Zusammenfassung
Der Rettungsdienst kann nur dann zuverlässig funktionieren, wenn seine Rahmenbedingungen von allen Beteiligten klar verstanden werden, vom ersten Klingeln der 112 bis zur Übergabe
Dieser Artikel führt praxisnah durch die Grundlagen: Wir erklären den öffentlichen Auftrag und den Rechtsrahmen, zeigen Strukturen und Akteure im föderalen System, ordnen Qualifikationen und Rollen im Team ein, beleuchten Qualität anhand von Hilfsfristen, Dokumentation und Qualitätsmanagement und erklären Finanzierung und Abrechnung. So wird greifbar, warum rechtliche Vorgaben, Leitstellenprozesse, Vorhaltung und Teamkompetenzen den Unterschied zwischen gut und exzellent ausmachen.
Am Ende steht immer der Patient bzw. die Patientin im Mittelpunkt und ein solides Systemverständnis stärkt jede Entscheidung am Einsatzort. Darüber hinaus werfen wir einen Blick auf aktuelle Entwicklungen und Trends: von Telemedizin über die Verzahnung von 112 / 116117 bis hin zu neuen Standards und Versorgungswegen. Kurz gesagt, liefert diese kompakte Orientierung
Auftrag und Rechtsrahmen
InfoRettungsdienst = öffentliche Aufgabe
Die Länder / Kommunen haben die gesetzliche Pflicht, flächendeckend und bedarfsgerecht rettungsdienstliche Leistungen einschließlich der Organisation, Disposition und Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports vorzuhalten. Die Ausprägungen variieren je nach Landesrecht, siehe hierzu die jeweiligen Rettungsdienstgesetze.
Der Rettungsdienst ist in Deutschland eine öffentliche Aufgabe der Länder. Er stellt die präklinische Versorgung sicher, von der strukturierten Notrufannahme und Disposition über die Vorhaltung bis hin zur medizinischen Erstversorgung und Übergabe
Die berufsrechtliche Grundlage der präklinischen Versorgung bildet das Notfallsanitätergesetz (NotSanG). Es regelt das Berufsbild, die Aufgaben und die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung. Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (NotSan-APrV) konkretisiert die Ausbildungsstruktur, die Praxisanteile und die Prüfungsmodalitäten. Damit existiert ein bundeseinheitlicher Kompetenzrahmen, der um länderspezifische Ausführungen und SOPs (Standard Operating Procedures) ergänzt wird. Dieser Rahmen prägt die delegationsfähigen und eigenständigen Maßnahmen im Einsatzrahmen.
Der Zugang zum System ist dual organisiert. Akute, potenziell lebensbedrohliche Lagen werden über den europaweiten Notruf 112 abgewickelt. Dessen technische Mindestanforderungen (u. a. Standort- und Rufnummernübermittlung) sind im Telekommunikationsgesetz sowie in technischen Richtlinien der Bundesnetzagentur verankert. Der Krankentransport
MerkeFöderal ≠ beliebig
Während das Ausbildungs- und Berufsrecht (NotSanG/NotSan-APrV) sowie die Notrufnummer 112 bundeseinheitlich sind, sind Hilfsfristen, Vorhaltemaßstäbe, Leitstellenorganisation usw. länder- bzw. kommunalrechtlich festgelegt.
Strukturen und Akteure
Der Rettungsdienst in Deutschland ist bewusst mehrschichtig organisiert. Die Aufgabenträger (staatlich / kommunal) sichern die Daseinsvorsorge, die Leistungserbringer (Hilfsorganisationen, Feuerwehren, kommunale Eigenbetriebe und private Anbieter) stellen Personal und Fahrzeuge bereit, die Leitstellen koordinieren die Einsätze und die medizinischen Führungsfunktionen (ärztliche Leitung Rettungsdienst, leitende Notärztin / leitender Notarzt) sind für die Qualitäts- und Behandlungsstandards verantwortlich. Welche Einheit welche Aufgabe übernimmt, ist überwiegend landesrechtlich geregelt. Daher ähneln sich die Systeme, unterscheiden sich aber in Details wie der Bedarfsplanung, der Beauftragung und der Leitstellenorganisation. Beispielhaft regeln das BayRDG (Bayern) und das RettG NRW (Nordrhein-Westfalen) zentrale Zuständigkeiten, Einrichtungen und Rollen.
Aufgabenträger und Bedarfsplanung:
- In vielen Ländern (z.B. Nordrhein-Westfalen) sind Kreise und kreisfreie Städte Träger des Rettungsdienstes. Sie müssen eine bedarfsgerechte, flächendeckende Versorgung sicherstellen und erstellen dazu Rettungsdienst-Bedarfspläne. Diese definieren u.a. Standorte, Fahrzeugvorhaltung und Organisationsformen
- In Bayern beispielsweise bündeln sich die kommunalen Aufgabenträger in Zweckverbänden für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF). Diese legen die Versorgungsstruktur fest und schließen die erforderlichen Verträge ab
- Kerngedanke Bedarfsplanung: eine Analyse des Einsatzaufkommens (zeitlich / räumlich), die Definition von Zielgrößen (z.B. Zeit bis zum Eintreffen) sowie die Ableitung von Standorten, Schichtmodellen und Reservekonzepten, diese werden regelmäßig fortgeschrieben
MerkeBedarfspläne bilden die Schnittstelle zwischen politischer Verantwortung (Daseinsvorsorge) und operativer Realität (Wachen, Fahrzeuge, Personal).
Ohne eine belastbare Bedarfsplanung geraten die Vorhaltung und die Qualität ins Ungleichgewicht.
Daseinsvorsorge:
Der Begriff der Daseinsvorsorge bezeichnet die staatliche bzw. kommunale Pflicht, grundlegende Leistungen der Infrastruktur und Gefahrenabwehr für alle Bürgerinnen und Bürger zuverlässig, flächendeckend und bedarfsgerecht sicherzustellen, unabhängig von der Rentabilität einzelner Leistungen. Zu den Bereichen, die sie umfasst, zählen unter anderem Wasser / Abwasser, Energie, Verkehr, Gesundheit / Notfallversorgung, Feuerwehr und Rettungsdienst.
- Zweck: Schutz elementarer Gemeinwohlgüter (Leben, Gesundheit, Sicherheit, Teilhabe) und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse
- Rechtliche Verankerung: kommunale Selbstverwaltung, Ausgestaltung durch Landesgesetze, im Rettungsdienst konkretisiert durch jeweilige Landesrettungsdienstgesetze und Ausführungsverordnungen
- Sicherstellungsprinzip: der öffentliche Aufgabenträger trägt die Verantwortung für Vorhaltung, Qualität und Erreichbarkeit
→ auch dort, wo die Nachfrage gering ist - Steuerungsinstrumente: Rettungsdienst-Bedarfsplan (Standorte, Vorhaltemaße, Schichtmodelle), Beauftragung, öffentlich-rechtliche Verträge, Entgelt- / Gebührenregelungen, Aufsicht und Qualitätsberichte
- Grundsätze: Flächendeckung, Bedarfsgerechtigkeit, Erreichbarkeit / Hilfsfristen, Qualität / Patient:innensicherheit, Wirtschaftlichkeit nachrangig gegenüber Sicherstellung, Transparenz und Gleichbehandlung
- Marktabgrenzung: wettbewerbliche Elemente sind zulässig, aber der Sicherstellungsauftrag bleibt hoheitlich, Entgelte orientieren sich an notwendiger Vorhaltung, nicht an kurzfristigem Preiswettbewerb
- Rettungsdienst spezifisch: Notfallrettung und qualifizierter Krankentransport sind Teil der Daseinsfürsorge, Leitstellen / Rettungswachen / Notarztstandorte / Luftrettung werden basierend auf Bedarfsplänen vorgehalten
- Praxisrelevanz für Teams: Einsatzfähigkeit muss auch bei geringer Fallzahl gewährleistet sein, Dokumentation, Qualitätssicherung und Einhaltung von Hilfsfristen sind unmittelbarer Ausdruck des öffentlichen Auftrags
Durchführende, Leistungserbringer:
Durchführende bzw. Leistungserbringer sind die von dem jeweiligen Aufgabenträger (z.B. Kreis, kreisfreie Stadt, Zweckverband) vertraglich beauftragten Organisationen. Diese stellen die operative Durchführung der rettungsdienstlichen Leistungen sicher. Sie stellen Personal, Fahrzeuge, Ausstattung und Infrastruktur bereit und erbringen die Notfallrettung sowie den qualifizierten Krankentransport (und je nach Land bzw. Vertrag auch den Notarztdienst und die Luftrettung) nach Landesrecht, Bedarfsplan, Verträgen und medizinischen Standards unter fachlicher Aufsicht der ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD).
Aufgabenträger = hoheitliche Verantwortung und Sicherstellungsauftrag (Bedarfsplanung, Beauftragung, Aufsicht)
Durchführende = operative Leistung, inkl. Personal-, Fahrzeug- und Materialvorhaltung
Typische Rettungsdienstakteure:
- Hilfsorganisationen:
- Deutsches und bayerisches Rotes Kreuz
- Malteser Hilfsdienst e.V. und Rettungsdienst gGmbH
- Johanniter Unfallhilfe
- Arbeiter-Samariter Bund (ASB)
- Private Unternehmen (wie bspw. Falck, Aicher Ambulanz Union, MKT)
- Berufsfeuerwehren
- Rettungsdienst Kooperation in Schleswig-Holstein gGmbH
- Kommunale Unternehmen
- Luftrettung: ADAC und DRF
Leitstellen:
Die Rolle und Aufgaben der Leitstellen sind wie folgt:
- Notrufannahme
→ Priorisierung
→ Alarmierung der benötigten Einsatzmittel
→ Einsatzunterstützung - Darüber hinaus können beispielsweise weitere Fachdienste über die Leitstelle erreicht werden und sie führen die Bettenkapazitäten der zugehörigen Krankenhäuser
- Sie sind alljährlich rund um die Uhr besetzt
- Neben dem Rettungsdienst (Notfallrettung, teils auch der qualifizierte Krankentransport) wird auch die Feuerwehr disponiert
Ärztliche und organisatorische Führungsfunktionen:
- Ärztlicher Leiter Rettungsdienst (ÄLRD): führt und überwacht den Rettungsdienst bei medizinischen Belangen und im Qualitätsmanagement (z.B. Standardarbeitsanweisungen oder Fortbildungen) → die Rechtsgrundlagen variieren
- Leitende:r Notärzt:in (LNA): bei großen Schadenslagen bildet der LNA (medizinisch) und der OrgL (organisatorische:r Leiter:in, taktisch-organisatorisch) die Sanitäts-Einsatzleitung (SanEL) → ihre Zusammenarbeit und Unterstützungsgruppen sind länderspezifisch geregelt und beschreiben deren Aufgabenprofile im Detail
Einrichtungen und Rettungsmittel:
- Bodengebundener Rettungsdienst → teils in Kombination an einem Standort vorhanden
- Rettungswachen und Notarztstandorte: 24 Stunden / 7 Tage / 365 Tage im Jahr besetzt
- Stellplätze: nicht dauerhaft besetzt
- Luftrettung → RTH und ITH
Ehrenamt und Zusatzkomponente:
- First Responder / Helfer vor Ort (HvO) / organisierte Erste Hilfe:
- Ergänzen → ersetzen, aber nicht den öffentlichen Rettungsdienst
- Schnelleinsatzgruppen (SEG) / Katastrophenschutz:
- Unterstützen bei Massenanfällen bzw. Großschadenslagen die Regelvorhaltung → Konzepte regeln die Alarm- und Führungsstrukturen
InfoEhrenamtliche Komponenten sind rechtlich und finanziell anders organisiert als die Regelvorhaltung. Ihre Aufgaben müssen klar vom öffentlichen Rettungsdienst abgegrenzt werden.
Typische Schnittstellen:
- Leitstellen - Rettungsdienst: Alarmierung, Lagemeldungen, Nachdisposition, Sonderlagenkoordination
- Rettungsdienst - Notarztdienst: Patient:innenversorgung, Qualifikations- / Fortbildungsanforderungen, Definition medizinischer Standards
- Rettungsdienst - Kliniken: Zielkrankenhaussteuerung, Übergabeprozesse, Krankenhausplanung und regionale Versorgungsnetz wirken strukturbildend
Qualifikationen
Ein leistungsfähiger Rettungsdienst basiert auf klar definierten Qualifikationen mit eindeutigem Kompetenzrahmen. Zentral sind dabei die bundesrechtlich geregelte Qualifikation „Notfallsanitäter:in“, die landesrechtlich geregelte Qualifikation „Rettungssanitäter:in“ (sowie ggf. „Rettungshelfer:in“), die ärztliche Qualifikation „Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin“ für „Notärzt:innen“ und die spezifische Weiterbildung von Leitstellen-Disponent:innen. Unterschiede zwischen den Ländern betreffen vor allem den Umfang und die Ausgestaltung der nichtärztlichen Qualifikationen, die Fortbildungspflichten und die Besetzungsregeln.
Im Jahr 2023 waren in Deutschland rund 89.000 Menschen im Rettungsdienst tätig. Innerhalb der letzten zehn Jahre ist die Zahl der hauptamtlichen Beschäftigten um rund 71 Prozent gestiegen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Ansätze, wie beispielsweise die Steigerung der beruflichen Attraktivität oder die Etablierung eines akademischen Qualifizierungswegs für Notfallsanitäter:innen.
Notfallsanitäter:in:
Die Qualifikation als Notfallsanitäter:in ist im Notfallsanitätergesetz (NotSanG) sowie in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (NotSan-APrV) bundeseinheitlich geregelt. Die Ausbildung dauert in Vollzeit drei Jahre (in Teilzeit bis zu fünf Jahre) und umfasst theoretischen und praktischen Unterricht sowie eine praktische Ausbildung im klinischen und präklinischen Bereich. Sie schließt mit einer staatlichen Prüfung ab.
Das Ziel besteht darin, die Befähigung zur eigenständigen, situationsangemessenen prähospitalen Versorgung einschließlich strukturierter Diagnostik, Priorisierung, Team- und Schnittstellenarbeit zu erlangen.
- Kernkompetenzen:
- Eigenverantwortliches Ausführen definierter Aufgaben der Notfallversorgung, inklusive strukturierter Beurteilung, Priorisierung und Einleitung indizierter Maßnahmen bis zur ärztlichen Übergabe
- Heilkunde in Notfällen: bis zum Eintreffen der Ärztin /des Arztes dürfen NotSan heilkundliche Maßnahmen eigenverantwortlich durchführen, wenn sie erforderlich sind, um Lebensgefahr / schwere Gesundheitsschäden abzuwenden, und wenn diese Maßnahmen in der Ausbildung erlernt und beherrscht werden. Ergänzend können NotSan standardmäßig vorgegebene heilkundliche Maßnahmen nach ärztlich verantworteten SOPs (Standard Operating Procedures) durchführen
DefinitionEigenverantwortliche Heilkunde (NotSanG § 2a)
Ärztlich nicht delegierte, von NotSan bis zum Eintreffen der Ärztin / des Arztes in vitaler Gefährdungslage durchgeführte Maßnahmen, sofern Erforderlichkeit, Ausbildungsbezug und Beherrschung vorliegen.
Standardmäßig vorgegebene Maßnahmen (NotSanG § 4 Abs. 2 Nr. 2 c): Ärztlich festgelegte, überprüfte und verantwortete SOP-Maßnahmen, die NotSan eigenständig umsetzen.
AchtungDie Reichweite eigenverantwortlicher Heilkunde ist eng an die gesetzlichen Voraussetzungen gebunden und wird durch Rechtsprechung präzisiert: außerhalb vitaler Gefährdungslagen ist regelmäßig die ärztliche Anordnung / Delegation maßgeblich. Eine Kompetenzüberschreitung kann haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
InfoRettungsassistent:innen
Ehemalige Rettungsassistent:innen dürfen ihre Berufsbezeichnung weiterführen, die Übergangs- und Ergänzungsregelungen sind gesetzlich geregelt.
TippZukunftsaussichten akademischer Weiterentwicklung
Seit Jahren wird durch die Möglichkeit der akademischen Weiterentwicklung, nicht nur die Patient:innensicherheit verbessert, sondern auch der Beruf attraktiver gemacht. Mit jedem Jahr werden weitere Studiengänge entwickelt, hier gibt es eine kleine Auswahl:
- Medizinpädagogik
- Management-Studiengänge, wie Rescue Management oder Management in der Gefahrenabwehr
- Studiengänge zu Gefahrenabwehr und Ingenieurwesen, wie Rettungsingenieurwesen oder Krisen- und Notfallmanagement
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, um sich im Verlauf seiner Rettungsdienstkarriere entsprechend weiterzuentwickeln. Auf der Webseite der Rettungsdienst-Forschung.de findest du weitere Studiengänge und Informationen.
Rettungssanitäter:in:
Die Qualifikation „Rettungssanitäter:in“ ist kein bundesrechtlich geregelter Ausbildungsberuf. Die Ausbildung und Prüfung werden daher landesrechtlich geregelt. Als Referenz dient das 520-Stunden-Programm (Theorie und Praxis, Klinik- und Rettungsdienst-Praxis, Abschlusslehrgang und Prüfung), das vielfach wörtlich in Landesverordnungen übernommen wurde (Beispiel Niedersachsen). Typische Einsatzfelder sind der qualifizierte Krankentransport, die Unterstützung in der Notfallrettung im Team mit Notfallsanitäter:innen und Leitstellenfunktionen, je nach Landesrecht.
Ablauf der Ausbildung:
- 160 Stunden Grundlehrgang an einer Rettungsdienstschule
- 160 Stunden Klinikpraktikum (verschiedene Abteilungen werden durchlaufen)
- 160 Stunden Rettungswachenpraktikum an einer Lehrrettungswache
- 40 Stunden Abschlusslehrgang mit Prüfung
MerkeDer Begriff „Rettungssanitäter:in“ ist landesrechtlich geprägt. Inhalte, Prüfungsformate und Einsatzspielräume können variieren, orientieren sich aber in der Regel an den Empfehlungen des Ausschusses Rettungswesen.
Rettungshelfer:in / Rettungsdiensthelfer:in:
In einigen Ländern (z.B. Nordrhein-Westfalen) gibt es die Rettungshelfer:in als eigenständige Kurzqualifikation unterhalb von Rettungssanitäter:innen. Typischerweise sind die Aufgaben auf den Krankentransport und die Unterstützung ausgerichtet sowie häufig im Ehrenamt zu finden. Details wie Umfang, Abschluss und Einsatz sind länder- bzw. verordnungsrechtlich festgelegt.
Notärzt:in (Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin):
Notärzt:innen führen die prähospitale ärztliche Versorgung auf Basis der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) und der landesärztlichen Weiterbildungsordnungen durch. Für die Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin sind u.a. mindestens 24 Monate Weiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung (davon 6 Monate Intensivmedizin oder Anästhesiologie) sowie der Erwerb notfallmedizinischer Kompetenzen erforderlich. Dafür werden meistens ein Kurs (80 Stunden) sowie Notarzteinsätze absolviert. Die konkreten Anforderungen (Kurs-/Einsatzumfänge) werden von den Landesärztekammern festgelegt.
Leitstellen-Disponent:in:
Leitstellenqualifikationen sind nicht bundeseinheitlich normiert. In der Regel wird eine Qualifikation im Rettungsdienst, idealerweise ergänzt durch eine feuerwehrtechnische Ausbildung, als Voraussetzung angesehen. Nach der Einstellung erfolgt die entsprechende Weiterbildung, die auf die Grundqualifikationen zugeschnitten ist. Dabei durchläuft man ggf. Module des Feuerwehr- und Rettungsdienstes und lernt die Arbeit der Leitstelle mit all ihren Facetten kennen. Da es sich nicht um eine staatlich geregelte Berufsausbildung handelt, sind die Zugangswege und Curricula von Land zu Land unterschiedlich. Seit kurzem gibt es die Ausbildung zum Leitstellendisponenten / zur Leitstellendisponentin auch in einer dreijährigen dualen Ausbildung. Dafür ist lediglich ein Schulabschluss erforderlich, da die Kenntnisse über den Rettungsdienst und die Feuerwehr in den drei Jahren vermittelt werden.
Fortbildungen:
Fortbildungs- und Aktualisierungspflichten sind in den jeweiligen Landesgesetzen verankert. Beispiel Bayern: die regelmäßige und angemessene Fortbildung des nichtärztlichen Personals ist Pflicht (Art. 44 BayRDG). Ärzt:innen im öffentlichen Rettungsdienst unterliegen einer notarztspezifischen Fortbildungspflicht. In Nordrhein-Westfalen ist eine jährliche, aufgabenbezogene Fortbildung (Praxis-, Klinik- und Leitstellen-Kontext) Pflicht, wobei in der Praxis häufig 30 Stunden pro Jahr als Standard gelten.
Erweiterungs- und Aufstiegsfortbildungen:
- Praxisanleitung:
- Ausbildung an der Rettungswache
- Praktischer Unterricht an der Rettungsdienstschule
- Sicherstellung der Ausbildung und Fortbildung
- Ansprechpartner und Schnittstelle für Auszubildende, Führungskräfte und Rettungsdienstschulen
- Vorraussetzung: mind. 2 Jahre Berufserfahrung
- Dauer der Fortbildung: ≥ 300 Stunden
- Medizinprodukte-Beauftragte:r:
- Zentrale Kontaktstelle für Vorkommnisse und Rückrufe, koordiniert Maßnahmen und Meldungen
- Zuständig für Betreiberpflichten nach MPDG / MPBetreibV (Einweisungen, Instandhaltung, Bestandsbuch)
- Schult Personal, dokumentiert Einweisungen und Nutzerbefähigungen
- Keine bundeseinheitliche Ausbildung, zusätzlich entsprechende Hersteller-Schulungen auf den zu schulenden Geräten
- Desinfektor:in:
- Plant und überwacht Reinigungs- und Desinfektionsprozesse (Wache, Fahrzeuge, Material)
- Erstellt Desinfektions- und Hygienepläne
- Führt Schulungen und Unterweisungen durch
- Unterstützt bei Ausbruchs- / Expositionsereignissen, Abfall- / Wäschelogistik
- Ansprechpartner zu Hygienefragen
- Dauer Fortbildung: ca. 130 bis 140 Stunden (in 3-4 Wochen) in Theorie und Praxis
- Sicherheitsbeautragte:r:
- Beobachtet Arbeitsplätze / Einsätze und weist auf Unfall- und Gesundheitsgefahren hin (präventiv beratend)
- Unterstützt bei PSA-Konzepten, Fahr-/Verkehrssicherheit, Gefahrstoffen und Ergonomie
- Meldet Mängel, begleitet Begehungen
- Arbeitet mit Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt zusammen
- Dokumentiert Begehungen, Maßnahmenverfolgung, Unterweisungen
- Dauer Fortbildung: 2 Tage, Inhalte und Anforderungen durch DGUV geregelt
- Qualitätsmanagement-Beauftragte:r (QMB):
- Baut das Qualitätsmanagement-System auf und führt es weiter aus (ISO 9001)
- Pflegt Prozess- und SOP-Landschaft (SOP = Standard Operating Procedure)
- Steuert Kennzahlen, interne Audits, Maßnahmenmanagement
- Moderiert Fehler-/Ereignismanagement, dokumentiert Wirksamkeit
- Hält Schulungen
- Kontinuierliche Verbesserung (PDCA-Zyklus)
- Schnittstelle zwischen Führung und Personal
- Dauer Fortbildung: unterschiedlich, von ca. 2 Tagen bis 5 Tage
- Auditor:in:
- Plant und führt Audits durch
- Bewertet Norm-/Vorgabenerfüllung und identifiziert Abweichungen und Chancen
- Erstellt Auditberichte
- Stimmt Korrektur-/Vorbeugemaßnahmen und Fristen ab
- Muss unabhängig vom auditierenden Bereich sein, kennt Normen und Regelwerke sicher
- Wirksamkeitskontrolle und Risikobewertung inklusive
- Dauer Fortbildung: 2-3 Tage für den:die interne:n Auditor:in
- Wachleitung:
- Verantwortet Personalführung und Dienstplanung vor Ort
- Sichert Vorhaltung, Fahrzeug-/Gerätemanagement, Materiallogistik, Prüf-/Wartungsfristen
- Zuständig für Arbeitsschutz, Kommunikation mit Personal, Leitstellen, Träger und andere Fachstellen
- Budget, Bestellungen, Begehungen, interne Kommunikation
- Dauer Fortbildung: unterschiedliche Ausbildungen, häufig interne Regelungen, Dauer reicht von einer Woche bis hin zu Monaten
- Organisatorische Leitung (OrgL):
- Führt bei MANV (Massenanfall an Verletzten und Erkrankten) / Großschadenslagen den organisatorisch-taktischen Rettungsdienstabschnitt
- Bildet mit dem LNA (Leitenden Notarzt/-ärztin) die SanEL (Sanitäts-Einsatzleitung)
- Verantwortlich für Kräfte-/Mittelsteuerung, Abschnitte, Sammelstellen
- Stellt Lagebild, Kommunikation, Dokumentation und Schnittstellen sichern
- Arbeitet eng mit LNA (Leitendem Notarzt/-ärztin), der Feuerwehr-Einsatzleitung, Polizei und Leitstelle zusammen
- Dauer Fortbildung: je nach Landesvorgaben oder Träger, 3 bis 5 Tage
Teamkonstellationen und Mindestbesatzung der Bundesländer laut Rettungsdienstgesetze:
| Rettungswagen | Notarzteinsatzfahrzeug | Krankentransportwagen | ||||
| Fahrer:in | Beifahrer:in | Fahrer:in | Beifahrer:in | Fahrer:in | Beifahrer:in | |
| Baden-Württemberg | RettSan | NotSan | RettAss / NotSan | Notärzt:in | Rettungshelfer | RettSan |
| Bayern | RettSan | NotSan | RettSan | Notärzt:in | Geeignete:r Fahrer:in | RettSan |
| Berlin | RettSan | NotSan | RettAss / NotSan | Notärzt:in | Geeignete:r Fahrer:in + 60 Stunden Sanitätsausbildung | RettSan |
| Brandenburg | RettSan | NotSan | RettAss / NotSan | Notärzt:in | Geeignete:r Fahrer:in | RettSan |
| Bremen | RettSan / NotSan-Azubi ab dem 2. Lehrjahr | NotSan / RettAss | Ohne Angabe | Notärzt:in | Rettungshelfer | RettSan |
| Hamburg | RettSan | NotSan | NotSan | Notärzt:in | RettSan | RettSan |
| Hessen | RettSan / NotSan-Azubi 2. Lehrjahr | NotSan / NotSan-Azubi im 3. Lehrjahr (NotSan muss fahren) | RettAss / NotSan | Notärzt:in | Sanitäter:in | RettSan |
| Mecklenburg-Vorpommern | RettSan / NotSan-Azubis auf RettSan Niveau | NotSan / RettAss | RettAss / NotSan | Notärzt:in | RettSan | RettSan |
| Niedersachsen | Ohne Angabe | NotSan / RettAss (bis 12/2026) | RettAss / NotSan | Notärzt:in | Geeigneter Fahrer | RettSan |
| Nordrhein-Westfalen | RettSan | NotSan / RettAss | RettAss / NotSan | Notärzt:in | Rettungshelfer | RettSan |
| Rheinland-Pfalz | RettSan | NotSan | NotSan / RettSan mit 2.000 Stunden auf RTW | Notärzt:in | Rettungshelfer | RettSan |
| Saarland | RettSan | NotSan | NotSan | Notärzt:in | Sanitäter:in | RettSan |
| Sachsen | Geeignete Person | Geeignete Person | Geeignete Person | Notärzt:in | Geeignete Person | Geeignete Person |
| Sachsen-Anhalt | RettSan | NotSan | NotSan | Notärzt:in | RettSan | NotSan |
| Schleswig-Holstein | RettSan mit Einsatzerfahrung / NotSan-Azubi ab dem 18. Monat | NotSan | NotSan / RettAss | Notärzt:in | RettSan / NotSan-Azubi ab dem 18. Monat | RettSan mit Einsatzerfahrung / RettAss |
| Thüringen | RettSan / RettAss | NotSan | NotSan | Notärzt:in | Ohne Angabe | Ohne Angabe |
Qualität
Ein qualitativ hochwertiger und verlässlicher Rettungsdienst basiert auf klar definierten Zielgrößen, sauber erhobenen Daten und einer gelebten Verbesserungskultur. Dabei wird Qualität nicht nur an medizinischen Ergebnissen gemessen, sondern auch an Erreichbarkeit, Reaktionsfähigkeit, Prozesssicherheit und Dokumentationsgüte. Da relevante Details (z.B. Hilfsfristen) landesrechtlich festgelegt sind, müssen Definitionen und Messmethoden stets transparent gemacht werden, bevor Kennzahlen verglichen oder zur Steuerung herangezogen werden.
Qualitätsverständnis und Qualitätsmanagement-Grundlagen
- Strukturqualität: Vorhaltung, Qualifikationen, Ausrüstung, Leitstellen- und Wachsenstruktur
- Prozessqualität: standardisierte Notrufabfrage, Alarmierung, Eintreff- und Versorgungszeiten, SOP-Compliance
- Ergebnisqualität: Patient:innenorientierte Outcomes wie ROSC-Rate, Schmerzreduktion, Komplikationen, geeignete Zielklinik
Kernprinzipien:
- Messbar: jede Zielgröße hat eine eindeutige, auditierbare Definition
- Vergleichbar: Zeitpunkte und Ergebnisse sind einheitlich erfasst und zeitlich synchronisiert
- Verbesserungsorientiert: PDCA-Zyklen, Fallreviews, Simulation und Feedback
Qualitätsmerkmale des Rettungsdienstes:
- Sicherstellung: Rettungsdienst ist vorhanden und steht bereit
- Zugänglichkeit: niederschwellige Erreichbarkeit (z.B. per Telefon oder textbasiert)
- Menschliche Anteilnahme: menschliche, anteilnehmende, einfühlsame Kommunikation mit Patient:innen
- Angemessenheit: Versorgung entspricht dem wissenschaftlichen Stand (leitliniengerecht, evidenzbasiert)
- Zeitgerecht: Einhaltung zeitlicher Vorgaben (z.B. Hilfsfrist)
- Gleichmäßig: gerechte Versorgung in Stadt und Land (gleichwertiger Zugang)
- Kosteneffizienz: wirtschaftlicher Einsatz der Mittel bei gleicher und verbesserter Versorgungsleistung
- Besseres Patient:innenoutcome: nachweisbare Reduktion von Leid, Tod, Schmerz (Dokumentation und Auswertung von Ereignissen)
Bedarfsplanung
Zeitachsen und Messpunkte:
Zentrale Zeitpunkte im Einsatz:
- Notrufeingang: erster Klingelimpuls in der Leitstelle
- Annahmezeit: Zeit von Notrufeingang bis Gesprächsannahme
- Dispositionszeit: Ende der Abfrage bis Alarmierung der Einsatzmittel
- Ausrückezeit: Alarmierung bis Abfahrt des Fahrzeugs von der Wache
- Fahrzeit: Abfahrt bis Eintreffen an der Einsatzstelle
- Eintreffzeit: erstes geeignetes Rettungsmittel, Vor-Ort-Zeitpunkt
- Versorgungszeit: Eintreffen bis Abfahrt zur Klinik
- Transportzeit: Abfahrt bis Ankunft Zielklinik
- Übergabezeit: Ankunft Klinik bis Ende strukturierter Übergabe
- Wiederverfügbarkeit / Aufbereitungszeit: Ende Übergabe bis Status „einsatzbereit“ im Funk
Hilfsfrist und Eintreffzeit:
Die Hilfsfrist bezeichnet die landesrechtlich definierte Zeitspanne, innerhalb derer ein geeignetes Rettungsmittel die Einsatzstelle erreichen muss. In der Regel wird eine Perzentilvorgabe (z.B. P90 oder P95) festgelegt und eine räumliche Differenzierung nach urbanen und ländlichen Gebieten vorgenommen. Diese Vorgaben und Zeiten variieren von Bundesland zu Bundesland.
Für die Planung und Steuerung in der Praxis sind Heatmaps der Eintreffzeiten und Zeit-zu-Ziel-Karten pro Tageszeit und Wochentag deutlich aussagekräftiger als eine Einzahl-Kennziffer.
MerkeDer Durchschnitt verschleiert Spitzenbelastungen. Für die Einsatzrealität wird mit Perzentilen gesteuert, nicht mit Mittelwerten.
Kennzahlenkatalog für die Leitstelle, den Einsatz und das Outcome:
- Leitstelle: (Auswahl)
- Erreichbarkeit: Anteil angenommener Anrufe innerhalb definierter Sekunden
- Gesprächsabbrüche: Quote der abgebrochenen Notrufe
- Dispositionszeiten: Median und Perzentile von Abfrage bis Alarmierung
- Telefonreanimationsquote: Anteil der Fälle mit angeleiteter Telefonreanimation bei kardialem Arrest
- Stichworttreue: Übereinstimmung Dispositionsstichwort ↔ Einsatzrealität
- Einsatzdruchführung: (Auswahl)
- Eintreffzeit: erreichtes Perzentil je nach Gebietskategorie und Tageszeit
- On-Scene-Zeit: Median und Verteilung je Leitsymptom
- Schmerzmanagement: Anteil Patient:innen mit dokumentiertem initialem Schmerzscore, Analgesie-Rate bei NRS ≥ 4
- Atemwegs- und Beatmungs-Qualität: Monitoring bei Intubation und Beatmung mit Kapnometrie
- Diagnostik: 12-Kanal-EKG-Rate bei ACS-Verdacht, BEFAST und Blutzucker bei neurologischen Symptomen
- Pfade und Voranmeldung: Anteile Stroke oder Herzinfarkt, Zeit bis Op-Verkürzung bei Voranmeldung
- Outcome: (Auswahl)
- ROSC-Rate: prähospital und bei Klinikaufnahme
- Komplikationen
- Zielklinikwahl: Anteil indikationsgerechter Zielkrankenhäuser
MerkeKennzahlen ohne Outcome-Bezug können in die Irre führen. Jede Steuerzahl sollte eine klinische Relevanz für den:die Patient:in haben.
Datenerhebung, Validierung und Reporting:
- Gute Datengrundlage:
- Quellen: Leitstellen-Systeme, Klinikfeedback
- Zeitbasis: einheitliche Zeitzone
- Datenschutz: Pseudonymisierung, klare Berechtigungskonzepte, zweckgebunde Nutzung
- Validierung und Qualitätssicherung:
- Regeln für Ausreißer und Plausibilitätschecks
- Dublettenprüfung bei Mehrfachmeldungen und Folgeeinsätzen
- Audit für nachträgliche Korrekturen
- Reporting:
- Dashboards in Echtzeit für operative Steuerung
- Monats- und Quartalsberichte mit Trendanalysen und Perzentilen
- Benchmarking nur mit identischen Definitionen und vergleichbaren Gebieten
AchtungKennzahlen sind steuerrelevant. Falsche Definitionen können zu Fehlanreizen führen, beispielsweise zu unmotiviertem „schnell, aber unsicher“. Deshalb sollten Definitionen schriftlich fixiert und veröffentlicht werden.
Bedarfsplanung und dynamische Vorhaltung:
Planungslogik:
- Nachfrageanalyse: historische Einsatzzahlen als Zeitreihen, saisonale und tageszeitliche Muster
- Standortoptimierung: Erreichbarkeitsanalyse mit Isodistanzen und Fahrzeitmodellen
- Schichtmodelle: lastgerechte Vorhaltung mit Peak-Abdeckung, Reserve- und Nachalarmierungskonzepten
Dynamische Steuerung im Tagesgeschäft:
- Redeployment nach Abdeckungs-Lücken
- Proaktive Verlegung von Fahrzeugen bei vorhergesagten Hot-Spots
- First-Responder-Einbindung mit klaren Triggern und Rückfallebenen
Finanzierung und Abrechnung
Der Rettungsdienst wird hauptsächlich durch Entgelte für Rettungseinsätze und Krankentransport finanziert, die an Sozialversicherungsträger und private Krankenkassen in Rechnung gestellt werden. Zu den wichtigsten Kostenträgern gehören die GKV, private Kostenträger und weitere außerhalb der GKV für bestimmte Gruppen von Personen entrichtende Kostenträger wie Bundespolizei, Bundeswehr, Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den Kosten des Rettungsdienstes und dessen Struktur. Darum kommen individuelle Regelungen zur Gestaltung der Entgelte zur Anwendung. Die Vergütung der Rettungsdienstleistungen richtet sich nach festgelegten kommunalen Gebührensatzungen oder vereinbarten Benutzungsentgelten. Die Entgelte gelten einheitlich für den gesamten Rettungsdienstbereich. Bei fehlenden landes- oder kommunalrechtlichen Bestimmungen schließen die Krankenkassen bzw. ihre Landesverbände ersatzweise Verträge mit den Leistungserbringern über die Vergütung ab.
In der Sozialgesetzgebung ist der vorklinische Leistungsbereich (noch) dem Bereich Fahrkosten zuordnen, daher werden die Kosten des Rettungsdienstes über die Abrechnung der Fahrkosten abgedeckt.
Die Übernahme der laufenden Betriebs- und Investitionskosten wird durch Landesgesetze geregelt. Einen Großteil der laufenden Betriebskosten machen die Fixkosten für die Betriebskapazitäten aus, die aktuell von den Krankenkassen getragen werden. Sie sind abhängig von der Hilfsfrist, der erforderlichen Qualifikation des Personals und der Ausstattung der Rettungsmittel. Investitionskosten für Leitstellen und Rettungswachen werden zum Teil von der öffentlichen Hand finanziert.
Die Finanzierung des Rettungsdienstes ist aufgrund des Föderalismus sehr vielfältig. Es gibt verschiedene Finanzierungsmodelle für die Kostenerstattung. In Bayern verwaltet die ZAST (Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern GmbH) einen Pool der von den Kostenträgern einbezahlten Gelder und erstattet den Rettungsdienstorganisationen ihre Kosten. Mit dem Überschuss finanziert die ZAST den Rettungsdienst in ländlichen Regionen. Im Rettungsdienstgesetz von Rheinland-Pfalz ist eine Mischfinanzierung vorgesehen: die Personalkosten der integrierten Leitstellen werden zu 60 % von den Kostenträgern, zu 25 % vom Land und zu 15 % von den Landkreisen und Städten finanziert. Investitionen werden ebenfalls auf mehrere Schultern verteilt.
Drei Modelle der Finanzierung und Vergabe im Rettungsdienst:
Die verwendete Variante hängt vom Landesrecht, Bedarfsplan und Vergaberecht ab. Überall gilt zusätzlich das Vorhalteprinzip, wobei nicht nur die einzelne Fahrt finanziert wird, sondern auch die dauerhafte Einsatzbereitschaft. Dies ist in den Benutzungsentgelten mit eingerechnet, welche erst bei Transport von den Kostenträgern bezahlt werden.
- Eigeneinbringung / kommunales Modell:
- Der Rettungsdienstträger erbringt die Leistungen selbst, etwa als Eigenbetrieb, bei der Feuerwehr oder einem kommunalen Unternehmen
- Geldfluss: Krankenkassen → RD-Träger (=Leistungserbringer), der Träger schließt Entgelt-/Gebührenregelungen und rechnet direkt ab
- Steuerung: Personal, Flotte, Prozesse und Qualität liegen komplett beim Träger
- Wirtschaftsrisiko: komplett beim Träger
- Vorteile:
- Einheitliche Standards, schnelle Anpassungen, klare Verantwortlichkeit aus einer Hand
- Gute Verzahnung mit Feuerwehr, Katastrophenschutz
- Nachteile:
- Kapital- und Personalbindung, volle Kosten- und Innovationsrisiken
- Wettbewerbsdruck geringer, aktives internes Qualitätsmanagement nötig
- Typisch geeignet, wenn: starke kommunale Struktur, klare politisch-administrative Priorität auf Eigenleistung, vorhandene Infrastruktur
- Submissionsmodell:
- Der Rettungsdienstträger beauftragt Dritte per Vertrag oder Ausschreibung
- Geldfluss: Krankenkassen → RD-Träger → Leistungserbringer
- Abrechnung: Leistungserbringer rechnen mit dem Rettungsdienstträger ab und dieser mit den Krankenkassen
- Steuerung: Träger behält die Fäden (Verträge. Qualitätsziele) in der Hand
- Wirtschaftsrisiko: zwischen Träger und Beauftragten geteilt, je nach Vertragslogistik
- Vorteile:
- Wettbewerb um Qualität und Effizienz, Träger behält Daten- und Steuerungshoheit
- Flexibel skalierbar (mehrere Durchführende je Bereich)
- Nachteile:
- Vertrags- und Schnittstellenaufwand (Controlling, Abrechnung)
- Vergaberechts-Compliance nötig (Dokumentation, Gleichbehandlung)
- Typisch geeignet, wenn: Träger steuern will, aber nicht alles selbst betreiben will, mehrere Anbieter verfügbar, Wunsch nach Vergleichbarkeit
- Bundesländer: Saarland, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Schleswig-Holstein
- Konzessionsmodell:
- Der Rettungsdienstträger beauftragt Dritte per Vertrag oder Ausschreibung
- Geldfluss: Krankenkassen → Leistungserbringer
- Abrechnung: Leistungserbringer rechnen selbst mit den Krankenkassen ab
- Steuerung: Standards und Kennzahlen müssen vertraglich sehr klar festgelegt sein, weil der finanzielle Hebel beim Anbieter liegt
- Wirtschaftsrisiko: weitgehend beim Leistungsträger (Vorhaltung, Auslastung, Investment)
- Vorteile:
- Geringere Abrechnungs- und Liquiditätslast beim Träger
- Anreiz zu Effizienz und Innovation beim Anbieter
- Nachteile:
- Stärkerer Fokus auf wirtschaftliche Risiken beim Anbieter kann zu Zielkonflikten führen
- Höherer Bedarf an engen Kennzahlen, Vertragscontrolling und Sanktionsmechanismen
- Typisch geeignet, wenn: professioneller Markt vorhanden ist und der Träger Sicherstellung vorrangig vertraglich regeln will
- Bundesländer: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen
InfoFinanzierungsmodelle des Rettungsdienstes in Deutschland: Monistisch und dualistisch
In Deutschland lassen sich zwei grundsätzliche Modelle der Finanzierung des Rettungsdienstes unterscheiden: die monistische und die dualistische Finanzierung.
- Monistisches Modell:
- Kostenträger - primär die gesetzlichen Krankenkassen - tragen sowohl die Betriebs- als auch die Investitionskosten
- Dualistisches Modell:
- Aufteilung der Finanzierungsverantwortung
- Investitionskosten werden von den Bundesländern übernommen
- Finanzierung der laufenden Betriebskosten läuft über die Krankenkassen
Die Verbreitung dieser beiden Modelle ist bundesweit annähernd ausgewogen:
- Finanzierung des Rettungsdienstes über Gebühren bzw. Benutzungsentgelte
- In acht Bundesländern (Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein)
- Regelung auf Landes- oder Kommunalebene in vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kostenträgern und Trägern des Rettungsdienstes
- Öffentliche Förderungen oder Investitionskostenerstattung durch das jeweilige Land
- In sieben weiteren Bundesländern (Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen)
- Sonderstellung in Berlin: Hier existieren sowohl monistische als auch dualistische Strukturen, abhängig vom jeweiligen Leistungserbringer
TippGebührenfestsetzung im Rettungsdienst: Rechtliche Grundlagen und Prinzipien
Die Festsetzung von Gebühren im deutschen Rettungsdienst erfolgt grundsätzlich als Benutzungsgebühr gemäß den jeweiligen Kommunalabgabenordnungen der Bundesländer. Trotz föderaler Unterschiede gelten einige übergeordnete Prinzipien, die unabhängig von landesspezifischen Regelungen Anwendung finden.
Zentral ist dabei das Erforderlichkeitsprinzip, das besagt, dass Gebühren nur für tatsächlich notwendige und erbrachte Leistungen erhoben werden dürfen. Ergänzend hierzu steht das Äquivalenzprinzip, welches verlangt, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und dem Wert der erbrachten Leistung besteht.
Beide Prinzipien stehen in enger Verbindung mit dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Diesen verpflichteten Leistungserbringer im Gesundheitswesen und damit auch den Rettungsdienst dazu, ihre Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu erbringen, ohne dabei das Maß des medizinisch Notwendigen zu überschreiten.
Aktuelle Entwicklungen und Trends
Die Rahmenbedingungen des Rettungsdienstes verändern sich spürbar: Reformen der Notfallversorgung, Digitalisierung, Telemedizin und die Anforderungen der Klimakrise sind die treibenden Kräfte. Politisch zeichnet sich eine stärkere Verzahnung von 112 und 116117, die Einrichtung integrierter Notfallzentren (INZ) sowie ein durchgängig digitaler Datenaustausch vom Notruf bis zur Klinik ab. Parallel dazu wachsen telemedizinische Strukturen (Telenotarzt), die elektronische Patientenakte (ePA) und die elektronische Notfalldatenmappe (ePKA) sowie die Datenzugänge für Qualitätssicherung. Ökologisch rücken elektrisch betriebene Fahrzeuge, Energie- und Ressourceneffizienz sowie Hitzeschutz und Resilienz in den Fokus. Für die Praxis bedeutet dies, dass Prozesse, Technik und Kompetenzen systematisch neu justiert werden - mit Chancen für Qualität und Patientensicherheit, aber auch mit hohen Anforderungen an die Umsetzung und das Change-Management.
Reform der Notfallversorgung:
- Verbindliche Zusammenarbeit und digitale Vernetzung von 112 und 116117: Leitstellen müssen Patient:innendaten übermitteln können, Ziel ist eine einheitliche, indikationsgerechte Steuerung der Ressourcen
- Integrierte Notfallzentren (INZ): Krankenhaus-Notaufnahme und KV-Notdienstpraxis mit gemeinsamer Triage → Patient:innen werden der passenden Ebene zugeführt → Entlastung der Notaufnahmen, schnellere und passendere Wege für Patient:innen
- Rettungsdienstreform:
- Rettungsdienst soll eigener Leistungsbereich im SGB V werden
- Telematrikinfrastruktur soll ausgebaut werden
- Gleichwertige Mindeststandards im bundesweiten Rettungsdienst
- Ausbildung: (Empfehlungen des Gesetzesentwurfes) → Stufenweise mit Erweiterung der Kompetenzen
- Rettungssanitäter:innen sollen eine 1-jährige Ausbildung durchlaufen
- Notfallsanitäter:innen bleiben bei der 3-jährigen Ausbildung, können diese jedoch erweitern und bekommen damit mehr Kompetenzen:
- Bachelorstudium, aufbauend auf NFS-Qualifikation
- Masterstudium, aufbauend auf dem Bachelorstudium
Telemedizin / Telenotarzt:
Telenotarzt-Systeme unterstützen das Rettungsteam in Echtzeit mit Audio-, Video- und Telemetriedaten, beschleunigen Entscheidungen und stabilisieren die Versorgungsqualität, besonders bei knapper notärztlicher Präsenz. Nordrhein-Westfalen hat den landesweiten Ausbau bis 2025 strategisch angelegt und gilt in diesem Bereich als Vorreiter. Schulungs-, SOP- und Haftungskonzepte sind integraler Bestandteil der Implementierung. Erste Auswertungen zeigen den Praxisnutzen, beispielsweise in Form von delegationsfähigen Maßnahmen, Beratungen und der Wahl der Zielklinik.
MerkeTelemedizin ergänzt, aber ersetzt nicht die Notärzt:in vor Ort. Qualitätsgewinn entsteht erst durch klare Indikationen, standardisierte Abläufe und sauberer Dokumentation.
Ökologie und Klimaanpassung:
Der Rettungsdienst mit all seinen Einwegartikeln ist in Sachen Müll nicht der klimafreundlichste Beruf, dazu kommen die Fahrzeuge mit vielen gefahrenen Kilometern am Tag, dennoch wird auch in Rettungsdienstkreisen das Bewusstsein für die Umwelt immer größer. Daher werden regelmäßig neue Konzepte erprobt:
- Elektrische Rettungsfahrzeuge: einige Träger erproben unterschiedliche E-Rettungsmittel
- Ziele: Lärm- und CO₂-Reduktion, bessere Energieeffizienz, lokale Emissionsfreiheit
- Herausforderungen: Reichweite, Masse / Lastreserven, Ladeinfrastruktur, Energieversorgung für die Medizintechniken
- Hitze: Erarbeitung von Hitzeschutzplänen für Rettungsdienst und Leitstellen: Schutz der Mannschaft, Disposition, Materiallogistik, Medikamentenstabilität, Kühlung, etc.
- Gebäude und Energie: Photovoltaik-Anlagen an Wachen, Wärmepumpen, Wärmerückgewinnung, etc.
MerkeÖkologie endet nicht am Auspuff: Hitzeschutz ist Arbeitsschutz und Patient:innensicherheit und wird in heißen Sommern zum Kernelement der Vorhaltung.
Prüfungswissen
Auftrag und Rechtsrahmen:
- Öffentliche Aufgabe der Länder: Sicherstellung der präklinischen Versorgung von Notruf/ Disposition bis Übergabe in die Zielversorgung, Details (Vorhaltung, Leitstellen, Hilfsfristen, Notarzt-Einbindung) sind landesrechtlich geregelt (z.B. BayRDG, RettG NRW)
- Berufsrechtliche Basis: NotSanG (Berufsbild, Aufgaben, Erlaubnis), konkretisiert durch NotSan-APrV (Ausbildungsstruktur, Praxisanteile, Prüfungen), bundeseinheitlicher Kompetenzrahmen + landesspezifische Ausführungen/ SOPs
- Zugänge für Patient:innen:
- 112 für akute, lebensbedrohliche Lagen (technische Richtlinien: Standort-/ Rufnummernübermittlung)
- qualifizierter Krankentransport über integrierte Leitstellen (teils separat/ privat organisiert)
- 116117 für nicht-akute, ambulante Fälle, klar abgegrenzt von der Notfallrettung
Strukturen und Akteure:
- Aufgabenträger (staatlich/kommunal) sichern Daseinsvorsorge: Leistungserbringer (Hilfsorganisationen, Feuerwehren, kommunale/private Anbieter) erbringen die operative Leistung, Leitstellen koordinieren, Zuständigkeiten landesrechtlich definiert
- Bedarfsplanung: Analyse von Einsatzaufkommen, Definition von Zielgrößen (z.B. Eintreffzeit), Ableitung von Standorten/ Schichtmodellen/ Reserven, regelmäßige Fortschreibung
- Daseinsvorsorge: Sicherstellungsprinzip (Vorhaltung, Qualität, Erreichbarkeit auch bei geringer Nachfrage), Steuerung über Bedarfsplan, Beauftragung, Verträge, Entgelt/Gebühren, Aufsicht/Qualitätsberichte
- Leitstellen: Notrufannahme → Priorisierung → Alarmierung → Einsatzunterstützung, disponieren RD (Notfall/KTP, je nach Land) und Feuerwehr, 24/7 besetzt und führen Kapazitäten der Kliniken
- Führungsfunktionen: ÄLRD (medizinische Führung/QM), LNA + OrgL bilden SanEL bei Großschadenslagen, Ausgestaltung länderspezifisch
- Strukturen: Rettungswachen und NA-Standorte (24/7), Stellplätze, Luftrettung (RTH/ITH)
- Ergänzende Strukturen: Ehrenamt (First Responder/HvO)
- Ersetzt nicht die Regelvorhaltung: SEG/KatS für MANV oder Großschadenslagen
Qualifikationen:
- Notfallsanitäter:in: 3-jährige Vollzeitausbildung (Teilzeit bis 5 Jahre) mit Theorie, Klinik-/Präklinik-Praxis, mit staatlicher Prüfung abgeschlossen
- Ziel: eigenständige, situationsadäquate Versorgung inkl. strukturierter Diagnostik, Priorisierung, Schnittstellenarbeit, eigenverantwortliche Heilkunde in vitaler Gefährdungslage (§ 2a NotSanG) + SOP-gestützte Maßnahmen
- Rettungssanitäter:in: landesrechtlich geregelt, Referenzcurriculum 520 Std. (160 Schule/160 Klinik/160 Wache/40 Abschluss)
- Einsatz: KTP, Unterstützung in Notfallrettung
- Rettungshelfer:in (je nach Land): Kurzqualifikation unterhalb RS, v.a. KTP, Unterstützung, Ehrenamt, Umfang/Einsatz landesrechtlich festgelegt
- Notärzt:in (Zusatz-Weiterbildung Notfallmedizin): Anforderungen nach Landes-Weiterbildungsordnung (u.a. 24 Monate Weiterbildung inkl. 6 Monate Intensivstation/Anästhesie, Kurs ~80 Std., Einsätze)
- Leitstellen-Disponent:in: nicht bundeseinheitlich normiert, i.d.R. RD-Qualifikation (ggf. Feuerwehr) + Weiterbildung Leitstelle, neuerdings teils 3-jährige duale Ausbildung
- Fortbildungspflichten: landesrechtlich (häufig ~30 Std./Jahr)
- Erweiterungen/Aufstieg: u.a. Praxisanleitung, Medizinprodukte-Beauftragte:r, Desinfektor:in, Sicherheitsbeauftragte:r, Qualitätsmanagement-Bauftragte:r, Auditor:in, Wachleitung, OrgL
Qualität:
- Qualitätsverständnis: Struktur-, Prozess-, Ergebnisqualität
- Prinzipien: Messbarkeit (eindeutige Definition), Vergleichbarkeit (einheitliche Zeitpunkte), Verbesserungsorientierung (PDCA, Reviews, Simulation, Feedback)
- Qualitätsmerkmale (nach Redelsteiner): Sicherstellung, Zugänglichkeit, menschliche Anteilnahme, Angemessenheit, zeitgerecht (Hilfsfristen), Gleichmäßigkeit, Kosteneffizienz, verbessertes Patient:innenoutcome
- Bedarfsplanung:
- Zeitachsen/Messpunkte: Notrufeingang, Annahme-, Dispositions-, Ausrücke-, Fahr-, Eintreff-, Versorgungs-, Transport-, Übergabe-, Wiederverfügbarkeitszeit
- Hilfsfrist/Eintreffzeit: landesrechtlich definierte Vorgaben, meist Perzentil (P90/P95), urban-/ländlich differenziert; für Steuerung aussagekräftig: Heatmaps/Zeit-zu-Ziel
- Kennzahlen (Auswahl):
- Leitstelle (Erreichbarkeit, Abbrüche, Dispositionszeiten, T-CPR-Quote, Stichworttreue)
- Einsatz (Eintreff-/On-Scene-Zeiten, Schmerzmanagement, Atemwegs-/Beatmungsmonitoring, Diagnostik-Raten, Voranmeldung/Pfade)
- Outcome (ROSC, Komplikationen, Zielklinikwahl)
- Datengrundlage, Validierung, Reporting mit klaren Regeln, Pseudonymisierung und Echtzeit-Dashboards, Trendberichten
- Bedarfsplanung und dynamische Vorhaltung: Nachfrageanalyse (Zeitreihen), Standortoptimierung (Fahrzeiten), lastgerechte Schichtmodelle und Redeployments, Hot-Spot-Verlegung (Gebietsabsicherung), First-Responder-Trigger
Finanzierung und Abrechnung:
- Primär über Entgelte und Benutzungsgebühren an GKV, PKV und weitere Kostenträger (u.a. Bundespolizei, Bundeswehr, BG/Unfallkassen), Entgelte einheitlich pro Rettungsdienstbereich
- Grundlage: Gebührensatzungen oder vertragliche Benutzungsentgelte sowie SGB
- Kosten: Fixkosten der Vorhaltung dominieren (abhängig von Hilfsfrist, Qualifikation, Ausstattung), Investitionen teilweise öffentlich finanziert, vorklinischer Bereich derzeit als „Fahrkosten“ im SGB V abgebildet
- Drei Vergabe- und Finanzierungsmodelle (je nach Landesrecht/Bedarfsplan, immer Vorhalteprinzip):
- Eigeneinbringung/kommunales Modell (alles aus einer Hand, volle Steuerung und Risiken)
- Submissionsmodell (Beauftragung Dritter, Steuerung und Controlling beim Träger)
- Konzessionsmodell (Leistungserbringer rechnet direkt mit Kassen ab, hoher Bedarf an klaren Standards und Controlling)
- Monistisch vs. dualistisch: Verbreitung annähernd ausgewogen
- Monistisch = Betriebs- und Investitionskosten bei Kostenträgern
- Dualistisch = Investitionen Länder, Betrieb Kassen
- Gebührenfestsetzung nach Prinzipien der Kommunalabgaben (Erforderlichkeit/Äquivalenz, Wirtschaftlichkeitsgebot § 12 SGB V)
Quellen
- Luxem, J., Runggaldier, K., Karutz, H., Flake, F., Notfallsanitäter Heute, Elsevier, 2016, ISBN: 978-3437461958
- Koch, S., Kuhnke, R., retten - Notfallsanitäter, Thieme, 2023, ISBN: 978-3132421219
- Bens, D., Rettungsdienst - Management, Stumpf + Kossendey Verlag, 2010, ISBN: 978-3938179529
- Roth, K., Struktur der medizinischen Notfallversorgung in Deutschland, Kohlhammer, 2018, ISBN: 978-3170321830


