Visite

• Information des/der Patient:in über den Behandlungsverlauf und die nächsten Schritte
  • Beispiel: Der Patient wird über die Ergebnisse der letzten Blutuntersuchung informiert und es wird erklärt, welche nächsten diagnostischen Schritte notwendig sind
• Besprechung aktueller Probleme, Anliegen und Fragen des/der Patient:in
  • Beispiel: Der Patient klagt über Schmerzen. In der Visite kann die Ursache hierfür evaluiert werden und eine Anpassung der Schmerzmedikation festgelegt werden. Diese kann direkt mit dem/der betreuenden Pfleger:in besprochen werden

 Info

In der Visite geht es nicht nur darum, Informationen, wie z.B. den aktuellen Gesundheitszustand, zu erhalten. Es sollten auch Informationen an die Patient:innen und die anderen Fachdisziplinen (z.B. Pflege) vermittelt werden.

• Stärkung des Vertrauensverhältnisses zwischen medizinischem Personal und Patient:in
  • Beispiel: Regelmäßiges und ehrliches Feedback zum Gesundheitszustand kann Vertrauen und Sicherheit für Patient:innen schaffen. Dies fördert auch die Therapieadhärenz der Patient:innen
• Kontinuierliche Beurteilung des Krankheitsverlaufs und Anpassung des Behandlungskonzepts
  • Beispiel: Bei einem Patienten mit Herzinsuffizienz wird täglich der Wasserhaushalt und das Gewicht kontrolliert, um die diuretische Therapie an den Wasserhaushalt anzupassen. Wird z.B. eine Zunahme von Ödemen festgestellt, sollte die diuretische Therapie intensiviert werden. Stellt sich der Patient hingegen gut rekompensiert und bereits exsikkiert dar, sollte die diuretische Therapie reduziert werden
• Kontrolle der medizinischen Maßnahmen zur Sicherstellung einer adäquaten Therapie
  • Beispiel: Besprechung mit dem Patienten, ob alle angeordneten Medikamente eingenommen wurden und ob eventuell Nebenwirkungen aufgetreten sind

 Tipp

Sorge vor Medikamenten ernst nehmen und offenes Gespräch führen

Einige Patient:innen nehmen aus Sorge vor Nebenwirkungen oder aufgrund tatsächlich aufgetretener Nebenwirkungen bestimmte Medikamente nicht ein. Oftmals teilen sie dies nicht mit. Ein offenes Gespräch kann jedoch die Therapieadhärenz deutlich verbessern.

• Klinische Untersuchung zur Evaluation des aktuellen Gesundheitszustands
  • Beispiel: Tägliches Abhören der Lunge bei einem Patienten mit Lungenentzündung, um eine Verbesserung oder Verschlechterung festzustellen
• Absprache mit anderen Fachdisziplinen, um eine interdisziplinäre Behandlung zu gewährleisten und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu stärken
  • Beispiel: Rücksprache mit der Physiotherapie, um den Mobilisationsplan für einen bettlägerigen Patienten abzustimmen
  • Beispiel: Gemeinsame Besprechung von Ernährungsproblemen mit der Pflegekraft und der Ernährungsberatung, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten

Chefärzt:innenvisite:

Die Visite durch den/die Chefärzt:in findet je nach Klinikstandard in der Regel einmal wöchentlich statt und dient einer kontrollierenden und übergeordneten Beurteilung der Behandlung. Sie bietet die Möglichkeit, den Therapieansatz zu überdenken und Entscheidungen im Team zu fällen.

Vorteile:

• Fachkompetenz: Der/die Chefärzt:in verfügt über umfangreiche Erfahrung und Fachkenntnisse, die zu einer gründlichen Bewertung der Patient:innen führen können
• Entscheidungskompetenz: Der/die Chefärzt:in kann wichtige Entscheidungen schnell treffen, da er/sie über umfassende Entscheidungsbefugnisse verfügt
• Patient:innenvertrauen: Die Anwesenheit des/der Chefärzt:in kann das Vertrauen der Patient:innen in die Behandlung stärken

Nachteile:

• Zeitfaktor: Chefärzt:innenvisiten können zeitaufwendig sein
• Hierarchie: Es kann eine starke Hierarchie zum Ausdruck kommen, die den Austausch zwischen Teammitgliedern und Patient:innen behindert

 Tipp

Einige Patient:innen trauen sich nicht vor dem/der Chefärzt:in sensible Themen anzusprechen oder nachfragen zu stellen. Falls man als Assistenzärzt:in das Gefühl hat, das noch offene Fragen bestehen oder Untersuchungen notwendig sind, sollte man diese entweder in der Chefärzt:innenvisite ansprechen oder nach der Chefärzt:innenvisite nachholen.

• Stress für das Personal: Die Anwesenheit des/der Chefärzt:in kann zu Stress und Druck für das medizinische Personal führen

 Tipp

Die Visite durch den/die Chefärzt:in ist für viele Assistenzärzt:innen und teilweise auch Pfleger:innen stressig. Sie kann jedoch dazu beitragen, dass die Akten der Patient:innen noch einmal ausführlich aufgearbeitet und hinterfragt werden.

Oberärzt:innenvisite:

Die Oberärzt:innenvisite erfolgt in der Regel häufiger als die Chefärzt:innenvisite und hat das Ziel, den Behandlungsverlauf zu überwachen, ggf. therapeutische Anpassungen vorzunehmen und offene Fragen der Stationsärzt:innen zu klären

Kurvenvisite:

• Hierbei handelt es sich um eine Durchsicht der Behandlungsunterlagen (z.B. der Patient:innenkurve)
• Diese kann z.B. jeden Morgen vor der Visite durchgeführt werden, um sich in neue Fälle einzuarbeiten und sich über die aktuellen Vitalparameter, Laborbefunde und weiteren diagnostische Befunde sowie den Verlauf (anhand der Dokumentation der Pflege und des Nachtdienstes) zu informieren
  • Anschließend können die weiteren diagnostischen Maßnahmen, die weitere Therapie und organisatorische Aspekte geplant und angepasst werden
  • Folgend können erste zeitkritische Anordnung erfolgen
  • Während der eigentlichen Visite können die Befunde und das weitere Vorgehen an den/die Patient:in kommuniziert werden

 Tipp

Die Kurvenvisite sollte durch eine echte Visite ergänzt werden

Eine ausführliche Kurvenvisite kann bereits viele Informationen über den Gesundheitszustand des/der Patient:in vermitteln. Die Kurvenvisite sollte jedoch immer durch eine echte Visite ergänzt werden. Während der echten Visite können das Befinden des/der Patient:in erfragt werden, eine Inspektion und körperliche Untersuchung erfolgen und Informationen vermittelt werden.

 Tipp

Kurvenvisite als Vorbereitung

Die Kurvenvisite sollte zur Vorbereitung am besten vor der eigentlichen Visite erfolgen.

In vielen Kliniken gibt es mobile Computer, die auf die Visite mitgenommen werden können. Hierdurch kann während der echten Visite eine parallele Kurvenvisite erfolgen. Dies kann dazu führen, dass man sich mehr auf den Computer, als auf den/die Patient:in fokussiert, jedoch auch dazu beitragen, dass Befunde direkt nachgeschaut und dokumentiert werden können.

• Gemeinsam mit dem/der Oberärzt:in kann z.B. nachmittags eine erneute Kurvenvisite erfolgen. In dieser können neue Befunde gesichtet, die Planung und die Therapie angepasst und offene Fragen geklärt werden

Stationsärzt:innenvisite:

Die tägliche Visite wird meistens durch den/die Stationsärzt:in durchgeführt. Bei dieser sollte das Befinden des/der Patient:in, aktuelle Probleme, die Ergebnisse der bisherigen Diagnostik und das weitere geplante Vorgehen besprochen werden. Weiterhin kann eine körperliche Untersuchung erfolgen und es sollten offene Fragen geklärt werden.

 Tipp

Vorteile der Visite durch die Stationsärzt:innen

Die Stationsärzt:innen haben häufig einen engeren Kontakt zu den Patient:innen und sind teilweise stärker in den aktuellen Verlauf involviert. Sie haben meistens mehr Kontakt mit dem Pflegepersonal und den anderen Fachdisziplinen und setzen viele diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen um.

Die Visite durch die Stationsärzt:innen ist daher nicht zu unterschätzen und wichtig, da die Stationsärzt:innen häufig am besten informiert sind, sich ggf. mehr Zeit für die Visite nehmen können und durch den häufigeren Kontakt ggf. ein tieferes Vertrauensverhältnis vorliegt.

In einigen Kliniken und je nach Fachdisziplin kann dies jedoch variieren. Es gibt Kliniken in denen die Visite immer gemeinsam mit den Oberärzt:innen erfolgt und diese stark involviert sind.

 Tipp

Stationsärzt:innen sind häufig Assistenzärzt:innen, die möglicherweise noch nicht über umfassende Berufserfahrung verfügen. Dies kann den Eindruck von geringer Erfahrung und Unsicherheit vermitteln.

Falls eine Frage nicht sicher beantwortet werden kann oder Unklarheiten bestehen, ist es wichtig, dies offen und ehrlich zu kommunizieren und nicht zu lügen. Den Patient:innen sollte die Sicherheit vermittelt werden, dass die Behandlung durchgehend von erfahrenen Ärzt:innen überwacht wird. Ggf. sollten erfahrene Kolleg:innen oder Oberärzt:innen bei schwierigen Situationen oder Entscheidungen hinzugezogen werden.

Prämedikationsvisite:

Im Vorfeld einer Operation wird der/die Patient:in auf seine/ihre Operationsfähigkeit beurteilt und notwendige Informationen zur Narkose besprochen.

Die Visite sollte am besten einem Schema folgen, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Punkte berücksichtigt werden:

1. Vorbereitung der Visite:

• Sorgfältige Vorbereitung, um die Visite effizient zu gestalten und die Patient:innen ausreichend gut informieren zu können
• Aktuelle Befunde, Laborwerte, Bildgebung und Pflegeberichte sollten im Vorfeld studiert werden
• Das weitere Vorgehen sollte nach Möglichkeit geplant werden, sodass es in der Visite kommuniziert werden kann
• Vor der Visite ist es hilfreich, Themen, die besprochen werden sollten und notwendige Untersuchungen zu notieren, um diese in der Visite strukturiert anzusprechen und durchzuführen. Weiterhin sollten erforderliche Aufklärungen vor der Visite vorbereitet werden, sodass diese direkt erfolgen können

 Tipp

Gute Vorbereitung spart Zeit und verbessert die Versorgungsqualität

Durch eine gute Vorbereitung der Visite kann man den eigenen Tag strukturieren und sich viel Zeit sparen. Erfolgt eine unstrukturierte Visite und werden wichtige Punkte vergessen, kommt es häufig vor, dass diese verteilt über den Tag ineffektiv nachgeholt werden müssen.

2. Besprechung im Team vor dem Patientenzimmer:

• Gemeinsame Besprechung des betreuenden ärztlichen und pflegerischen Teams sowie ggf. mit anderen Fachdisziplinen
• Austausch über den Grund des Aufenthaltes, den Verlauf, die aktuellen Befunde, den Eindruck des/der Patient:in aus der Sichtweise der verschiedenen Fachdisziplinen und das geplante Vorgehen
• Ggf. Erklärung des Falles oder Teaching für PJler:innen und Praktikant:innen

 Tipp

Es ist ratsam, im Team vor dem Patientenzimmer alles Wesentliche zu besprechen. Dadurch kann man sich im Zimmer besser auf das Gespräch mit dem Patienten oder der Patientin konzentrieren und spricht mit ihnen und nicht über sie. Weiterhin kann vor dem Patientenzimmer ein offener Austausch stattfinden und Informationen besprochen werden, die ggf. in dieser Form nicht unmittelbar an die Patient:innen vermittelt werden sollten.

 Tipp

Privatsphäre wahren

Es sollte darauf geachtet werden, dass sich auf dem Flur keine anderen Patient:innen in Hörreichweite befinden. Nach Möglichkeit sollte das Teamgespräch in einem privaten Raum stattfinden.

3. Im Patientenzimmer:

• Feste Visitenzeiten, sodass sich die Patient:innen auf die Visite einstellen können
• Anklopfen
• Händedesinfektion
• Begrüßung des Patienten und eigene Vorstellung und Vorstellung des Teams (Name und Funktion)
• Ggf. auf Stuhl hinsetzen (aus hygienischen Gründen nicht auf Bett des/der Patient:in): dies vermittelt Ruhe
• Abfragen des Befindens des/der Patient:in: z.B. Wie geht es Ihnen?
  • Es sollte auf die Antwort des/der Patient:in eingegangen werden. Bei Beschwerden sollte ggf. eine Anamnese und Untersuchung erfolgen
• Besprechung der aktuellen Situation, der neuen Befunde und des geplanten weiteren Vorgehens, wobei die Verständlichkeit der Information für den/die Patient:in im Vordergrund steht
  • Berücksichtigung von Fragen des/der Patient:in, um sie aktiv einzubeziehen
  • Es sollte respektiert werden, dass manche Patient:innen mehr oder weniger Informationen wünschen. Eine individuelle Anpassung an die Bedürfnisse der Patient:innen ist hierbei entscheidend

• Bedarfsabhängige körperliche Untersuchung
  • Privatsphäre schaffen
  • Achtsamkeit gegenüber Details wie Hautfarbe, Geräusche, Gerüche, Wundverhältnisse und Zustand von Drainagen
  • Es sollte auf subtile Hinweise wie den allgemeinen Zustand, den Geruch, die Hygiene der Drainagen oder auch das Verhalten der/des Patient:in geachtet werden. Beispielsweise kann der Geruch Hinweise auf einen Harnwegsinfekt geben

 Tipp

Auf das eigene Gefühl hören

Es ist auch wichtig, auf das eigene Gefühl zu achten. Hat man selbst oder eine andere Person im Team das Gefühl, etwas stimmt nicht, sollte man diesem weiter nachgehen.

• Ggf. Durchführung von notwendigen Aufklärungen
• Ggf. Gespräch gemeinsam mit den Angehörigen
• Wertschätzende Kommunikation und Förderung des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient:in und medizinischem Team
• Am Ende der Visite sollte immer nach offenen Fragen gefragt und diese geklärt werden
• Nach einer langen Visite oder bei komplexen Themen können die wichtigen Punkte noch einmal zusammengefasst werden
• Händedesinfektion und freundlicher Hinweis, dass sich der/die Patient:in bei weiteren Fragen gerne jederzeit melden kann

 Tipp

Positive Atmosphäre fördern

Eine wertschätzende und freundliche Atmosphäre während der Visite kann dazu beitragen, das Wohlbefinden der Patient:innen zu steigern und Ängste abzubauen. Ein Lächeln, positive Worte und eine offene Körperhaltung fördern das Vertrauen und den Austausch.

4. Kommunikation mit dem Pflegepersonal:

• Rücksprache mit dem Pflegepersonal am Ende der Visite, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Informationen weitergegeben wurden
• Besprechung pflegerischer Aspekte zur Sicherstellung einer ganzheitlichen Versorgung
• Wertschätzende Einbeziehung der Pflegekräfte, da sie wichtige Partner im Versorgungsteam sind

 Tipp

Interdisziplinärer Austausch

Eine gute Absprache zwischen Ärzt:innen, Pflege und ggf. weiteren Therapeuten ist für die erfolgreiche Behandlung von entscheidender Bedeutung. Die Visite sollte als interdisziplinärer Austausch gesehen werden, bei dem alle Disziplinen zu Wort kommen können und wertgeschätzt werden.

5. Nachbereitung:

• Anmeldung geplanter Untersuchungen, Konsile und Maßnahmen
• Anordnung von Maßnahmen und Medikamenten und Rücksprache mit der Pflege
• Rücksprache mit Oberärzt:innen und anderen Fachdisziplinen
• Festlegung der nächsten diagnostischen, therapeutischen und organisatorischen Maßnahmen
• Strukturierte Dokumentation des gesamten Ablaufs der Visite, einschließlich der aktuellen Befunde und aller besprochenen und geplanten Maßnahmen (siehe Visitendokumentation)

 Achtung

Eine sorgfältige Dokumentation ist nicht nur wichtig, um die Qualität der medizinischen Versorgung sicherzustellen, sondern auch, um rechtlichen Anforderungen zu genügen. Fehlerhafte oder unvollständige Dokumentationen können später zu Problemen führen.

Das Visitengespräch zählt in der Klinik zu den täglichen Aufgaben vieler Ärzt:innen. Es ist dennoch wichtig, dass die Bedeutung der Visite aus Sicht der Patient:innen nicht in Vergessenheit gerät. Während das Gespräch für viele Ärzt:innen eine Pflicht darstellt, ist es für Patient:innen oft das wichtigste Ereignis des Tages.

Die Rahmenbedingungen einer Stationsvisite unterscheiden sich von denen in einer Hausarztpraxis. So ist es bspw. in den meisten Fällen nicht möglich, eine gänzlich ungestörte Atmosphäre zu schaffen. In Kombination mit den allgemeinen Kommunikationsskills kann die Berücksichtigung einiger Punkte dazu beitragen, ein gelingendes Visitengespräch zu führen:

• Kommunikation auf Augenhöhe: Das Visitengespräch sollte wenn möglich auf Augenhöhe stattfinden. Dies gelingt bspw., indem sich die Ärzt:innen auf einen Stuhl neben das Bett der Patient:innen setzen. Dies signalisiert zusätzlich Ruhe und zeigt, dass man sich Zeit für das Gespräch nimmt. Aus hygienischen Gründen sollte man sich nicht auf das Bett der Patient:innen setzen.
• Besprechungen im Team: Besprechungen im Team sollten nicht im Zimmer der Patient:innen geführt werden. Alternativ kann die interne Kommunikation z.B. im Gang erfolgen. Hier sollte darauf geachtet werden, dass keine anderen Patient:innen oder Angehörige sensible Informationen erfahren.
• Pausen machen: Während des Gesprächs sollten Ärzt:innen ausreichend Pausen machen. Auf diese Weise erhalten Patient:innen die Möglichkeit, die Informationen zu verarbeiten und Fragen zu stellen.
• Strukturierung der Inhalte und Themen: Häufig sind die medizinischen Fakten in Verbindung mit der begrenzten Zeit und mehreren Personen, die die Visite begleiten, überfordernd für die Patient:innen. Eine Strukturierung des Gesprächs kann hierbei hilfreich sein.

Da die Informationsvermittlung im Mittelpunkt der Visite steht, ist es besonders wichtig, sich klar auszudrücken und Fachsprache zu vermeiden. Das Verständnis sollte regelmäßig überprüft werden. Trotz des Zeitdrucks ist es auch wichtig, dass Patient:innen die Möglichkeit bekommen, persönliche Anliegen zu äußern.

Die Visite trägt maßgeblich dazu bei, wie wohl sich Patient:innen in der Klinik fühlen. Deshalb ist es wichtig, neben der Informationsvermittlung auch psychosoziale Aspekte zu berücksichtigen. Letztendlich sollen die Patient:innen während des Gesprächs im Mittelpunkt stehen.

 Achtung

Einbeziehung der Patient:innen

Im Rahmen der Visite kommt es oftmals zu einem Interessenkonflikt: Während das Pflegepersonal und die Assistenzärzt:innen bspw. ihr fachliches Können unter Beweis stellen wollen, haben Chefärzt:innen bestimmte Erwartungen und wollen ihrem Ruf als Vorgesetzte gerecht werden. Dies führt dazu, dass oft über und nicht mit den Patient:innen gesprochen wird.

Um diesen Interessenkonflikt zu vermeiden, eignet sich eine funktionelle Untergliederung der Visite in ein internes Fachgespräch über die Patient:innen und ein persönliches Gespräch mit den Patient:innen.

 Tipp

Interessen, Wünsche und Gefühle der Patient:innen wahrnehmen und auf diese eingehen

Bei der Visite bleibt oft wenig Zeit, um Informationen zu erhalten und zu vermitteln. Die inhaltlichen Interessen und Prioritäten unterscheiden sich aus Sicht der Patient:innen und Ärzt:innen. Während für Ärzt:innen die Diagnose und Therapie die wichtigsten Themen darstellen, wollen Patient:innen bspw. vor allem über das Erleben ihrer Erkrankung sprechen. Im Sinne einer guten Beziehung, sollte zwischen den Erwartungen beider Seiten vermittelt werden.

 Tipp

Eine strukturierte Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Beim Vermitteln von Informationen sollte die SPIKES-Methode verwendet werden, die sich insbesondere für schwierige Gespräche eignet:

• S: Setting (Rahmenbedingungen schaffen)
• P: Perception (Wahrnehmung des Patienten erfragen)
• I: Invitation (Einladung zur Information)
• K: Knowledge (Wissen vermitteln)
• E: Empathy (Empathie zeigen)
• S: Strategy (Weiteres Vorgehen planen)

Ausgangssituation: Die Stationsärztin Dr. Müller beginnt die morgendliche Visite zusammen mit der zuständigen Pflege. Zunächst bereitet sie sich mit einigen Leitfragen kurz auf das Gespräch mit dem ersten Patienten Herrn Krause vor:

• Name des Patienten
• Ergebnisse der Diagnostik, Diagnose und anstehende Diagnostik
• Therapieplan
• Aktuelle Probleme

Analyse: Analog zur Anamnese sollte auch im Rahmen der Stationsvisite eine kurze Vorbereitung auf das Gespräch erfolgen. Strukturierte Leitfragen helfen dabei, auch in Stresssituationen die wichtigsten Punkte abzurufen.

Bevor das Team den Raum betritt, findet eine kurze Besprechung im Rahmen eines internen Fachgesprächs statt. Dabei werden u.a. folgende Standardfragen behandelt:

• Welche Themen stehen aktuell im Vordergrund?
• Welches Ziel hat das Visitengespräch?
• Wer spricht welche Themen an?

Analyse: Wie bereits erwähnt, sollte das fachinterne Gespräch ohne Anwesenheit von Patient:innen erfolgen, um einen Interessenkonflikt zu vermeiden und Themen offen ansprechen zu können. Zudem hilft die gemeinsame Vorbesprechung, das anschließende Gespräch besser zu strukturieren.

Das Team betritt das Zimmer des Patienten. Anschließend bittet Frau Dr. Müller alle anderen Anwesenden, den Raum zu verlassen.

Analyse: Damit soll die Privatsphäre während des Gesprächs gewährleistet werden. Dies ist bei mehreren bettlägerigen Patient:innen in einem Zimmer nicht immer möglich.

Dr. Müller setzt sich auf einen Stuhl neben das Bett des Patienten und beginnt das Gespräch: „Guten Tag Herr Krause, wir kennen uns noch nicht. Mein Name ist Dr. Müller. Ich bin Stationsärztin und werde heute zusammen mit meinem Team das Visitengespräch mit Ihnen führen. Wie fühlen Sie sich denn aktuell?“

Analyse: Die Begrüßung erfolgt analog zum Anamnesegespräch. Im Rahmen der Visite ist es zudem wichtig, Patient:innen nach ihrem aktuellen Befinden zu fragen.

Patient: „Mir geht es schon viel besser! Nachdem die letzten Tage so mühsam waren, würde ich jetzt aber wirklich gerne nach Hause. Wann kann ich denn gehen?“

Arzt: „Wir freuen uns sehr, dass es Ihnen besser geht. Ich verstehe auch, dass Sie schnell nach Hause wollen. Vor der Entlassung würden wir zur Kontrolle gerne noch einmal Blut abnehmen. Bei guten Ergebnissen könnten Sie heute Mittag nach Hause gehen. Wären Sie damit einverstanden?“

Analyse: Die Stationsärztin drückt Verständnis für die Situation des Patienten aus. Zudem erklärt sie ihm das geplante Vorgehen und fragt nach seinem Einverständnis. Auf diese Weise wird Herr Krause in die Entscheidungsfindung einbezogen.

Patient: „Ja, das ist für mich in Ordnung. Danke!“

Arzt: „Sehr gut. Haben Sie noch irgendwelche Fragen oder Anmerkungen?“

Patient: „Nein, aktuell nicht. Ich informiere schonmal meine Frau, sie würde mich wahrscheinlich abholen.“

Pflegepersonal: „Wenn Sie doch noch Fragen haben oder wir sonst etwas für Sie tun können, sagen Sie uns gerne jederzeit Bescheid. Wir kommen gleich nochmal, um Ihnen Blut abzunehmen.“

Analyse: Die Stationsärztin gibt dem Patienten die Möglichkeit, offene Fragen zu klären. Auch das Pflegepersonal bietet dem Patienten an, nochmals in Ruhe über persönliche Anliegen nachzudenken und diese zu einem späteren Zeitpunkt anzusprechen.

Arzt: „Gut. Sobald die Laborwerte vorliegen, komme ich noch einmal für eine kurze Besprechung zu Ihnen. Bis später.“

Das Team verlässt den Raum. Abschließend werden fachinterne Anliegen besprochen und das geplante Vorgehen nochmals gemeinsam zusammengefasst.

Struktur:

• Vorbereitung: Aktuelle Befunde und Pflegeberichte sollten vor der Visite gesichtet werden, um den/die Patient:in umfassend informieren zu können
• Strukturiertes Vorgehen: Ein klares Schema hilft dabei, alle relevanten Punkte zu berücksichtigen
  • Checkliste nutzen: Eine Checkliste hilft, den Ablauf der Visite zu standardisieren und zu strukturieren
  • Feste Uhrzeiten: Für Visiten sollte eine feste Uhrzeit eingeplant werden, damit die Patient:innen in den Zimmern anzutreffen sind und sich auf die Visite einstellen können

Patient:innen wahrnehmen und einbeziehen:

• Patient:innen einbeziehen: Das Vertrauen und die Therapieadhärenz können steigen, wenn die Patient:innen proaktiv über neue Befunde und die nächsten Schritte informiert werden. Die Patient:innen sollten stets in die Entscheidungsfindung einbezogen werden
• Angehörige einbeziehen: Bei komplexen Fällen kann es sinnvoll sein, Angehörige in die Besprechung einzubeziehen, um die Situation und die weiteren Schritte für alle Verständnisgruppen transparent zu machen

Empathische, vertrauensvolle und ehrliche Kommunikation:

• Privatsphäre wahren: Damit alle Themen offen und vertraulich angesprochen werden können, sollte Privatsphäre geschaffen werden und andere Patient:innen oder Angehörige ggf. aus dem Raum gebeten werden
• Sorgen und Symptome ernst nehmen: Die Sorgen und Beschwerden der Patient:innen sollten ernst genommen werden und es sollte auf diese eingegangen werden
• Verständlichkeit: Die Visite dient nicht nur dazu, Informationen von den Patient:innen zu erhalten, sondern auch der Vermittlung von Informationen. Daher sollten die Inhalte möglichst verständlich und ohne übermäßige Verwendung von Fachsprache vermittelt werden. Bei komplexen Themen solllte man sich den Sachverhalt gegebenenfalls noch einmal von dem/der Patient:in erklären lassen, um das Verständnis zu prüfen.
  • Offene Fragen klären: Am Ende der Visite sollten alle offenen Fragen des/der Patient:in geklärt werden
• Ehrlichkeit: Falls eine Frage nicht sicher beantwortet werden kann oder Unklarheiten bestehen, ist es wichtig, dies offen und ehrlich zu kommunizieren und nicht zu lügen
  • Keine falschen Versprechen oder Versprechen, die man nicht sicher einhalten kann (z.B. bezüglich des Entlassdatums)
• Positive Atmosphäre fördern: Eine wertschätzende und freundliche Atmosphäre während der Visite kann dazu beitragen, das Wohlbefinden der Patient:innen zu steigern und Ängste abzubauen. Ein Lächeln, positive Worte und eine offene Körperhaltung fördern das Vertrauen und den Austausch

Teamarbeit, Wahrnehmung schärfen und professionelles Auftreten:

• Teamarbeit: Eine gute Absprache mit Pflegekräften und anderen Expert:innen ist essenziell, um sicherzustellen, dass alle Informationen im Team bekannt sind
• Situationswahrnehmung schärfen: Es sollte auf subtile Hinweise wie den allgemeinen Zustand, den Geruch, die Hygiene der Drainagen oder auch das Verhalten der/des Patient:in geachtet werden. Beispielsweise kann der Geruch Hinweise auf einen Harnwegsinfekt geben
• Auf das eigene Gefühl hören: Häufig nimmt man unterbewusst Informationen wahr, die zu einem Gefühl führen, das man nicht direkt begründen kann. Daher lohnt es sich, die eigenen Gefühle aktiv wahrzunehmen und diesen ggf. weiter nachzugehen
• Geordnetes Auftreten: Ein sauberer Arztkittel und ein geordnetes Erscheinungsbild tragen wesentlich zum professionellen Eindruck bei. Aus hygienischen Gründen sollten die Ärmel des Arztkittels hochgekrämpelt werden