotisches Koma: metabolische Azidose
mit vergrößerter Anionenlücke , Nachweis von Ketonkörpern - Blutglucose: >250 mg/dl
- pH-Wert
: Azidose (<7,3) - Bicarbonat: <18 mmol/L
- Anionenlücke
: >10
- Ketoazidotisches Koma: metabolische Azidose

- Hyperosmolares Koma: keine pH-Wert
-Abweichung, kein oder nur geringer Nachweis von Ketonkörpern - Blutglucose: >600 mg/dl
- pH-Wert
: >7,3 - Bicarbonat: >18 mmol/L
- Anionenlücke
: normal
- Blutgasanalyse
– Elektrolyte: Aufgrund des Verlustes von Flüssigkeit und Elektrolyten sowie der pH-Wert -Verschiebung sind die Elektrolytwerte häufig falsch erhöht oder falsch erniedrigt - Kalium
: Über die Nieren kommt es zu einem ausgeprägten Kaliumverlust . Gleichzeitig nimmt aufgrund der metabolischen Azidose und der Hyperosmolarität des Blutes der Kaliumwert im Blut zu. Die hohen Kaliumwerte im Blut liegen jedoch nur aufgrund der Verschiebung von intra- nach extrazellulär vor. Bei einer Korrektur des pH-Wertes kommt es wieder zu einem Shift nach intrazellulär und die eigentliche Hypokaliämie offenbart sich - Natrium
: Da Glucose osmotisch wirksam ist, kommt es bei einer Hyperglykämie zu einem Flüssigkeitsausstrom von intra- nach extrazellulär. Hierdurch kann es zu einer Verdünnung des Natriums kommen. Laborchemisch besteht eine Hyponatriämie . Nach der Therapieeinleitung kehrt sich die Verschiebung um. Es kommt zu einem Flüssigkeitseinstrom von extra- nach intrazellulär und die eigentlich bestehende Hypernatriämie wird deutlich
- Kalium
- Es sollten regelmäßige Kontrollen (stündlich) erfolgen: Blutzucker, Kalium
, Natrium , BGA
AchtungBei einer Hyperglykämie ist die Kalium
-Konzentration häufig falsch hoch und die Natrium -Konzentration falsch niedrig! Nach der Korrektur des Blutzuckerspiegels kommt es daher häufig zu einer Hypokaliämie und einer Hypernatriämie . Orientierend können pro 100 mg/dl, die der Blutzucker oberhalb von 100 mg/dl liegt 1,6 mmol/L auf die Natrium -Konzentration, die im Blut gemessen wurde addiert werden.
Vorgehen/Therapie
- Die Therapie eines hyperglykämischen Komas sollte auf einer Intensivstation erfolgen
- Die Therapie besteht aus den folgenden 4. Säulen:
- Flüssigkeitstherapie
- Insulingabe
- Elektrolytkontrollen & -ausgleich
- Bicarbonatgabe bei pH-Werten von <6,9
1. Flüssigkeitstherapie:
- Ausgleich der Azidose
und Hyperglykämie durch Verdünnung - Verbesserung der Organperfusion (insbesondere der Niere) und Stabilisierung des Kreislaufs
- Anlage 2 großlumiger Venenzugänge zur Flüssigkeitsgabe
- Anlage eines ZVKs
zur Messung des ZVDs und für eine mögliche medikamentöse Kreislaufunterstützung - Anlage eines arteriellen Zugangs zur invasiven Blutdruckmessung
und zur regelmäßigen Entnahme von Blutgasanalysen - Anlage eines Blasenkatheters zur Bilanzierung
- Infusionslösung:
- Leichte Hypernatriämie
(<150 mmol/L): NaCl 0,9% oder Ringer-Lösung - Starke Hypernatriämie
(>150 mmol/L): NaCl 0,45% - Starke Hyperosmolarität (>320 mosmol/Kg): hypoosmolare Vollelektrolytlösung
- Leichte Hypernatriämie
- Steuerung der Flüssigkeitsmenge:
- Infusionsgeschwindigkeit ca. 250-500 mL/Stunde (bei Niereninsuffizienz oder Herzinsuffizienz
angepasste Geschwindigkeit) - Steuerung der Volumenmenge nach Urinausscheidung und MAP (Ziel >65 mmHg) und ZVD (Ziel 8-12 mmHg)
- Bei maschineller Beatmung: ggf. erweitertes hämodynamisches Monitoring
- Beispielplan: NaCl 0,9% 1000 mL i.v. über 1 Stunde ⟶ über 2 Stunden ⟶ über 2 Stunden ⟶ über 4 Stunden ⟶ über 4 Stunden ⟶ über 6 Stunden
- Ggf. Kaliumsubstitution
- Engmaschige Kontrolle einer Volumenüberladung mit der Gefahr einer Entwicklung eines Hirnödems: Ödeme
, Gewichtszunahme, gestaute Halsvenen, erhöhter ZVD, Rasselgeräusche , Abfall des Blutzuckers über 75 mg/dl pro Stunde
- Infusionsgeschwindigkeit ca. 250-500 mL/Stunde (bei Niereninsuffizienz oder Herzinsuffizienz
TippDie Volumentherapie ist ein entscheidender Schritt in der Therapie des hyperglykämischen Komas. Es sollte jedoch unbedingt eine Volumenüberladung aufgrund der Gefahr eines Hirnödems vermieden werden.
2. Blutzuckermanagement:
- Frühzeitiger Beginn (innerhalb von 30 Minuten)
- Langsame Blutzuckersenkung: maximal 50 mg/dl pro Stunde
- Ziel: 250-300 mg/dl innerhalb von 24 Stunden
- Insulintherapie:
- Zu Beginn intravenös mittels eines Perfusors
- Beginn mit
- Anschließend gering dosierte Perfusortherapie von
- Bei Typ-I-Diabetikern ist aufgrund der geringeren Insulinresistenz häufig eine geringere Erhaltungsdosis ausreichend
- Regelmäßige Kontrolle der Erhaltungsdosis (stündlich):
- Langsamer Blutzuckerabfall (<40 mg/dl/Stunde): Erhöhung der Laufrate um das 2,5-fache alle 2 Stunden
- Schneller Blutzuckerabfall (>70 mg/dl/Stunde): Halbierung der Laufrate oder Pausierung des Insulin
-Perfusors - Erreichen der Zielwerte (Blutzucker <300 mg/dl, Bicarbonat >18 mmol/L, pH-Wert
>7,3): Beendigung der Insulin -Perfusortherapie
- Nach Erreichen der Zielwerte: subkutane Insulintherapie
- Beginn mit
- Blutzuckerziele nach 24 Stunden:
- Ketoazidose: maximal bis 150-200 mg/dl senken
- Hyperosmolares Koma: maximal bis 250-300 mg/dl
- Beginn mit
- Beginn mit
- Zu Beginn intravenös mittels eines Perfusors
- Bei einem zu schnellen Blutzuckerabfall sollte ein Ausgleich mittels einer Infusion von einer Glucoselösung erfolgen
- Erst nach vollständiger Normalisierung des Säure-Basen
-Haushaltes und der Elektrolyte sowie stabilen Blutzuckerspiegeln unter einer subkutanen Insulintherapie sollte ein normaler Blutzuckerspiegel eingestellt werden - Erhaltungsdosis:
- Erhaltungsdosis:
- Erst nach vollständiger Normalisierung des Säure-Basen
AchtungDer Blutzuckerspiegel
sollte mit Insulin lieber zu langsam, als zu schnell gesenkt werden. Es besteht das Risiko eines Hirnödems und einer Hypokaliämie .
3. Elektrolytkontrollen & -ausgleich:
- Die Kalium
-Konzentration ist zu Beginn meistens falsch hoch - Nach der Therapieeinleitung kommt es häufig zu einer Demaskierung einer Hypokaliämie
- Die Kalium
-Konzentration sollte unter der Therapie regelmäßig (2-stündlich) kontrolliert werden - Bei einer Kalium
-Konzentration von >5,5 mmol/L sollte bei Therapiebeginn keineKaliumsubstitution erfolgen - Bei einer Hypokaliämie
sollte eine Kaliumsubstitution erfolgen: - Kalium
<3 mmol/L: - Kalium
3-4 mmol/L: - Kalium
4-5 mmol/L: - Bei einem pH-Wert
<7,1 kann eine von den oben genannten Werten abweichende Dosis notwendig werden
- Kalium
- Bei einer ausgeprägten Azidose
kann eine Phosphat -Substitution notwendig werden - Bei Symptomen (Rhabdomyolyse (steigende CK), Skelett- und Herzmuskelschwäche ⟶ respiratorische Erschöpfung, kardiale Dekompensation
) und einer Phosphat -Konzentrationunter 0,1 mmol/L sollte eine Phosphat -Substitution erfolgen (bei einer Phosphat -Konzentration unter 0,3 mmol/L kann eine Phosphat -Substitution erwogen werden) - Eine zu schnelle oder überschießende Phosphat
-Substitution kann zu einer Hypocalcämie führen - Bei einer Hypocalcämie
sollte daher keine Phosphat -Substitution erfolgen
- Bei einer Hypocalcämie
- Bei Symptomen (Rhabdomyolyse (steigende CK), Skelett- und Herzmuskelschwäche ⟶ respiratorische Erschöpfung, kardiale Dekompensation
- Die Natrium
-Konzentration ist zu Beginn meistens falsch niedrig - Nach der Therapieeinleitung sollte sich die Natrium
-Konzentration langsamnormalisieren (sie sollte um maximal 5 mmol/L proTag steigen oder fallen) - Der Natrium
-Spiegel wird primär durch eine Einstellung des Flüssigkeitshaushaltes beeinflusst
- Der Natrium
4. Bicarbonatgabe bei pH-Werten von <6,9:
- Eine Bicarbonatgabe sollte nur bei pH-Werten von <6,9 erfolgen
- Durch einen schnellen Azidoseausgleich durch eine Bicarbonatgabe kann es zu einer akuten Hypokaliämie
kommen (Einstrom von Kalium von extrazellulär nach intrazellulär) - Langsame Infusion zusammen mit Kalium
- Berechnung: NaHCO3 = -BE
x KgKG x 0,3 - Langsame Gabe (zunächst Hälfte der Dosis) unter regelmäßigen BGA-Kontrollen
- Berechnung: NaHCO3 = -BE
TippPatient:innen sollten nach einer Hypoglykämie oder einem hyperglykämischen Koma diabetologisch angebunden und geschult werden.
Algorithmus
Fallbeispiel
Für ein praktisches BGA
Quellen
- S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes, Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG)
- S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes, Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
- S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter, Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG)