Zusammenfassung
Das Thema Organspende verbindet die Bereiche Akutmedizin, Recht, Ethik und Kommunikation. Für die Präklinik bedeutet das: stets konsequent indiziert behandeln, Hypoxie und Hypotonie vermeiden, lückenlos dokumentieren und strukturiert übergeben. So bleibt bei entsprechendem Willen der Patientin/des Patienten und Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen der Weg zu einer rechtssicheren Spende in der Klinik offen.
DefinitionOrganspende vs. Gewebespende
- Organspende:
= Ganze, lebenswichtige Organe wie Herz, Lungeoder Nieren werden transplantiert
- Erfordern immer den Nachweis des Hirntods
- Gewebespende:
= Gewebe wie Haut, Knochen oder Hornhaut werden entnommen
- Können bis zu 72 Stunden nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand entnommen werden
- Lebendspende:
= Gewebe wie Niere oder Leberteile werden am lebenden Menschen entnommen
- nicht alles kann entnommen werden, nur nicht lebensnotwendige Organe
In Deutschland koordiniert die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) den Prozess, in den Entnahmekrankenhäusern unterstützen Transplantationsbeauftragte die Erkennung potenzieller Spender:innen und die internen Abläufe.
Präklinisch handelst du rechtssicher, indem du ausschließlich nach medizinischer Indikation therapierst und keine Spende‑Gespräche führst. Außerdem sollst du die Dokumentationswege (Organspende‑Register, Spenderausweis, Patient:innenverfügung) kennen und vermeidest möglichst typische Fehlerquellen wie unvollständige Dokumentation oder vorschnelle Therapielimitation.
MerkeGute Notfallmedizin, saubere Kommunikation und klare Rollen sind die Basis dafür, dass die Klinik den Spendeprozess später korrekt prüfen kann. Dennoch liegt der Fokus der Notfallmedizin auf der leitliniengerechten Versorgung. Wir treffen keine Entscheidungen über Leben und Tod im Sinne der Organspende.
Rechtsgrundlagen in Deutschland
Deutschland nutzt die (erweiterte) Zustimmungs-/Entscheidungslösung. Postmortale Spende ist zulässig, wenn die Person zugestimmt hat oder, falls nichts dokumentiert, die nächsten Angehörigen stellvertretend zustimmen. Spenden sind unentgeltlich. Organhandel ist verboten.
AchtungPraktisch relevant
- Willensvorrang: der zu Lebzeiten erklärte Wille steht an erster Stelle
- Stellvertretende Entscheidung: ohne Dokument entscheiden Angehörige nach mutmaßlichem Willen
- Dabei gilt jemand als Ansprechpartner:in, der oder die zu Lebzeiten engen Kontakt zu der Person hatten
- Standard in Deutschland: Spende nach irreversiblem Hirnfunktionsausfall (IHA)
- Ein Herz-Kreislauf-Stillstand reicht für eine Organspende nicht aus
- DCD (Donation after Circulatory Determination of Death = Spende nach Kreislauftod) wird diskutiert, ist kein Regelverfahren

https://www.needpix.com/photo/1832097/organ-donation-id-organ-donor-card-transplantation-donate-donor-medical-human-healthcare
Wo kann man den Willen festhalten?
- Organspende‑Register:
- Online
- Ab 16 Jahren
- Jederzeit änderbar
- Noch nicht sehr etabliert
- Organspendeausweis:
- Analog oder digital
- Auch Teilzustimmung / Einschränkungen möglich (einzelne Organe aus der Spende auslassen, Gewebe auslassen, etc.)
- Patientenverfügung:
- Haltung zu Spende / Therapiezielen konsistent festhalten
- Patientenverfügung zugänglich aufbewahren
(Mini‑) Überblick Transplantationsgesetz‑Strukturen:
- Transplantationsbeauftragte (§ 9b TPG):
- Gesetzlich benannte Ärzt:innen in Entnahmekrankenhäusern
- Etablieren und überwachen Prozesse zur Spendererkennung
- Schulen Teams, definieren Meldewege, prüfen die Prozessqualität und fungieren als Schnittstelle zwischen Intensivstation / Notaufnahme, OP und Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO)
- Moderation der Kommunikation mit Angehörigen (inhaltlich und zeitlich in der Klinik), ohne den dokumentierten oder mutmaßlichen Patientenwillen zu übergehen
- DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation)
- Bundesweite Koordinierungsstelle
- Strukturierung des Spendeprozesses:
- Medizinische Prüfschritte
- Logistik
- Zeitmanagement
- Transport
- Vermittlung zwischen Entnahmekrankenhaus, Allokationsstelle und Transplantationszentren
- Beachtung der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
- Sicherstellung einer 24 / 7‑Erreichbarkeit und Unterstützung der Dokumentation, Qualitätssicherung und Nachbetreuung
- Dokumente / Willen
- Maßgeblich sind Einträge im Organspende‑Register, der Organspendeausweis und ggf. die Patientenverfügung
- Prüfung der Konsistenz dieser Unterlagen durch die Klinik
- Gespräche mit Angehörigen zum mutmaßlichen Willen, wenn keine Dokumentation vorliegt
AchtungFür die Präklinik wichtig
Hinweise auf vorhandene Dokumente und / oder den Willen der Person wörtlich festhalten und strukturiert an die Klinik übergeben.
InfoLebendspenden (v.a. Niere, Leberteil) werden separat geregelt und betreffen die Präklinik nur am Rand (z.B. als Anamnese im Notfall).
Überblick über Nachbarländer Deutschlands
DefinitionOpt‑out / Widerspruchslösung
In Opt‑out‑Systemen gilt jede volljährige Person grundsätzlich als spendebereit, sofern sie nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat (z.B. per Eintrag in ein nationales Widerspruchsregister). Angehörige werden in der Praxis häufig einbezogen, ersetzen die gesetzliche Vermutungsregel jedoch nicht, maßgeblich ist das jeweilige Landesrecht und ein dokumentierter Widerspruch bzw. dessen Fehlen. Viele Nachbarländer nutzen Opt‑out (Widerspruchslösung). Das gilt vor Ort auch für Tourist:innen.
Opt-in bedeutet, dass einer Spende explizit zugestimmt werden muss damit sie vollzogen werden kann.
| Land | Modell | Erklärung |
| Niederlande | Opt‑out | Grundeintrag im Register; individuelle Wahl möglich |
| Belgien | Opt‑out | Widerspruchsregister („Schweigen = Zustimmung“) |
| Luxemburg | Opt‑out | Spende, sofern kein schriftlicher Widerspruch vorliegt. |
| Frankreich | Opt‑out | Nationales Online‑Widerspruchsregister |
| Österreich | Opt‑out | Kliniken müssen Widerspruchsregister abfragen |
| Schweiz | Opt‑in | Opt-out beschlossen, Umsetzung frühestens ab 2027 |
| Polen | Opt‑out | Zentrales Widerspruchsregister |
| Tschechien | Opt‑out | Vermutungsregel, Widerspruch möglich |
| Dänemark | Opt‑in | Eintragung online / Spenderkarte |
AchtungTritt der Tod im Ausland ein, gilt das Recht des Aufenthaltslandes - nicht automatisch deutsches Recht.
Hirntoddiagnostik
Die Feststellung eines irreversiblen Hirntodes ist eine eigenständige medizinische Diagnose und entscheidet unabhängig von einer Spende über den Tod.
DefinitionIrreversibler Hirnfunktionsausfall (IHA) / Hirntod = irreversibler Ausfall aller Hirnfunktionen, gilt als sicheres Todeszeichen.
Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen:
- Koma mit bekannter Ursache (z.B. primäre Hirnschädigung, Hypoxie)
- Ausschluss von Störfaktoren: Intoxikation, Hypothermie, schwere Elektrolyt-/Metabolikstörung; Wirkspiegel / Eliminationszeiten sedierender / relaxierender Medikamente berücksichtigen
- Suffiziente Oxygenierung und Perfusion
Kernpunkte zur Durchführung in der Klinik:
- Zwei voneinander unabhängige Fachärzt:innen (eine/r mit Neuro‑Qualifikation)
- Neurologische Untersuchung
: Ausfall aller Hirnstammreflexe (Pupillen‑, Korneal‑, Husten ‑/Würge‑, okulozephaler / okulovestibulärer Reflex u.a.) - Apnoe‑Test nach Richtlinie
- Apparative Zusatzdiagnostik bei Bedarf (EEG
, Perfusionsnachweise, Sonderfälle wie ECMO gesondert geregelt)
InfoApnoe‑Test - nur Orientierung
- Voraussetzungen: Normothermie, stabile Hämodynamik, adäquate Oxygenierung
- Vorgehen: Voroxygenieren, kontrollierten CO₂‑Anstieg zulassen, Spontamatmung beobachten
- Kriterien: CO₂‑Anstieg in den Richtlinienbereich (typisch: ≥60 mmHg oder + 20 mmHg gegenüber Ausgang) ohne Einsetzen einer Spontamatmung
- Abbruch: bei Instabilität, Hypoxie, Rhythmusstörungen
MerkeEin Hirntod wird nicht präklinisch gestellt
Präklinische Ziele:
- Therapie nach geltenden Leitlinien
- Oxygenierung und Perfusion stabil halten
- Keine präklinischen Diagnosen im Sinne eines Hirntodes
Organspende in der Präklinik
MerkePostmortale Spende (DBD) ist in Deutschland praktisch nur nach klinisch festgestelltem Hirntod möglich. Eine Spende direkt aus der Präklinik heraus ist daher nicht realistisch. DCD (Donation after Circulatory Death) ist derzeit kein Regelverfahren.
Reanimations‑ / Schockraum ‑Strategie:
- Hypoxie / Hypotonie vermeiden: Atemwegssicherung, adäquate Ventilation
und Oxygenierung, Kreislaufstabilisierung - Bei katastrophaler Hirnschädigung: keine vorschnelle Therapielimitation
- Zügiger Transport in Neuro‑/Maximalversorger
- Dokumentation: Zeitpunkte unterschiedlicher Ereignisse, Vitalwerte, Medikamente, GCS / Pupillen, Ereignisse
- Patientenverfügung beachten (kann Reanimation
/ Intubation ausschließen)
InfoDNR / DNI
Im Gesundheitswesen wird viel mit Abkürzungen gearbeitet. Die Abkürzung DNR steht dabei für Do Not Resuscitate (nicht reanimieren). DNI steht für Do Not Intubate (nicht intubieren).
Sofern diese Wünsche rechtssicher formuliert werden, gelten sie für behandelnde Personen als bindend.
MerkePhysiologische Zielbereiche
- Oxygenierung: Normoxie anstreben (SpO₂ ≥ 94 %), Hypoxien strikt vermeiden
- Ventilation
: Normokapnie (EtCO₂ ~ 35–45 mmHg), Hyperventilation nur ausnahmsweise (temporär, klinisch angeordnet) - Hämodynamik: MAP ≥ 65 mmHg (Erw.), Schock
behandeln (Volumen + Katecholamine nach Indikation) - Temperatur: Normothermie, ausgeprägte Hypothermie vermeiden
Kommunikation & Rollen:
- Keine aktive Spende‑Ansprache durch Rettungsdienst oder Notärzt:in
- Hinweise von Angehörigen (z.B. „Spenderausweis vorhanden“) wörtlich dokumentieren und weitergeben
- Suche nach entsprechenden Dokumenten in der Notfallsituation nicht forcieren
- Registerabfrage und Angehörigengespräch laufen in der Klinik (Transplantationsbeauftragte oder Deutschen Stiftung für Organtransplantation)
AchtungWas ist erlaubt - was nicht?
- Erlaubt: alles medizinisch Indizierte zur Lebensrettung / Organprotektion (BLS / ALS, Atemweg, Analgosedierung
, Volumen, Katecholamine , Temperaturmanagement, Immobilisation) - Nicht erlaubt: Maßnahmen ausschließlich zur Organerhaltung ohne aktuelle Indikation oder ohne klinische Anordnung
MerkeNeutral formulieren: „Hinweise auf schwerste Hirnschädigung“ statt Diagnosen. Frühzeitige Klinikinformation (z.B. Neurozentrum) ermöglicht parallele Vorbereitung.
Organspende - ja oder nein?
Um den Ablauf einer etwaigen Organspende zu erleichtern und den eigenen Angehörigen eine klare Vorgabe zum eigenen Willen zu geben, macht es Sinn noch zu Lebzeiten die eigene Entscheidung zur Organ- und Gewebespende zu kommunizieren und im besten Fall klar zu dokumentieren. So entstehen keine Missverständnisse und die ohnehin emotionale Situation des Todes eines geliebten Menschen wird nicht durch weiteren Planungsaufwand belastet.
Was ist dabei zu beachten?
AchtungWidersprüche zwischen Patientenverfügung und Spende‑Dokumenten vermeiden - Konsistenz schafft Rechtssicherheit.
Prüfungswissen
Rechtsmodell in Deutschland:
- Entscheidungslösung (Opt-in / erweiterte Zustimmung)
- Spende nur mit Einwilligung oder stellvertretender Zustimmung
- Irreversibler Hirnfunktionsausfall (IHA) als sicheres Todeszeichen
- Organhandel verboten
- Spenden erfolgen ohne Gegenleistung
Willensvorrang:
- Dokumentierte Entscheidung hat Priorität
- Angehörige werden einbezogen
- Eigener Wille zählt
Struktur:
- DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation): 24 / 7‑Koordination nach Klinikmeldung (Prüfschritte, Logistik, Transport, Qualitätssicherung)
- Transplantationsbeauftragte:
- Spendererkennung
- Prozesssteuerung
- Schulung
- Schnittstelle zwischen Intensivstation / NA / OP und Deutsche Stiftung Organtransplantation
- Eurotransplant:
- Internationale Vermittlung nach medizinischen Kriterien für beteiligte Länder
- Klinikrollen:
- Notaufnahme / Intensiv stabilisieren
- Entnahmeteams führen Organentnahme durch
Dokumentation:
- Register: Online‑Organspende‑Register (ab 16, widerrufbar) als Primärnachweis
- Ausweis: Organspendeausweis (analog / digital) erlaubt Ja / Nein / Teileinschränkungen
- Patientenverfügung: Spendehaltung und Therapiezieländerungen konsistent festhalten
- Ohne Dokumente: Angehörige entscheiden nach mutmaßlichem Willen
Hirntod-Diagnostik:
- Voraussetzungen:
- Koma mit bekannter Ursache
- Ausschluss von Störfaktoren (Intoxikation, Hypothermie, metabolische Entgleisung)
- Suffiziente Oxygenierung und Perfusion
- Personal: zwei unabhängige qualifizierte Ärzt:innen (mind. eine Person mit neurologischer Qualifikation)
- Untersuchung: Ausfall aller Hirnstammreflexe
(Pupillen, Korneal, Husten / Würge, okuläre Reflexe ) - Apnoe‑Test: nach Richtlinie, mit Sicherheits‑/Abbruchkriterien; CO₂‑Anstieg bis Schwellenwert ohne Spontanatmung
- Zusatzdiagnostik: EEG
/ Perfusionsnachweise bei Indikation oder Sonderfällen (u. a. ECMO , Pädiatrie)
Präklinische Versorgung:
- Prioritäten: Hypoxie / Hypotonie vermeiden, Normoxie, Normokapnie, MAP ≥ 65 mmHg (Erw.), Normothermie anstreben
- Keine Maßnahmen ausschließlich zur Organerhaltung ohne klinische Anordnung
- Dokumentation: Zeiten, Vitalwerte, Medikamente, Neurologie (GCS
, Pupillen), Zitate / Spendehinweise wörtlich - Patientenverfügung: gültige Verfügungen respektieren, ggf. keine Reanimation
/ Intubation
Quellen
- Organspende, die Entscheidung zählt, Stand: 28.09.2025 (Zugriff am 28.09.2025)
- Fragen und Antworten zum Thema Organspende, Stand: 28.09.202 (Zugriff am 28.09.2025)
- Deutsche Stiftung Organtransplantation, Stand: 28.09.2025 (Zugriff am 28.09.2025)


